# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 25: Asphalt-Amazone | |
> Was bisher geschah: Leena geht auf ein Transgender-Festival, damit DIE | |
> LUST sich wieder zeigt. Es funktioniert. Nun muss sie DIE LUST in | |
> Sicherheit wiegen | |
Bild: Männer dürfen oben ohne, aber Frauen nicht? Sieht Leena nicht so. | |
Daran musst du noch arbeiten“, lästerte DIE LUST. Leenas stand am | |
Waschbecken des Männerklos und wusch die Überreste ihres | |
Stehpinkelversuches aus ihrer Hose. | |
„Ich fand mich gut“, antwortete sie. „Fürs erste Mal! Und: Hast du die | |
Blicke von dem Typen neben mir gesehen?“ | |
DIE LUST kicherte. „Ich glaub, heut ist ein Tag, um Zeichen zu setzen“, | |
sagte sie und folgte Leena zurück in den luftarmen Hauptraum des Clubs. „So | |
zum Beispiel!“ Sie wies auf drei Männer, die oben ohne die Tanzfläche | |
okkupierten. Oben ohne? Leena stockte der Atem. Dann rief sie sich erneut | |
die Instruktionen ihrer besten Freundin Nuray vor Augen. | |
„Wenn du willst, dass mein Plan funktioniert, frag nicht nach, sondern tu | |
einfach alles, was sie will.“ | |
Okay, dachte sie. Exhibitionismus fehlt eh noch auf meiner „Was ist | |
Lust“-Liste. Und überhaupt: scheiß drauf. Ohne dass DIE LUST sie dazu hätte | |
auffordern müssen, ging sie zum Tresen und bestellte einen Schnaps. Trank | |
ihn auf ex, knöpfte ihr Hemd auf und legte es auf einer Bierbank ab. Darauf | |
das Unterhemd und den BH. Die Krawatte behielt sie an. Dann schloss sie die | |
Augen und tanzte, bis jemand sie antippte. | |
„Das find ich nicht okay“, sagte er. „Das ist doch pure Provokation. Und | |
überhaupt: Denk mal an die Leute, die gerne Brüste hätten, aber keine | |
haben.“ | |
Leena zog die Brauen hoch und deutete auf die drei flachbrüstigen | |
Gestalten, die noch immer die Tanzfläche betobten. | |
„Aber die dürfen, oder was?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich | |
weg. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Mensch, der sich provoziert | |
fühlte, nun die drei halbnackten Gestalten ansteuerte. So viel zum Thema | |
Gleichberechtigung, dachte sie und schloss die Augen erneut. Als sie sie | |
zum nächsten Mal öffnete, hatten zwei weitere Frauen ihre Shirts abgelegt. | |
DIE LUST grinste breit. Leena auch. | |
Sie sah zu Nuray und Isabelle hinüber, die neben der Tanzfläche lehnten und | |
sie beobachteten. Leena ließ sich zu ihnen spülen. | |
„Cooler Auftritt“, sagte Isabelle und nickte gen Tanzfläche. Dann legte sie | |
ihr die Hand auf den Arm. „Bist du okay?“ | |
„Ich tu heut alles, worauf ich Lust hab“, erwiderte Leena, und Isabelle | |
nickte langsam. Nuray tat es ihr nach und hob den Daumen. Leena schlang die | |
Arme um DIE LUST und wiegte sie zu den HipHop-Beats. Im Gegensatz zu ihren | |
asynchronen Bewegungen fühlte sich die Nähe harmonisch an. DIE LUST schien | |
Ähnliches zu denken. | |
„Wir sind ein gutes Team“, konstatierte sie. | |
„Ja“, gab Leena zu, weil es auf verdrehte Weise stimmte. „Aber du nervst | |
trotzdem.“ | |
„Warum? Weil du gemerkt hast, wie schön das Leben mit mir ist?“ | |
Bulls eye, dachte Leena. | |
Stunden später stand sie inmitten einer Traube sauerstoffbedürftiger | |
Menschen vor dem Eingang und sah Kay beim Rauchen zu. Behaglich sog sie die | |
Luft ein, die ihr am frühen Morgen überraschend klar vorkam. Vier Typen | |
bahnten sich einen Weg durch die Gruppe, die sich anstandslos durchfurchen | |
ließ. Leena beobachtete sie träge. | |
Direkt vor ihr hielt einer der Männer inne. Er musterte erst Leena und dann | |
Kay. Seinen Bart, die angemalten Lippen, die langen pinkfarbenen Wimpern | |
aus Metall. Einige Sekunden verstrichen. Dann schlug der Fremde ihm mit der | |
Faust ins Gesicht. Kay taumelte und fiel rücklings auf die Stufen vor dem | |
Club. | |
In Leena schlug ein Schalter um. | |
Sie stürzte hinter dem davon schlendernden Angreifer her und warf ihn auf | |
den Asphalt. Er war zu überrascht, um sich zu wehren. Leena ohrfeigte ihn | |
rechtslinksrechtlinksrechtslinksrechts. | |
„Ich hab das so satt!“, brüllte sie dabei. „Was gibt dir das Recht, mein… | |
Freund zu schlagen? Was macht dir solche Angst, hä? Was verdammt noch mal | |
macht dir solche Angst?“ | |
Die Türsteher des Festivals hatten Mühe, Leena von dem verdutzten Schläger | |
zu trennen. Erst als sie ihn unsanft auf die Füße zogen, erwachte er aus | |
seiner Starre und begann zu zappeln. | |
„Eine Frau, Alter, eine Frau!“, hämten seine Freunde aus einigen Metern | |
Sicherheitsabstand. | |
„Ja“, spie Leena. „Eine Frau! Eine, mit der ihr euch besser nicht anlegt, | |
ihr hirnlosen …“ | |
„Du gefällst mir“, sagte DIE LUST. | |
„Ich mir auch.“ Leena wuchs sich über den Kopf. Sie war stark und | |
unkaputtbar und die Göttin Kali selbst. Wutschnaubend ging sie auf die | |
feixende Gruppe zu. Die präventiv zurückwich. Eine Hand an ihrem Arm riss | |
Leena aus der Bewegung. Zornig fuhr sie herum. | |
Kays Nase blutete. | |
„Es reicht“, sagte er und zog sie an sich. Hielt sie so lange fest, bis | |
beide langsamer zitterten. | |
„Komm“, sagte sie schließlich. „Ich bring dich nach Hause.“ | |
18 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Tania Witte | |
## TAGS | |
Lust | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Tania Witte | |
Fortsetzungsroman | |
Fortsetzungsroman Lust. Ausgerechnet | |
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