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# taz.de -- Debatte um Vuelta-Sieger: Der alte Mann und der Nebel
> Mit fast 42 Jahren gewinnt Chris Horner die Vuelta a España. Doch eine
> versäumte Kontrolle und eine insgesamt mangelhafte Dopingfahndung wecken
> Zweifel.
Bild: Chris Horner: Nur ein Bad im Jungbrunnen?
Schnell ist er, der Chris Horner. Bei der Vuelta a España distanzierte der
fast 42-Jährige die 10 bis 15 Jahre jüngere Konkurrenz fast nach Belieben.
Er zog dem siegessicheren Vincenzo Nibali das rote Führungstrikot aus und
stiefelte auf dem Berg Angliru davon, als hätte er zuvor ein Bad im
Jungbrunnen genommen. Zweifellos lieferte er großen Sport. Sein episches
Duell mit Nibali – vier Mal wechselte zwischen beiden das Trikot – bekam
von der spanischen Tageszeitung El País das Attribut „anarchisch“
verliehen.
Die Geister schieden sich aber daran, ob diese Anarchie positiv als Zeichen
für neue Spannung in einem dopingerprobten Ambiente zu werten oder Horners
Beteiligung daran nicht doch lediglich ein Echo der „Generation Epo“ sei.
Als „Sieger, der aus dem Nebel kam“ bezeichnete ihn die Neue Zürcher
Zeitung. Das bezog sich nicht nur auf die realen Sichthemmnisse in den
spanischen Bergen zum Sommerausklang.
Horner hatte bislang sparsame Erfolge. Er galt als begnadeter Kletterer,
vor dem an guten Tagen selbst ein Lance Armstrong einen Heidenrespekt
hatte. Drei Wochen auf solchem Niveau hielt der im japanischen Okinawa
geborene und mittlerweile in Oregons Wäldern trainierende Profi aber noch
nie durch. Sein sportlicher Leiter Luca Guercilena war ob der Stabilität
seines Kapitäns selbst überrascht. Guercilena versuchte sie mit einem „Mix
aus Erfahrung, extrem guter Form zum rechten Zeitpunkt und hoher
Motivation“ zu erklären.
Hinzu kommt der in dieser Saison recht dünne Wettkampfkalender Horners. Nur
14 Wettkampftage hatte er vor den 21 Etappen dieser Spanienrundfahrt in den
Beinen. „Er war am frischesten von allen hier“, sah Nibalis Teamchef
Giuseppe Martinelli schon frühzeitig einen wichtigen Vorteil auf Horners
Seite.
## Mit dem Bulli aus dem Radar
Man mochte der ewig grinsenden Frohnatur aus dem Westen der USA einen so
tollen Karriereabschluss wünschen. Im Peloton der stromlinienförmigen
Kleinunternehmer war Horner, der seine Sachen gern mal in einen Kleinbus
stopft und damit durch die Gegend zieht, einer der letzten Hippies. Dass er
nicht mit dem straffen europäischen Rennkalender kompatibel war, machte ihn
zudem sympathisch. Bei kleineren Rennen in den USA räumte er ab und baute
sich einen Nimbus auf. Freilich geriet er dort auch leichter aus dem
Kontrollradar.
Am Montagmorgen verbreitete die spanische Zeitung As die Meldung, Horner
sei gestern für Dopingkontrolleure der spanischen Antidopingagentur, die im
Auftrag der US-Kontrollbehörde Usada handelten, nicht auffindbar gewesen.
Horners Team Radioshek reagierte umgehend mit einer Pressemitteilung. Da
heißt es, Horner habe pflichtgemäß seinen Aufenthaltsort für das
Kontrollfenster am Montagmorgen gemeldet: das Hotel Ciudad de Móstoles in
Madrid.
Warum die Kontrolleure das offenbar nicht wussten und warum das Ganze so
schnell an die Presse gelangte, ist unklar. Horners Team sieht darin
jedenfalls eine „Verletzung der Privatsphäre“ des Rennfahrers.
## Mangelhafte Kontrollen
Dessen ungeachtet hatte sich Usada-Chef Travis Tygart zuvor bitter darüber
beklagt, dass der Weltradsportverband UCI keine alternativen Kontrollen bei
seinen Rennen zulasse. „Sie wollen die Resultate unter Kontrolle halten.
Sie wollen bestimmen, wer getestet wird und worauf getestet wird“, meinte
er.
Anlässlich der US Cycling Challenge im August kritisierte er, dass die UCI
weder die präziseren CIR-Tests für Testosteron noch Tests auf
Wachstumshormone vorgenommen habe. Nicht einmal auf Epo wurde laut Tygart
von der UCI getestet. Kurz vor der UCI-Präsidentschaftswahl ist dies ein
erneutes Armutszeugnis für Amtsinhaber Pat McQuaid. Der Umfang das
Testprogramms bei der Vuelta ist nicht bekannt. Dass Tygart gleich nach
Abschluss des Rennens eine eigene Kontrolle in Auftrag gab, spricht nicht
für Vertrauen in das UCI-Regime – und nicht in das der Vuelta.
Pikanterweise wurde Anfang 2013 ein ehemaliger Profi, der bei der Vuelta
als Chaperon gearbeitet hatte, von der Polizei als Mitglied eines
Dopingrings verhaftet. Der Mann, der eigentlich verhindern soll, dass
Profis vor der Kontrolle manipulieren, war selbst ein Dopinglieferant.
16 Sep 2013
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
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Christopher Froome
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