# taz.de -- Berlin läuft Marathon: Der Lauf der Dinge | |
> Same procedure as every year: Pünktlich zum Marathon begeistert Berlin | |
> mehr als 40.000 LäuferInnen mit Sonne, jubelnden Zuschauern – und einem | |
> Weltrekord. | |
Bild: Und wieder läuft die Stadt: Berlin-Marathon am Sonntag. | |
Man hat sich mittlerweile fast schon daran gewöhnt, dass die Uhr nach der | |
42,195 Kilometer langen Strecke auf dem Berliner Asphalt ein bisschen | |
früher stehen bleibt als je zuvor auf dieser Distanz. Im Männerrennen hielt | |
sie in diesem Jahr bei 2:03:23 Stunden an – ein Fabel-Weltrekord. Der | |
Kenianer Wilson Kipsang unterbot die alte Rekordmarke um 15 Sekunden; mit | |
tosendem Applaus trug ihn das Publikum die letzten Meter ins Ziel auf der | |
Straße des 17. Juni. | |
Auch jenseits der neuen Bestmarken – Irina Mikitenko lief zudem einen neuen | |
Weltrekord bei den über 40-Jährigen – hat das Berliner Rennen zu seinem 40. | |
Jubiläum seinen Ruf als eine der weltweit attraktivsten Marathonstrecken | |
bestätigt: ein begeisterungsfähiges Publikum, optimale Lauftemperaturen, | |
strahlender Sonnenschein, dazu überall Musik und jubelnde Zuschauer. Der | |
Marathontag bleibt für die Stadt ein besonderer. | |
Die meisten Läufer und Läuferinnen waren voll des Lobes über den | |
sonntäglichen Wettbewerb. „Berlin hat den besten Marathon der Welt“, sagt | |
etwa Roger aus Kapstadt kurz nach dem Zieleinlauf. Den 40-jährigen | |
Hobbyläufer reizt Berlin gar mehr als New York – sowohl wegen der Renn- als | |
auch wegen der Stadthistorie. „Du siehst während des Laufs so viel | |
Weltgeschichte. Mein Rücken tut weh und ich bin müde, aber das ist egal. | |
Danke für diesen wunderbaren Tag.“ Er schaut in den Himmel und lächelt. | |
„Die schönsten Momente waren die, als ich meine Familie gesehen habe und | |
als ich über den Pariser Platz lief.“ | |
Während am frühen Morgen 41.120 LäuferInnen auf der Straße des 17. Juni vor | |
dem Startschuss in die Hände klatschen und johlen, ärgern sich am | |
Streckenrand in Mitte Menschen über abgeschleppte Autos. Oder sie meckern | |
einfach: „Wieso kann ick ’n hier nich durch?“ | |
Im Tiergarten ist zum Start um 8.45 Uhr Völkerwanderung angesagt. Die | |
Angehörigen und Freunde der Läufer, die hier herumschwirren, wirken | |
aufgeregter als die Teilnehmer selbst. In drei Wellen wird gestartet. Noch | |
herrschen kühle Temperaturen unter zehn Grad, fast alle Teilnehmer sind zum | |
Kälteschutz in gelbe Plastiksäcke gehüllt; die üblichen Schlangen und | |
Gerüche vor dem Dixi-Klo. Dann schließlich: Jubel beim Startschuss, das | |
gelbe Plastik und störende Klamotten landen am Streckenrand. | |
Dort bestechen die dänischen Fans mit dem auffälligsten Support – alle paar | |
Meter sieht man Menschen mit der rot-weißen Flagge – mit etwa 6.500 | |
Finishern gehören die Dänen wie in den Vorjahren zu den am stärksten | |
vertretenen Nationen in Berlin. „Wir warten auf unsere Väter und Mütter“, | |
sagt ein Teenager aus Odense an der Leipziger Straße. Die Gruppe hat ein | |
riesengroßes buntes Plakat gemalt. | |
Ein paar Meter weiter sieht die Unterstützung für den Erzeuger etwas anders | |
aus: „Rudi – ich bin ein Kind von dir“, feuert da eine Tochter via Plakat | |
den Vater an. Überhaupt zeigt sich bei den Bannern und Transparenten eine | |
enorme Vielfalt – da wird man auch schon mal mit „Quäl dich, du Sau“ an … | |
Strecke begrüßt. | |
Auch sonst gibt es viel zu gucken – bei der Laufstilanalyse etwa fällt auf, | |
dass von schleppend bis schlurfend, von arm- bis hüftwackelnd, von | |
kopfnickend über stirnzuckend bis schnappatmend so ziemlich alles dabei | |
ist. Ein Läufer reckt die ganze Strecke über ein Schild mit der Aufschrift | |
„Mein erstes Mal“ in die Höhe, ein anderer wirbelt als goldene | |
Freiheitsstatue verkleidet durch die Reihen. | |
Die neu eingerichtete Sicherheitszone im Start-und-Ziel-Bereich schadet | |
dabei der Stimmung nicht im Geringsten – Läufer und Zuschauer werden an den | |
Eingangsportalen nur stichprobenartig durchsucht. Einen Zwischenfall gibt | |
es, als ein Mann sich vor dem führenden Kipsang auf die Strecke schleicht | |
und über die Ziellinie rennt. Er wird der Polizei übergeben. | |
Am Vortag ist es beim Inlineskater-Rennen zu einem Todesfall gekommen: Ein | |
71-jähriger Mann stirbt, nachdem er am Kottbusser Tor auf der Strecke | |
zusammengebrochen ist. | |
Der große Held des Marathons, Wilson Kipsang, kündigt nach dem Rennen an: | |
„Ich glaube, ich kann noch schneller laufen.“ Möglich, dass der 31-Jährige | |
im nächsten Jahr in Berlin dafür sorgen wird, dass die Uhr noch mal ein | |
paar Sekunden eher stehen bleibt. | |
29 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
## TAGS | |
Marathon | |
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