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# taz.de -- Gewalt in der Pflege: Frau T.‘s Umgang mit Menschen
> Das Amtsgericht verurteilt eine Altenpflegerin, weil sie eine 84-jährige
> Heimbewohnerin misshandelt hat. Die Heimleitung half bei der Aufklärung
> nicht mit
Bild: Auch die wohlmeinende Entmündigung alter Menschen ist eine Form von Gewa…
„Wie ein Stück Vieh“ habe sie die alte Frau im Bremer Pflegeheim Forum
Ellener Hof behandelt, „erniedrigend und menschenverachtend“. Diese Worte
richtete die Staatsanwältin gestern vorm Amtsgericht gegen Altenpflegerin
Silke T. Die verweigerte die Aussage. Wegen Körperverletzung verantworten
musste sie sich, weil ein Video im Juni vergangenen Jahres ans Tageslicht
brachte, was ihr die demente Frau schon monatelang vorgeworfen hatte: „Die
schlägt mich“, hatte sie ihren beiden Söhnen immer wieder gesagt.
Und während die ihrer Mutter Glauben schenkten, taten andere das nicht: Die
Beschuldigte erklärte auf Nachfrage der Söhne, die 84-Jährige sei aufgrund
ihrer Osteoporose sehr schmerzempfindlich. Andere Altenpflegerinnen wollten
nichts mitbekommen haben von Beschwerden oder Übergriffen.
Lediglich die Zimmernachbarin der Mutter habe die Vorwürfe bestätigt, „aber
die war schwer dement“, so einer der Söhne. Die Heimleitung hätten er und
sein Bruder nicht informieren wollen, „um eventuelle Vertuschungen zu
vermeiden, aber vor allem, um die Pflegerin nicht zu warnen und unsere
Mutter nicht noch mehr zu gefährden.“
Also griffen sie zu einem illegalen Mittel. Sie installierten am Bett der
Mutter eine versteckte Kamera – und die lieferte direkt am Abend ihrer
Inbetriebnahme ein Ergebnis: „Aber leider nicht das, was wir uns erhofft
hatten – die Aufnahmen hätten ja auch zeigen können, dass an den Vorwürfen
nichts dran ist“, so der zweite Sohn. „Meine Mutter hat aufgrund ihrer
Demenz manchmal in der Vergangenheit gelebt – wir dachten, dass ihre
Schilderungen von Gewalt vielleicht auch Kriegserinnerungen waren.“
Zwei der vier Filme zeigen aber: Silke T. zieht der alten Frau an den
Haaren, schmeißt sie brutal aufs Bett, beschimpft sie wie auf dem
Kasernenhof: „Hinstellen! Festhalten! Hinsetzen!“, und auch: „Sie können
mich mal!“ Den Antrag von T.’s Verteidigerin auf Nichtzulassung des
Filmmaterials wies der Richter zurück: Das Strafverfolgungsinteresse und
das Recht auf Unversehrtheit wögen höher als das Recht am eigenen Bild.
Hier gelte eine Abwägung der Individualrechte, „ein solcher Fall ließe sich
sonst kaum aufklären.“
Es hätte gar nicht so weit kommen müssen. Denn Silke T. ist immer wieder
auffällig geworden aufgrund ihres ruppigen Umgangs mit den ihr anvertrauten
alten Menschen, wegen unentschuldigten Fehlens, wegen Unzuverlässigkeiten.
In verschiedenen Altenpflege-Einrichtungen wurde sie bereits nach wenigen
Monaten wieder gekündigt. Der ermittelnde Kriminal-Beamte berichtete von
seinen Recherchen: „Jede Einrichtung konnte sich sofort an Frau T.
erinnern, aber nur eine einzige Heimleiterin redete wirklich Klartext mit
mir.“ Auch bei ihr seien entsprechende Beschuldigungen gegen T. vorgebracht
worden, für die es aber keine konkreten Beweise gegeben habe. Frau T. sei
absolut ungeeignet für die Pflege.
Aber sie bekam immer wieder neue Jobs, auch im Forum Ellener Hof, trotz
fehlender Zeugnisse und lückenhaftem Lebenslauf. Heimleiter Thomas
Gerbert-Jansen räumte vor Gericht ein, dass es bereits während T.’s
Probezeit Probleme aufgrund von Beschwerden gegeben habe: „Ihr
Jahresvertrag sollte nicht verlängert werden.“ Als die Brüder ihm das Video
präsentierten, wurde T. umgehend freigestellt, aber: „Herr Jansen hat uns
als erstes gefragt, ob die Presse darüber informiert sei – das war seine
größte Sorge“, erzählt einer der Söhne. „Er hat allerdings auch
versprochen,Konsequenzen zu ziehen und die gesamte Institution überprüfen
zu lassen.“
Das sei jedoch nicht geschehen. Sie selbst hätten den Medizinischen Dienst
der Krankenkassen eingeschaltet und seien schließlich, nach vier Monaten,
mit dem Video an die Presse getreten: „Erst dadurch hat die Heimaufsicht
von dem Vorfall erfahren – die Heimleitung wollte das einfach aussitzen.“
Genauso wie bei der anderen Frau, die T. im Ellener Hof misshandelt haben
soll. „Alle schoben die Behauptungen meiner Mutter auf ihre angebliche
Demenz“, so ihre Tochter, die die Mutter auf eine andere Station verlegen
lassen wollte.
Heimleiter Jansen versprach ihr stattdessen, T. fortan nur noch in
Begleitung einer Kollegin zu ihrer Mutter zu lassen. Als die Tochter T.
dennoch alleine antraf, erstattete sie Anzeige – und die verlief im Sande,
aus Mangel an Beweisen.
Diesmal aber gab es welche. T.’s Verteidigerin berichtete von
Arbeitsüberlastung und daraus resultierenden psychischen Problemen ihrer
Mandantin, von chronischer Unterbesetzung in der Pflege-Einrichtung, von
Überstunden – und forderte ein mildes Urteil, während die
Staatsanwaltschaft sechs Monaten Haft, ausgesetzt auf Bewährung,
beantragte. Das Urteil bewegte sich schließlich in der Mitte: Silke T.
wurde wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen à 16
Euro – insgesamt also 2080 Euro – verurteilt. Ihren Beruf als
Altenpflegerin darf sie weiter ausüben.
28 Aug 2013
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Pflegekräftemangel
Gewalt
Pflege
Pflege
Reform
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