# taz.de -- Mumie mit Plastikskelett: Das Wesen vom Dachboden | |
> Die angebliche Mumie, die im Juni in Diepholz entdeckt wurde, entpuppt | |
> sich als Plastikskelett mit einem echten Schädel. | |
Bild: Tat selbst im Computertomographen so, als sei sie echt: "Mumie" aus Dieph… | |
BREMEN taz | Vor vier Wochen prophezeite der Schweizer Autor Erich von | |
Däniken in der Bild-Zeitung: Die im Juni entdeckte Diepholzer Mumie ist ein | |
„Mischwesen“. Er sollte Recht behalten, denn seit gestern steht fest: Die | |
laut Staatsanwaltschaft Verden „höchstwahrscheinlich 2.000 Jahre alte | |
Mumie“ besteht aus einem Plastikskelett und einem echten Schädel. | |
Damit zeigt von Däniken der Gesellschaft zur wissenschaftlichen | |
Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) eine lange Nase, denn die hat | |
ihm 2012 das „Goldene Brett“ verliehen. Diesen Preis erhält laut Jury | |
derjenige, „der sich jahrzehntelang mit besonders beeindruckender Resistenz | |
gegen wissenschaftliche Fakten einen Namen gemacht hat“. | |
Die Bild-Zeitung zog den „Experten“ zwei Monate nach dem „Mumien“-Fund … | |
einem Diepholzer Dachboden zu Rate. Dort hatte der zehnjährige Alexander | |
Kettler im Haus seiner Großmutter eine Kiste mit Sarkophag und einer | |
„Mumie“ entdeckt. Alexanders Vater Lutz Wolfgang Kettler erinnerte sich, | |
dass sein mittlerweile verstorbener Vater in den 50er-Jahren die Kiste aus | |
Nordafrika mitgebracht hatte. Nähere Hintergründe waren ihm nicht bekannt. | |
Um Aufschluss über das verschnürte Wesen zu erhalten, ließ Kettler es im | |
Kreiskrankenhaus Diepholz röntgen und computertomographisch untersuchen. | |
Klar war: Die Hieroglyphen auf dem Sarkophag und die Holzkiste waren | |
Fälschungen. Aber unter den Bandagen befand sich angeblich ein Toter. | |
Lutz Gaebel von der Staatsanwaltschaft Verden sagt: „Das Skelett stellte | |
sich als knöchernes Gerüst dar, weil es mit einem metallischen Überzug | |
präpariert war.“ In der Tat ist Knochen nicht eindeutig zu erkennen, wenn | |
Metall im Spiel ist. „Es kann den Computertomographen überlisten“, sagt der | |
Bremer Radiologe Arne-Jörn Lemke. „Deswegen müssen CT-Patienten auch | |
metallische Gegenstände wie Zahnspangen oder Prothesen herausnehmen.“ | |
## Ohne Haut und Haare | |
Lemke hat erst vor wenigen Wochen ein echte ägyptische Mumie per CT | |
untersucht und wundert sich, dass der Fund aus Diepholz nicht früher als | |
Fälschung entlarvt worden ist. „Mein erster Eindruck war sofort, dass hier | |
irgendetwas zusammengebastelt wurde – es gab ja nur eine Bandage und | |
Knochen, nicht aber die typische, stark ausgetrocknete Haut oder Haare.“ | |
Dass der Schädel nicht zum Rumpf passte und die Wirbelsäule erst gar nicht | |
vorhanden war, bot ebenfalls keinen Anlass zum Zweifel an der Echtheit der | |
„Mumie“ – war aber für Erich von Däniken das Indiz dafür, dass es sich… | |
ein Mischwesen handelt: „Die Götter schufen sie, um die Stärken | |
verschiedener Lebewesen zu bündeln. So wird es auch bei der Mumie gewesen | |
sein“, sagte er der Bild-Zeitung. | |
## Untersuchung in der Rechtsmedizin | |
Das Wesen kam in die Rechtsmedizin des Klinikums Hamburg-Eppendorf, wo sich | |
Hinweise darauf ergaben, dass die Mumie 2.000 Jahre alt sein müsse. Das | |
jedenfalls behauptet Gaebel. „Die bildgebenden Diagnosemöglichkeiten haben | |
zu dieser Annahme geführt“, sagt er. In Eppendorf äußert man sich dazu | |
freilich nicht, „denn noch ermittelt die Staatsanwaltschaft“, heißt es. | |
„Für mich ist es völlig unverständlich“, sagt Lemke, „wie jemand eine | |
solche Alterseinschätzung in die Welt setzen konnte.“ Der Fund sei von | |
außen nach innen untersucht worden, „und die Erkenntnisse wurden dabei ja | |
immer schräger“. | |
Zum Beispiel die Pfeilspitze, die im Auge des Schädels steckte: Sie ist | |
laut Gaebel „entweder ein Kinderspielzeug oder die Spitze eines | |
Sportpfeils, wie man sie in jedem Geschäft kaufen kann“. Laut Bild-Zeitung | |
handelt es sich jedoch „eindeutig um einen Kriegspfeil“ – und zwar aus dem | |
Mittelalter. Das habe Wolfgang Jahn vom Ostfriesischen Landesmuseum | |
bestätigt. Dort bestreitet man freilich, sich je zur Mumie geäußert zu | |
haben. „Herr Jahn hat sie nicht einmal gesehen“, sagt sein Kollege Jürgen | |
Bär. „Er hat etwas zu einem Schädel aus unserer Rüstkammer gesagt, und der | |
hat keinen Pfeil im Auge.“ | |
Die „Mumien“-Untersuchungen, sagt Lemke, seien korrekt abgelaufen. | |
„Zerstörungsfrei wäre das nicht schneller gegangen.“ Aber bereits nach dem | |
CT hätte geahnt werden müssen, „dass da wohl irgendjemand mit einem Skelett | |
aus dem Biologie-Unterricht gebastelt hat“. Vielleicht, sagt er lachend, | |
hätte das Metall-Klebeband ja Ufos oder kosmische Strahlen von der Mumie | |
fernhalten sollen. Erich von Däniken fände das nicht lustig. | |
25 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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