| # taz.de -- Veranstaltung in Berlin: Kein #Aufschrei auf Papier | |
| > „Rassismus und Sexismus abbloggen“: Bei einer Veranstaltung der Friedrich | |
| > Ebert Stiftung kamen die alten Medien schlecht weg. | |
| Bild: Weiß, männlich, aber dabei: Aufschrei! | |
| BERLIN taz | Kurios, was da wieder in diesem Internet los ist. So ähnlich | |
| reagierten die Mainstream-Medien, als eine steigende Zahl von Menschen | |
| unter #aufschrei ihre Erfahrungen mit Sexismus im Alltag veröffentlichten. | |
| In zwei Wochen posteten da über 25.000 Menschen, wie es war, als der Lehrer | |
| ihnen die Hand auf den Hintern legte, wie der Chef auf dem Betriebsfest zum | |
| Engtanz überging oder der Kollege die Fuckability der weiblichen | |
| Mitarbeiter bewertete. | |
| Dann aber erkannten die alten Medien die Geschichte – und stiegen ein. | |
| Haben wir da einen kurzen Blick in unsere mediale Zukunft geworfen? Wie | |
| einflussreich können soziale Medien wie Twitter werden, wenn es um Fragen | |
| des Sexismus oder Rassismus geht? Bei der Friedrich Ebert Stiftung | |
| versammelten sich am Montagabend eine reale und eine virtuelle Crowd, um | |
| die Unterschiede und Interaktionen zwischen Netzmedien und alten Medien zu | |
| erkunden. | |
| [1][„Rassismus und Sexismus abbloggen“" nannte sich das Ganze.] Beeindruckt | |
| von der erfolgreichen „Aufschrei“-Debatte stellte Politikberaterin Teresa | |
| Bücker fest, dass man im Netz Geschichte und Geschichten selbst schreiben | |
| könne. „Die BürgerInnen haben sich selbst Bühnen geschaffen, dazu waren | |
| keine Massenmedien nötig.“ Die JournalistInnen als gate keeper wurden | |
| elegant umgangen. Am Ende konnten sie die Debatte nicht mehr ignorieren. | |
| ## Das N-Wort | |
| Die alten Medien standen am Montag auch was den Rassismus angeht, unter | |
| Beschuss. Die Forderung, den rassistischen Begriff „Neger“ in Kinderbüchern | |
| zu umgehen, wurde im weißen und oftmals männlichen Feuilleton oft als | |
| Zensur abgelehnt. Der ARD-Literaturkritiker Dennis Scheck trat gar mit | |
| schwarz gefärbtem Gesicht auf. Was wollte er uns damit sagen? Wir dürfen | |
| rassistisch sein? Wir dürfen Euch lächerlich machen? Ihr habt nichts in | |
| unserer Kultur zu suchen? | |
| „Aber schwarze Menschen bezahlen das öffenlich-rechtliche Fernsehen genauso | |
| wie weiße“, stellte Jamie Schearer von der „Inititative schwarze Menschen | |
| in Deutschland“ (ISD) fest. Kinderliteratur sei ja wohl für alle Kinder da, | |
| weiße wie schwarze. Einen Grund für den rassistischen Diskurs sahen die | |
| Diskutantinnen in der Zusammensetzung deutscher Redaktionen. Weiße | |
| mittelalte Heteromänner geben den Ton an. Nur jeder 50. Mitarbeiter in | |
| deutschen Redaktionen hat eine Migrationsgeschichte während es in der | |
| Bevölkerung jeder fünfte sei, so Schearer. | |
| Dass auch der Migrationshintergrund keine Garantie für politisch korrekte | |
| Äußerungen ist, erläuterte sie am Beispiel des taz-Redakteurs Deniz Yücel, | |
| der auf einer Veranstaltung das Ansinnen, statt „Neger“ „N-Wort“ zu sag… | |
| zurückwies. Von Schearer befürchteter Effekt: Da seien sich die | |
| Migrantenkinder also selbst nicht einig, was sie wollten. | |
| ## Sind wir alle Rassisten? | |
| Warum gab es einen Aufschrei gegen Sexismus und keinen gegen Rassismus? Das | |
| hänge damit zusammen, wer in einer Gesellschaft gehört werde und wer nicht, | |
| meinte Sabine Mohamed von dem Gemeinschaftsblog „Mädchenmannschaft“. Und | |
| Kübra Gümüsay, Journalistin mit Kopftuch, meinte, die Menschen wollten | |
| nicht wahrhaben, dass sie in Rassismen dächten. | |
| „Dabei handeln wir alle rassistisch, ich handle auch in vielen Situationen | |
| rassistisch, so funktioniert unser Gehirn, es vereinfacht und produziert | |
| Stereotypen. Wir müssen nur bereits sein, das zu sehen und uns weiter zu | |
| entwickeln.“ | |
| Arbeitsauftrag an alle: Einen Begriff analog zu „Aufschrei“ finden, unter | |
| dem auf Twitter Alltagsrassismus gesammelt werden kann. Also „Aufschrei“ | |
| als großes Vorbild, als gelungene Zusammenarbeit von Netz und alten Medien? | |
| ## Flirts und Trolle | |
| Soziologin Katharina Messmer schränkte ein: Auch hier ging einiges auf dem | |
| Weg verloren: Sprachen im Netz noch die Vielen, auch von homosexuellen | |
| Übergriffen oder solchen auf Transmenschen, so fiel all dies in den | |
| Altmedien unter den Tisch. | |
| Stattdessen wurde ein „Gesicht“ gefordert und in der Bloggerin Anne Wizorek | |
| gefunden. Die Männer und einige Frauen in den alten Medien versuchten dann | |
| sehr schnell, den Sexismus-Diskurs unter Kontrolle zu bekommen: Man dürfe | |
| wohl nicht mehr flirten, die Debatte sei lächerlich und ähnliches mehr. | |
| Insgesamt ergab sich ein unvorteilhaftes Bild der alten Medien. Homogen, | |
| exklusiv, arrogant. Aber die Nachteile des Netzes kennen auch alle, wie | |
| eine Aktivistin der sozialistischen Jugendorganisation „Falken“ aus dem | |
| Publikum erinnerte: anonyme Trolle etwa, die herumhetzen, wie es in kaum | |
| einem alten Medium möglich wäre. | |
| Und von den Usern des Livestreams der Veranstaltung kamen so sinnvolle | |
| Anregungen wie „ich als Mann fühle mich nicht angesprochen, wenn das große | |
| I benutzt wird.“ Oder aber auch: „Es wurde zu wenig gegendert“. Well. | |
| 3 Sep 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.fes.de/aktuell/documents%202013/130902_Abbloggen.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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