Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Erpresste Nacktchatter
> Neues aus Neuseeland: Die Bewohner des anderen Endes der Welt fallen
> einer besonderen Art von Internetkriminalität zum Opfer.
Bild: Haka in Washington: Destiny Church am Lincoln Memorial.
Vor zwölf Jahren lebte ich für eine Weile auf einem abgelegenen
Südseeatoll. Das Internet kannten auf Tokelau nur wenige, kaum jemand besaß
einen Computer. Einer der Gebildetsten dort, ein Lehrer namens Keli Kalolo,
sammelte über Wochen Geld im Dorf, um nach London reisen zu können.
Ein teures Unterfangen in offizieller Mission. Kalolo war per E-Mail von
einer afrikanischen Prinzessin kontaktiert worden, die ihm ein Vermögen für
seine kleine Insel versprach, wenn er ihr aus der Patsche helfe. Er müsse
nur persönlich mit einer Anzahlung nach Europa kommen.
Absolut glaubwürdig für jeden, der seit 15 Jahren nicht in seinen
Spam-Ordner geschaut hat. Doch Keli Kalolo, tief gläubiger Polynesier und
weitab vom westlichen Mediengeschehen, konnte sich nichts Böses hinter dem
Fleh-Brief vorstellen. Er flog tatsächlich nach London. Was dort passierte,
ob ihn die nigerianischen Hintermänner der notleidenden Prinzessin
ausnahmen und ihm auch noch den Pass stahlen – ich weiß es leider nicht.
Doch die Schande bei der Rückkehr nach Tokelau kann ich mir vorstellen.
Wir spulen vor ins Jahr 2013. Streng genommen befinden wir uns noch immer
auf einer Südseeinsel, oder zweien, namens Aotearoa. Die Menschen skypen,
sie chatten, sie wollen Sex im Netz. Aber auch die Schande existiert wie eh
und je. Die Dummheit sowieso. Und was passiert? Kiwis lassen sich erpressen
wie nicht gescheit, ganz ohne Prinzessin und Erbschaft.
Die Organisation NetSafe, die auch gegen Cybermobbing vorgeht, ist in
Neuseeland auf eine neue Art der Internetkriminalität gestoßen. Die Opfer:
notgeile Chatter. Sie lassen sich auf ein Skype-Geplänkel vor der Webcam
ein, bei dem die Hüllen fallen. Das lässt sich auch prima als Video von der
Gegenseite aufzeichnen. Danach wird gedroht, die kleine Wichsvorlage
Freunden und Kollegen zukommen zu lassen. Oder die Hosenlosen auf YouTube
zu zeigen.
Bis zu 500 Dollar jeweils hätten die Spontan-Stripper in ihrer Panik an die
Erpresser gezahlt. Erledigt ist die Sache damit nicht. „Danach kommen immer
neue Geldforderungen“, so NetSafe-Chef Martin Cocker. Die Internetadressen
der Täter befinden sich teils auf den Philippinen oder in Marokko.
Umgerechnet über zwei Millionen Euro hat dieser innovative Geschäftszweig
schon erwirtschaftet. Damit ist mein kleines Land mal wieder richtig weit
vorn. Neuseeland hatte auch den ersten Cyber-Mord zu vermelden.
Im Februar erstach ein Programmierer in Auckland im Affekt einen Freund,
der ein paar Straßen weiter wohnte. Sie hatten sich zuvor virtuell in dem
nervenaufreibenden Computerspiel „Guild Wars“ bekriegt. Der IT-Mensch –
laut Kollegen „ruhig, aber sehr, sehr schlau“ – steigerte sich in seine
martialische Cyber-Rolle hinein, rastete aus, fuhr zum Haus des
Gegenspielers und setzte das Gemetzel analog mit einem Messer fort.
Vielleicht sollte NetSafe künftig warnen: MMORPG (massively multiplayer
online role-playing games) nur mit weit entfernten Menschen spielen! Am
besten Philippinern und Marokkanern.
21 Aug 2013
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
Neuseeland
Internetkriminalität
Skype
Neuseeland
Neuseeland
Neuseeland
Saufen
Neuseeland
Neuseeland
Neuseeland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Die geplatzte Segelblase
Neues aus Neuseeland: Eine ganze Nation hängt morgens früh am Fernseher und
kaut Nägel vor Spannung. Es geht um Segeln. America's Cup.
Die Wahrheit: Ein Herz für arme Städte
Neues aus Neuseeland: Zwischen Wellington und Auckland, zwischen großen und
kleinen Städten tobt der Kleinkrieg um die Bedeutungshoheit.
Die Wahrheit: Tanz mit Sprühsahne
Neues aus Neuseeland: Endlich einmal beeindrucken die Kiwis die ganze
Menschheit, denn sie twerken sich durch sämtliche Kanäle dieser Welt.
Die Wahrheit: Das Bermudatrinkeck
Schwabinger Krawall Spezial: Ein Dreieck aus Kneipen verschluckt immer mehr
Menschen. Selbst ein Ausbruchsversuch durchs Klofenster scheitert.
Die Wahrheit: Schüsse aus dem Hubschrauber
Neues aus Neuseeland: Pseudo-Sportarten und andere perverse Arten von
Freizeitbeschäftigungen.
Die Wahrheit: Fürze im Flugzeug
Neues aus Neuseeland: Viele Fürze riechen streng. Flatulenzforscher haben
prima Ideen parat, wie Fluglinien das olfaktorische Übel in den Griff
kriegen können.
Die Wahrheit: Panik vor dem Schnee
Neues aus Neuseeland: Auch 167 Jahre nach ihrer Gründung ist die Stadt
Christchurch nicht auf den Winter eingestellt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.