# taz.de -- Nachruf Jacques Vergès: Des Teufels prinzipientreuer Advokat | |
> Er verteidigte den Terroristen Carlos, den Nazitäter Barbie und den | |
> serbischen Präsidenten Milošević. Jetzt ist der französische Anwalt | |
> Vergès gestorben. | |
Bild: Jacques Vergès, 1925 - 2013. | |
PARIS taz | Der französische Anwalt Jacques Vergès ist in der Nacht auf | |
Freitag in Paris nach Angaben seines Verlegers an Herzversagen gestorben. | |
Keiner verkörperte in Frankreich mehr als er die Rolle des umstrittenen | |
Staranwalts, der sich weit über die Grenzen der Pflicht und die Regeln der | |
Zunft vor Gericht und in den Medien für seine Klienten kämpfte. | |
Sein Markenzeichen war es, sich für prominente Angeklagte einzusetzen, | |
deren Sache im Vorhinein verloren war: Mörder, Attentäter und Terroristen | |
wie Carlos, alte Nazis wie Klaus Barbie oder gestürzte Staatschefs | |
(Milošević, Gbagbo, Wade). In Deutschland verteidigte er seinen | |
Berufskollegen Klaus Croissant. | |
Bald war Vergès über Frankreich hinaus der „Terroristenanwalt“. Man machte | |
es ihm zum Vorwurf, dass er sich nie distanzierte. „Der Terrorismus ist die | |
Waffe der Schwachen“, sagte er und ließ es bewusst offen, ob das als | |
Rechtfertigung und Sympathie zu verstehen sei. | |
Provokativ meinte er in einem Interview vor drei Jahren, er hätte auch | |
Hitler vor Gericht verteidigt und den US-Expräsidenten George Bush. Und | |
wohl lieber noch den Satan in Person, denn seine Lieblingsrolle war die des | |
„Advocatus diaboli“ (des Teufels Anwalt). | |
## Gaullist und Kommunist | |
Ihn interessierte es dabei nicht, in diesen hoffnungslosen Fällen die | |
hypothetische Unschuld seiner Mandanten zu beweisen, sondern aus jedem | |
dieser Prozesse – oft bis an den Rand des grotesken Spektakels – ein | |
politisches Schaustück zu machen, in dem er die Anklage gegen den Staat und | |
das System zurückspielte. Dabei nutzte er dank seines (von allen | |
Berufskollegen jetzt in Nachrufen neidlos anerkannten) rhetorischen Talents | |
und seiner Kenntnis der Strafprozessordnung jeden Formfehler oder Patzer | |
der Staatsanwaltschaft gnadenlos aus. | |
Hinter dem von ihm dabei stets geltend gemachten Prinzip, dass auch der | |
schlimmste Verbrecher Anrecht auf die bestmögliche Verteidigung habe, | |
verbarg er nie sein eigenes Engagement. Dieses wurzelte vor allem in einem | |
sehr ausgeprägten Antikolonialismus. | |
Jacques Vergès wurde als Sohn des französischen Konsuls und einer | |
Vietnamesin am 5. März 1925 in Thailand geboren. Er wuchs auf der | |
französischen Insel La Réunion auf, von der sein Vater stammte. Als | |
17-Jähriger schloss er sich 1942 der Widerstandsbewegung zum Kampf gegen | |
die Hitler-Truppen an. Obwohl er (angeblich zeitlebens) eine Bewunderer von | |
General de Gaulle war, trat er nach dem Krieg in die Kommunistischen Partei | |
ein. | |
## Wo war Vergès? | |
Wegen Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Kolonien brach er mit der | |
Partei und wandte sich später dem Maoismus zu. Als junger Anwalt machte er | |
sich rasch einen Namen als Verteidiger von Mitgliedern der algerischen | |
Unabhängigkeitsbewegung FLN. Er rettete mit einem spektakulären Plädoyer | |
Djamila Bouhired, die für die FLN in Algier einen mörderischen | |
Bombenanschlag verübt hatte, vor der Todesstrafe. Wenig später wurde sie | |
seine Frau, und Vergès blieb nach der Unabhängigkeit bis 1970 in Algerien. | |
Dann verschwand er für mehrere Jahre von der Bildfläche. War er bei seinem | |
Studienfreund Pol Pot und seinem späteren Klienten Khieu Samphan in | |
Kambodscha? Bei den Palästinensern, deren Sache er immer vehement vertrat? | |
Vergès nimmt das Geheimnis mit sich ins Grab. | |
Der Regisseur Barbet Schroeder hat ihn in seinen irritierenden Facetten im | |
Dokumentarfilm „Anwalt des Terrors“ verewigt. Wie sehr sich Vergès in | |
dieser nach Schwefel riechenden Rolle gefiel, beweist sein Auftritt auf der | |
Theaterbühne, auf der er – laut Le Figaro mit Bravour – vor den abwesenden | |
Anklägern für sich selber plädierte. | |
Sein Berufskollege Jacques Kiejman zollt ihm Respekt für den Kampf gegen | |
Hitler und den Kolonialismus der frühen Jahre, meint aber, Vergès mit habe | |
„in den letzten Jahren nicht sein Talent, zweifellos aber seine | |
Überzeugungskraft verloren“. | |
16 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Carlos | |
Dokumentarfilm | |
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