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# taz.de -- Zum Tode Erich Loests: Nie nur Autor, stets auch Bürger
> Nachhaltig warb Loest für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er beschrieb
> wie kein anderer die Geschichte der Montagsdemonstrationen.
Bild: Erich Loest in seinem Arbeitszimmer in seiner Leipziger Wohnung (Archivbi…
Ein bedeutender Chronist der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte ist tot.
Erich Loest hat diese Geschichte nicht aus vornehmer Distanz beschrieben,
sondern ihre düstersten Kapitel selbst erlebt und durchlitten. Diese
Erfahrungen haben seine Biografie geprägt. Seine Bücher legen davon Zeugnis
ab.
Der 1926 geborene Sohn eines Eisenwarenhändlers musste noch 1945 für einige
Wochen in den Krieg ziehen – als letztes Aufgebot des NS-Regimes. Nach
Kriegsende arbeitete er journalistisch und studierte am Leipziger
Literaturinstitut. Die brutale Niederschlagung des Arbeiteraufstandes vom
17. Juni 1953 und die blutigen Ereignisse in Polen und Ungarn 1956
erschütterten nachhaltig sein sozialistisches Weltbild.
Sein Plädoyer für eine konsequente Entstalinisierung in der DDR trugen ihm
sieben Jahre Zuchthaus in Bautzen ein. In seiner Autobiografie nannte er
diese Jahre „gemordete Zeit“.
Doch der Stasi-Knast konnte Erich Loest nicht das Rückgrat brechen – im
Gegenteil! Die erfahrenen Repressionen mündeten in eine lebenslange
kritische Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, sie prägten sein
künftiges Denken, Schreiben, Handeln.
Nach Zensurmaßnahmen gegen seinen autobiografischen Roman „Es geht seinen
Gang“ (1978) trat er aus dem DDR-Schriftstellerverband aus und verließ 1981
die DDR.
In seinem wenig später erschienenen Buch „Durch die Erde ein Riss. Ein
Lebenslauf“ schilderte er seine traumatischen Erfahrungen im Zuchthaus.
Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde Loest vom Obersten Gericht in Leipzig
rehabilitiert.
Mit seinen 1990 und 1991 veröffentlichten Büchern „Der Zorn des Schafes“
und „Die Stasi war mein Eckermann oder: mein Leben mit der Wanze“
bekräftigte Loest einmal mehr die Notwendigkeit einer gründlichen
Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Seinen größten literarischen Erfolg hatte Erich Loest mit dem 1995
erschienenen und später verfilmten Bestsellerroman „Nikolaikirche“, der wie
kein anderes Buch die Geschichte der Leipziger Montagsdemonstrationen und
den Weg in die friedliche Revolution schildert. Dem Stasi-Chef legt Loest
die Worte in den Mund: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen
und Gebeten!“
Erich Loest hat sich nie nur als Autor, als Künstler verstanden, sondern
immer auch als Bürger. Er hat sich leidenschaftlich in die
gesellschaftlichen Debatten eingemischt und für seine demokratischen
Überzeugungen gestritten. So engagierte er sich als Bundesvorsitzender des
Verbandes deutscher Schriftsteller, als Mitglied des deutschen PEN-Zentrums
und der Sächsischen Akademie der Künste. In seiner Heimatstadt Leipzig
setzte er sich für die Neuerrichtung der in Walter Ulbrichts Auftrag
gesprengten Universitätskirche ein.
War er „nur“ ein Autor Ostdeutschlands, wie immer wieder und jetzt auch
geschrieben wurde? Nein, er war einer der wichtigen realistischen Erzähler
Deutschlands, so wie Hans Fallada einer war. Diesen Rang sollte man ihm
schon zubilligen.
Ich werde Erich Loest als wunderbaren Autor, klugen Bobachter und
kritischen Zeitgenossen in Erinnerung behalten.
14 Sep 2013
## AUTOREN
Wolfgang Thierse
## TAGS
DDR
Montagsdemos
Leipzig
Stasi
DDR
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