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# taz.de -- Abgeschobene Roma: Vorwärts ins Feindesland
> Aus Hamburg, Hannover und Kiel werden Roma nach Serbien abgeschoben. Wie
> ergeht es ihnen? Ein Besuch in Südserbien und den Slums am Rande
> Belgrads.
Bild: Leben häufig im Elend: Aus Deutschland abgeschobene Roma in Serbien.
PIROT/VIDIKOVAC/BREMEN taz | Dieser Tage ist in Bremerhaven wieder eine
Familie zu viel. Die vier Roma sollen zurück nach Serbien. So will es die
Ausländerbehörde.
In Hamburg und Niedersachen war Serbien vergangenes Jahr das Hauptzielland
für Abschiebungen: In Hamburg für 75 Menschen, in Niedersachsen für 102,
zählte der Flüchtlisgsrat – und schätzt, dass es hauptsächlich Roma waren.
Doch was erwartet sie in Serbien? Im Juni machte sich eine Delegation aus
Deutschland, Belgien und Luxemburg auf, um nachzuschauen. Darunter der
Bremer Anwalt Jan Sürig und die Ärztin Andrea Vogel, Internistin am
Klinikum Bremen-Mitte. JournalistInnen der taz haben sie begleitet.
Vordergründig erscheint ein ökonomisches Problem: In den ärmsten Vierteln
am Rand der Dörfer in Südserbien wohnen hauptsächlich Roma, genauso in den
Slum-Hütten am Rande Belgrads. Viele von ihnen sprechen fließend Deutsch,
sind sogar in Hamburg oder in Hannover geboren. Warum sie wieder nach
Deutschland wollen, wird klar, wenn man sieht, wie sie Brot aus Mülleimern
sammeln. Noch klarer wird es, folgt man ihren Erzählungen: Roma werden auf
der Straße angefeindet, in den Schulen, bei Behörden. In Belgrad berichtet
fast jeder Rom oder jede Romni von Angriffen durch Neonazis. Manchmal
werden dabei die Hütten angezündet, und jemand verbrennt.
Schätzungen zufolge sind zehn Prozent der serbischen Bevölkerung Roma. Vom
offiziellen Arbeitsmarkt sind sie nahezu ausgeschlossen. Wo Roma wohnen,
wird die Kanalisation nicht instand gesetzt. Es gibt kein Trinkwasser,
keinen Strom.
„Statt Fluchtgründe zu beseitigen, die in einer weitgehenden
Diskriminierung und Marginalisierung der Roma liegen, reagieren die
betroffenen Staaten, indem sie ihre Rechte weiter einschränken“, sagt die
Soziologin Karin Waringo, die auch bei der Reise dabei war. Sie verweist
darauf, dass serbische Behörden Reisepässe entziehen oder die Ausreise
verhindern. Dies stelle einen „klaren Verstoß gegen die Menschenrechte“ dar
und könne „schon an sich ein Grund sein, Schutz einzufordern“.
SerbInnen brauchen seit 2009 kein Visum, um in die EU zu reisen. Wegen
steigender Flüchtlingszahlen drohte Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) Ende 2012, diese Visumsfreiheit wieder aufzuheben. Die
Drohung wirkte: In Serbien bekamen die Roma die Schuld. An den Grenzen, so
berichtet die serbische Menschenrechts-Organisation „Regional Center for
Minorities“, werden Roma seitdem an der Ausreise gehindert.
„Die Bundespolizei bildet uns aus“, sagte Milan Barac zur taz. Er leitet im
serbischen Innenministerium die Abteilung für internationale Zusammenarbeit
der Grenzpolizei. Ein Vertreter der Bundespolizei sei zwei Mal die Woche
da, so Barac. Kontrollen, bei denen Menschen nach ihrem Aussehen als Roma
eingeordnet und herausgefischt werden, gebe es nicht. Serbien will in die
EU. Auch Ivan Gerginov, Assistent des Kommissars für Flüchtlinge in
Serbien, sagte daher: „Ich bin stolz darauf sagen zu können, dass niemand
in Serbien obdachlos ist.“
Am gleichen Tag besuchte die Delegation die informelle Siedlung am
Belgrader Stadtrand in Vidikovac. Auch viele Abgeschobene aus
Norddeutschland leben dort – in Hütten aus Sperrmüll. Sie leben von dem,
was andere wegwerfen. Einige seit Jahren. „Humanitäre Härten“ heißt das …
deutscher Verwaltungssprache. Bremen und Schleswig-Holstein reagierten
darauf zuletzt mit Winter-Abschiebestopps.
Seit Juli liegt den Petitionsausschüssen der Länder eine Eingabe vor. Eine
Frau aus Rotenburg/Wümme schreibt: 500.000 Menschen wurden von den
Nationalsozialisten als „Zigeuner“ vernichtet. Die deutsche Politik könne
sie „vor dem Hintergrund unserer Geschichte nicht verstehen“.
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16 Aug 2013
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## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Allegra Schneider
Malte Stieber
## TAGS
Roma
Serbien
Abschiebung
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