# taz.de -- Seelsorger über geschiedene Katholiken: „Es darf Scheitern geben… | |
> Das Bistum Freiburg hat mit seinem Vorschlag, wiederverheiratete | |
> Katholiken zur Kommunion zuzulassen, für Aufsehen gesorgt. Im Bistum | |
> Hildesheim ist das schon lange Praxis. | |
Bild: Kommunion soll Lebenshilfe sein - im Bistum Hildesheim auch für Wiederve… | |
taz: Herr Pohner, haben Sie nie gefürchtet, dass Sie mit der Austeilung der | |
Sakramente an Wiederverheiratete den Zorn des Vatikans auf sich ziehen? | |
Adolf Pohner: Angst ist nie ein guter Berater. Es ging um die Menschen. | |
Vielleicht kurz zum Hintergrund: Es gab in früheren Zeiten ein sogenanntes | |
Ehepublikandum, das war ein Text über die wichtigsten Weisungen der Kirche | |
zu Ehe und Familie, der am Familiensonntag Anfang des Jahres in den | |
Gottesdiensten verlesen wurde. Dieser Text traf nicht mehr die Situation | |
und das Gefühl der Menschen. Unser damaliger Bischof Josef Homeyer | |
beauftragte darum in den 1970er Jahren eine Arbeitsgruppe damit, das, was | |
zu Ehe und Familie zu sagen sei, zu formulieren. Daraus sind in den 1980er | |
Jahren drei Bischofsbriefe entstanden, die für viel Aufsehen sorgten. | |
Warum? | |
Sie kamen in einer völlig anderen Sprache daher und beleuchteten die | |
Situation der Menschen, wie sie war. In dem Brief „Christliche Ehe als | |
Lebens und Liebesgemeinschaft“ wurde auch auf die Unauflöslichkeit der Ehe | |
eingegangen. Dort heißt es: „Wenn Geschiedene ein zweites Mal heiraten, | |
treffen viele diese Entscheidung nicht leichtfertig.“ Und weiter: „Auch | |
diese Menschen haben in der Gemeinde ein Recht auf Annahme, Hilfe und | |
Freundschaft.“ | |
Und wie weit gehen diese Rechte konkret? | |
In dem Brief heißt es, dass die Zulassung zu den Sakramenten nicht generell | |
möglich ist, weil die Kirche an die Weisung Christi zur Unauflöslichkeit | |
der Ehe gebunden ist. Wenn Betroffene meinen, bei ihnen lägen besondere | |
Umstände vor, sollen sie das Gespräch mit einem Seelsorger suchen, der | |
ihnen auf dem Weg zu einer persönlichen Gewissensentscheidung helfen soll. | |
Wie war die Reaktion in den Gemeinden? | |
Die war einhellig positiv. Man hat sich gefreut über die klare Aussage des | |
Bischofs. Die Hildesheimer Diözesansynode bezog sich dann im Jahr 1998 in | |
ihrem Beschluss darauf und erneuerte sie. Dass eine generelle Zulassung | |
nicht möglich ist, haben alle akzeptiert. | |
Was war der Zweck der seelsorgerlichen Gespräche vor der Zulassung zu den | |
Sakramenten? | |
Nicht der Priester soll darüber entscheiden, ob die Wiederverheirateten zur | |
Kommunion zugelassen werden. Aber er soll ihnen helfen, eine persönliche | |
Gewissensentscheidung zu treffen. Wenn sie dann zur Kommunion gehen, ist | |
das zu akzeptieren. | |
Hatten Sie selbst eine Tendenz in diesen Gesprächen? | |
In mir waren zwei Überzeugungen lebendig. Die eine war: Es darf auch im | |
Leben Scheitern geben, das gibt es in meinem eigenen Leben genauso. Die | |
Kirche soll helfen, damit umzugehen. Die zweite: Ich habe in diesen | |
Gesprächen viel darüber gelernt, was Scheitern von Ehe bedeutet und wie | |
gehässig es sein kann, wenn Menschen den Zeigefinger heben, die bewahrt | |
worden sind – aber nicht durch eigene Leistung, sondern durch Glück und | |
äußere Umstände. Ich habe erlebt, wie viele den Gang zum Scheidungsrichter | |
herauszögern, wie sehr sich Ehefrauen demütigen lassen etwa durch Trinker. | |
Und ich habe etwas gelernt, was man gar nicht vermutet: Wie viele Menschen | |
es gibt, für die die Begegnung mit Christus in der Kommunion eine | |
Lebenshilfe ist, die sie brauchen – auch gerade, wenn in ihrem Leben etwas | |
zerbrochen ist. Deswegen hatte ich Sympathie dafür. | |
Der Nuntius des Vatikans in Deutschland hat gerade betont, dass es keine | |
generelle Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion geben wird. | |
Das ist ja nichts Neues, das hat bereits unsere Diözesansynode gesagt. Es | |
gibt eine von den Bischöfen eingesetzte Arbeitsgruppe, die sich dieser | |
Frage annimmt. Und es gibt einen Papst Franziskus, der die nächste | |
Bischofssynode umgewandelt hat in eine Familiensynode. Da geht es um das | |
Thema Familie heute und wie die Kirche Hilfe und nicht Last für sie sein | |
kann. Außerdem gab es nicht nur Ablehnung aus Rom. Es gab auch Stimmen, die | |
das als Beitrag zu einer Diskussion werten, die ohnehin ansteht. Erzbischof | |
Zollitsch hat das Papier aus Freiburg, über das ich selber nicht glücklich | |
bin, als einen ersten Entwurf für die Überlegungen der Arbeitsgruppe der | |
Bischofskonferenz bezeichnet. | |
Warum sind Sie darüber unglücklich? | |
Weil es meines Erachtens nach nicht hilfreich ist. Es ist so viel in | |
Bewegung gekommen, da kann sich so ein Vorstoß negativ auswirken. | |
Inhaltlich habe ich gar keine Bedenken, aber es gibt ja die Klugheit, die | |
zu den Kardinaltugenden gehört. | |
Also Diplomatie in diesem Fall? | |
Um es nicht zu verschweigen: Unser Bischof hat damals alle Beschlüsse | |
unserer Diözesansynode zur Approbation nach Rom geschickt und die | |
Glaubenskongregation hat sich dazu geäußert: In Bezug auf | |
Wiederverheiratete befürchtete die Kongregation, dass der Text dazu angetan | |
sei, das Bekenntnis der Unauflöslichkeit der Ehe zu verdunkeln. Bischof | |
Homeyer ist daraufhin nach Rom gefahren und hat bei der | |
Glaubenskongregation nachgefragt, wie er denn deren Anmerkung zum | |
Synodenbeschluss verstehen solle. Ob damit gemeint sei, dass der Beschluss | |
zurückzunehmen sei? Die Antwort war: „Auf keinen Fall. Sie haben uns um | |
Anmerkungen gebeten und die haben wir gegeben.“ Da konnte der Bischof | |
getrost nach Hause fahren. | |
Die südwestdeutschen Bischöfe haben einen ähnlichen Vorstoß 1993 dagegen | |
zurückgenommen. Ist man da zu furchtsam gegenüber Rom? | |
Ich maße mir da kein Urteil an. Vielleicht hat es an mangelnder Diplomatie | |
gelegen. Ich setze jetzt auf Papst Franziskus, der ja verschiedentlich | |
gesagt hat, dass die Autorität der Teilkirchen stärker als in der | |
Vergangenheit zu beachten ist. | |
In der Vergangenheit gab es Unruhe im Bistum Hildesheim, als der Bischof | |
eine Podiumsdebatte mit der kirchenkritischen Initiative „Aufbruch zum | |
Ungehorsam“ absagen ließ. Ist das ein kluger Umgang mit Kritik? | |
Der Bischof hat breit aufgerufen zu einem Dialogprozess in unserem Bistum. | |
Dann haben wir davon gehört, dass in Soltau eine Diskussion mit Pfarrer | |
Schüller von der Initiative „Aufruf zum Ungehorsam“ vorgesehen war. Der | |
Bischof hat die Veranstalter dringend um Absage dieser Veranstaltung | |
gebeten, denn wenn man über eine Veranstaltung schreibt „Aufruf zum | |
Ungehorsam“, dann ist das kein Dialog mehr. Er hat im Anschluss sehr wohl | |
das Gespräch mit den Veranstaltern gesucht. Die Reaktion fand ich etwas | |
hart, das habe ich dem Bischof auch gesagt. Ich hatte die Veranstaltung | |
schon in meinen Kalender eingetragen und hätte mich in die erste Reihe | |
gesetzt und kritisch nachgefragt. Aber ich bin nicht der Bischof. | |
14 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
## TAGS | |
Katholiken | |
Katholische Kirche | |
Katholische Kirche | |
Katholische Kirche | |
Papst Franziskus | |
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst | |
Bischöfe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kardinal Marx verspricht Milde: Abendmahl auch für Scheidungsopfer | |
Bisher waren wiederverheiratete Katholiken von den Sakramenten | |
ausgeschlossen. Die Kardinäle Marx und Lehmann plädieren für eine Lockerung | |
dieser Regel. | |
Kommentar Populistischer Papst: „Wie im Paradies“ | |
Für welche Werte soll die katholische Kirche in Zukunft stehen? Papst | |
Franziskus antwortet darauf mit gelebtem Populismus – und einem PR-Team. | |
Wirbel um Limburger Bischof: Papst schweigt, Deutschland stöhnt | |
Alles wartet auf ein Machtwort zum Fall Tebartz-van Elst. Doch Franziskus | |
lässt sich Zeit. Derweil packt der Architekt aus: Der Bischof wusste über | |
die Baukostenhöhe Bescheid. | |
Vollversammlung der Bischöfe: Keine Quote für die Kirche | |
Trotz ermutigenden Äußerungen des neuen Papstes: Die katholischen Bischöfe | |
wollen an der Lage der Frauen in der Kirche kaum etwas ändern. |