# taz.de -- ZDF-Fernsehmacher über Aspekte-Preis: „Es geht um einen neuen Bl… | |
> Daniel Fiedler, Chef der ZDF-Redaktion Berlin Kultur über den | |
> aspekte-Literaturpreis, kulturelle Debatten im Fernsehen und | |
> überraschende Jurysitzungen. | |
Bild: Bekommt am Samstag für seinen Roman „Kein Paar wie wir“ auf der Fran… | |
taz.de: Was muss ein Debütroman beinhalten um den Aspekte-Literaturpreis zu | |
gewinnen? | |
Daniel Fiedler: Pauschal kann man das nicht sagen, aber das Debüt muss, | |
berücksichtigt man auch die Erfahrungen aus der diesjährigen Entscheidung | |
für Eberhard Rathgeb, in erster Linie überraschend und überzeugend sein. Es | |
geht auch um einen dezidiert neuen eigenen Blick. Davon unabhängig war | |
inhaltlich bei den Debüts in diesem Jahr auffällig, dass oft | |
Dreiecksbeziehungen thematisiert wurden. Vieles war auch auf Berlin | |
zentriert. | |
Ist die Entscheidung für [1][Rathgebs Erzählung „Kein Paar wie wir“] | |
schnell gefallen? | |
Wir hatten [2][sechs Kandidaten auf der Shortlist] und zum Schluss drehte | |
es sich um drei Titel. Es gab keinen Favoriten, sondern sehr | |
unterschiedliche Bewertungen und Herangehensweisen. Wir haben die | |
Entscheidung für Rathgebs Roman aber argumentativ gelöst. Es hat keine | |
Abstimmung gegeben. Dies wollten wir ohnehin, ebenso wie einen damit | |
verbundenen Kompromiss, vermeiden. | |
Den aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt gibt es seit 35 Jahren. Er | |
ist eine mediale Konstante. Trotzdem scheint es Literatur im Fernsehen | |
immer schwerer zu haben, denkt man an die ORF-[3][Debatte über die | |
Abschaffung des Ingeborg-Bachmann-Preises] im Sommer diesen Jahres. Sie | |
haben lange als Koordinator des in Deutschland übertragenden Senders 3sat | |
gearbeitet. Welche Rolle spielt der seit 1977 in Klagenfurt vergebene | |
Ingeborg-Bachmann-Preis für 3sat? | |
Daniel Fiedler: Für einen Kanal, der die deutsche Sprache | |
länderübergreifend zum Kern hat, gehört der Preis zu den Grundfesten des | |
Programms. Zugleich hat er etwas Anachronistisches. Die Vermittlung von | |
Literatur im Fernsehen funktioniert mittlerweile anders. Auch hat die | |
Auszeichnung sicherlich, im Vergleich zu jüngeren Veranstaltungen, etwa der | |
[4][Lit.COLOGNE], an Bedeutung verloren. Dennoch ist gerade der | |
anachronistische Aspekt, unabhängig von Quotenbetrachtungen live im | |
Fernsehen Prosa vorzulesen, etwas, das den Ingeborg-Bachmann-Preis | |
liebenswert macht. Und aus der Sicht eines Programmplaners kann man sagen, | |
hey, es geht um drei Tage im Jahr. Das ist hinnehmbar, gerade weil es | |
explizit um den literarischen Nachwuchs geht. Zudem sind die Live-Lesungen | |
ein Alleinstellungsmerkmal. | |
Was für einen Platz hat Literatur heute generell im Fernsehen? | |
Aus öffentlich-rechtlicher Sicht einen ganz wichtigen Platz. Die | |
Vermittlung ist allerdings schwerer geworden. Wichtig sind die Figuren, die | |
über Literatur im Fernsehen reden. Dafür braucht es starke und streitbare | |
Köpfe mit Leidenschaft. Der [5][kürzlich verstorbene Marcel Reich-Ranicki] | |
hat da sicherlich Maßstäbe gesetzt. Wenn man so wie er, Literatur auch | |
kontrovers zum Thema macht, funktioniert es auch im Fernsehen. Bei ARD und | |
ZDF gibt es gute Beispiele dafür, siehe Wolfgang Herles und sein „blaues | |
Sofa“. Und auf 3sat findet Literatur im Rahmen der Sendung „Kulturzeit“ | |
nahezu täglich statt. | |
Ist das Fernsehen überhaupt noch ein Ort für kulturelle und intellektuelle | |
Debatten? | |
Diesen Anspruch des Mediums gibt es nicht als Monopol. Das Netz ist heute | |
der Ort, wo jeder selbst und unabhängig von einer vermittelnden Instanz | |
ganz schnell ganz viele Leute erreichen kann. Dadurch verselbstständigen | |
sich die Debatten. Sie folgen einer gänzlich anderen kulturell-dynamischen | |
Konfiguration. Sie warten nicht darauf, dass ihnen das Fernsehen ein Forum | |
bietet. Was davon für das Fernsehen relevant ist, lässt sich nicht immer | |
leicht herausschälen. | |
Herausgehobene Diskurse sind im Fernsehen aber weiterhin wichtig und | |
sinnvoll, solange es die geeigneten Köpfe gibt, diese Debatten ins | |
Fernsehen zu transportieren. Insofern kann ich über die Spöttelei, mit der | |
man deren Vermittlern, etwa [6][Richard David Precht] im ZDF, hin und | |
wieder begegnet, nur schmunzeln. Wir wollen doch gerade Leute, die | |
verständlich rüberkommen. Jemand der nicht verstanden wird, bringt dem | |
Zuschauer keinen Gewinn. Über die inhaltliche Substanz soll man streiten, | |
gewiss, aber die verständliche Vermittlung ist für ein Massenmedium nun mal | |
essentiell. Nur so entstehen im Fernsehen breite, relevante und lebendige | |
Debatten. | |
Was kann man ändern? Gab es im Rahmen des kürzlich vollzogenen | |
[7][„Aspekte“-Relaunches] auch beim Preis Neuerungen? | |
Die Statuten sind die gleichen geblieben. Wir haben aber die Jury neu | |
zusammengesetzt. Darin äußert sich auch eine kleine Neuausrichtung des | |
Preises. Die Jury ist jünger und weiblicher geworden. Mit der streitbaren | |
Journalistin und Autorin Jana Hensel und dem Schauspieler Clemens Schick | |
haben wir, neben mir, zwei neue Mitglieder, die nicht aus der klassischen | |
Literaturkritik kommen und einen anderen Blick auf die Texte eingebracht | |
haben. | |
Hat sich dies auch in den Diskussionen niedergeschlagen? | |
Gerade die klassischen Literaturkritiker mussten sich damit | |
auseinandersetzen wie jemand, der nicht aus diesem Metier kommt, urteilt. | |
Das hat durchaus für Überraschungen gesorgt. Gerade bei der Frage, was | |
sucht man in einem Debütroman, was macht ihn besonders? Will man eine junge | |
neue Stimme oder sucht man etwas Fertiges, das nur den allerhöchsten | |
Ansprüchen genügt. | |
Wäre es denkbar aus dem aspekte-Literaturpreis ein innovatives | |
Fernseh-Format zu machen? Vielleicht auch um dem anachronisitschen | |
Bachmann-Preis etwas entgegenzusetzen. | |
Wir wollten in diesem Jahr den Preis über die Neuausrichtung der Jury | |
weiter voranzubringen. Dies ist uns, so glaube ich, auch gelungen. Über | |
andere Darstellungsformen ist bislang nicht nachgedacht worden. Dennoch | |
haben wir uns im Hinblick auf die Online-Präsentation der Nominierten | |
breiter aufgestellt. Letztlich ist die Frage der Präsentation des Preises | |
im Fernsehen auch eine Frage des Aufwands und der Sendezeit. | |
12 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.hanser-literaturverlage.de/buecher/buch.html?isbn=978-3-446-2413… | |
[2] http://www.zdf.de/aspekte/Sechs-B%C3%BCcher-im-Finale-28488204.html | |
[3] /Literatur-Wettbewerb-in-Klagenfurt/!119435/ | |
[4] http://www.litcologne.de/startseite/ | |
[5] /!123995/ | |
[6] /1/archiv/digitaz/artikel/ | |
[7] http://www.sueddeutsche.de/medien/zdf-sendung-aspekte-auf-dem-weg-ins-unkon… | |
## AUTOREN | |
Jan Scheper | |
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