| # taz.de -- Suizidgefährdete Jugendliche: Raus aus der Sprachlosigkeit | |
| > Suizidgefährdete Jugendliche haben mit tief sitzenden Selbstzweifeln zu | |
| > kämpfen, sagt Monika Remmler vom Verein Neuhland. Der lädt heute zum | |
| > Info-Tag. | |
| Bild: Wenn den Jugendlichen die innere Stabilität fehlt, dann fällt es ihnen … | |
| taz: Frau Remmler, Ihr Verein Neuhland hilft Kindern und Jugendlichen, die | |
| suizidgefährdet sind. Ist Selbsttötung bei Kindern und Jugendlichen ein | |
| unterschätztes Problem? | |
| Monika Remmler: Die zweithäufigste Todesart bei Kindern und Jugendlichen | |
| ist die Selbsttötung. Fast jede Woche stirbt ein Kind unter 15 Jahren durch | |
| Suizid. Es ist daher tatsächlich ein unterschätztes Problem. Ein | |
| regelrechtes Tabuthema. Über Tod und Sterben wird in unserer Gesellschaft | |
| nur ungern gesprochen. Es macht Menschen Angst. Und Suizid ist noch mal | |
| komplizierter. Wir versuchen daher durch Workshops, Seminare und | |
| Infoveranstaltungen aufzuklären und das Gespräch immer wieder auf diese | |
| Thematik zu lenken. Denn eine erfolgreiche Suizidprävention funktioniert | |
| nur, wenn alle Beteiligten aus der Sprachlosigkeit befreit werden und sich | |
| trauen, offen über ihre Ängste und Nöte zu sprechen. | |
| Wie häufig kommt es in Berlin zur Selbsttötung von Kindern und | |
| Jugendlichen? | |
| Die letzten Zahlen, die uns vorliegen, sind von 2011. Insgesamt gab es in | |
| dem Jahr 353 Suizidtote in Berlin, davon waren 20 unter 25 Jahren alt. | |
| Jugendliche sind also durchaus suizidgefährdet. | |
| Ja, Suizidgedanken sind nicht selten im Jugendalter. Viele Jugendliche | |
| geraten gerade in der Pubertät immer wieder in Sinnkrisen. Wenn den | |
| Jugendlichen die innere Stabilität fehlt, dann fällt es ihnen schwer, | |
| wieder aus diesen Krisen hinauszufinden. Dann kommt bei manchen schnell die | |
| Frage auf, ob sich das Weiterleben überhaupt lohnt. In den meisten Fällen | |
| löst sich das Problem von selbst. Es gibt aber auch Jugendliche, die so | |
| unsicher sind, dass sich die Krise zuspitzt und sich Suizidgedanken | |
| manifestieren und festsetzen. | |
| Was löst diese Sinnkrisen, diesen Wunsch zu sterben, typischerweise aus? | |
| Die Ursachen für einen Suizid bei Jugendlichen lassen sich eigentlich immer | |
| im familiären, im sozialen Umfeld ausmachen. Was nicht heißen soll, dass | |
| immer die Eltern schuld sind, das wäre wirklich zu vereinfacht. Letzten | |
| Endes läuft es aber immer darauf hinaus, dass die Jugendlichen mit einem | |
| tief sitzenden Selbstzweifel zu kämpfen haben, der nicht durch das Umfeld | |
| aufgefangen wird. | |
| Wenn Sie die vorliegenden Zahlen vergleichen, gibt es heute mehr oder | |
| weniger Suizidfälle bei Jugendlichen als noch vor zehn Jahren? | |
| Ein Trend lässt sich nicht erkennen. Es gibt immer mal wieder Schwankungen, | |
| aber im Großen und Ganzen bleiben die Zahlen der Suizide von Jugendlichen | |
| seit fast 20 Jahren konstant. | |
| Sind alle gesellschaftlichen Schichten gleichermaßen betroffen? | |
| Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Suizidgefährdung und wirtschaftlichem | |
| Background. Jugendliche, die über Selbsttötung nachdenken oder diesen | |
| Schritt tatsächlich gehen, sind in jeder gesellschaftlichen Schicht zu | |
| finden. | |
| Sind denn generell mehr Frauen oder mehr Männer suizidgefährdet? | |
| Bei Jugendlichen ist es so, dass mindestens zwei Drittel der Suizide auf | |
| männliche Jugendliche fallen. Mädchen machen eher Suizidversuche. Die | |
| Jungen reden nicht, sondern handeln. Die Mädchen kommen durch den | |
| Suizidversuch wenigstens an den Punkt, dass sie anfangen, sich zu öffnen. | |
| Hinter einem Suizid steht also nicht immer der Wunsch zu sterben? | |
| Bei Jugendlichen ist Selbsttötung eigentlich immer ein Hilferuf. Die | |
| Jugendlichen wollen nicht sterben, wissen aber keinen anderen Ausweg mehr. | |
| Umso wichtiger ist es, in der Prävention zu arbeiten. | |
| Was sind typische Symptome für eine Suizidgefährdung bei Jugendlichen, auf | |
| die Eltern achten sollten? | |
| Das Offensichtlichste ist ein Rückzug. Die Jugendlichen brechen sämtliche | |
| soziale Kontakte ab und sprechen nicht mehr mit den Eltern. Es kommt häufig | |
| zu Extremen. Plötzlich essen die Jugendlichen sehr viel, verlieren sehr | |
| schnell an Gewicht oder die Schulnoten stürzen rapide ab. Das Äußere wird | |
| vernachlässigt. Solche Dinge. | |
| Was können Eltern tun, um ihren Kindern in dieser Situation zu helfen? | |
| Das Wichtigste ist, das Gespräch zu suchen. Zu sagen, dass man sich Sorgen | |
| macht. Man sollte auch ganz konkret nach Suizidgedanken fragen. Über | |
| Suizidfantasien zu sprechen entlastet die Jugendlichen. Der nächste Schritt | |
| ist, sich professionelle Hilfe zu suchen. | |
| Monika Remmler, 55, ist ausgebildete Diplom-Psychologin und | |
| Psychotherapeutin. Sie leitet zudem die Beratungsstellen des [1][Vereins | |
| Neuhland] in Friedrichshain und Wilmersdorf. | |
| 9 Sep 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.neuhland.net/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gesa Steeger | |
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