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# taz.de -- Ulrich Vieluf über die Leistungsstudie Kess: „Unsere Tests sind …
> Studienleiter Ulrich Vieluf verteidigt die Hamburger Schuluntersuchung
> „Kess“ gegen Kritik, wie sie zuletzt nicht nur die „Frankfurter
> Allgemeine Zeitung“ erhob. Man erfülle alle Kriterien.
Bild: Sind in Englisch sogar besser geworden, besagt die Kess-Studie: Abiturien…
taz: Herr Vieluf, Ihre Studie „Kompetenzen und Einstellungen von
Schülerinnen und Schülern (Kess)“ wurde jüngst stark in Zweifel gezogen.
Die Testaufgaben, die Sie den Abiturienten gestellt haben, seien viel zu
leicht, schrieb etwa der Frankfurter Didaktik-Professor Hans Peter Klein.
Ulrich Vieluf: Herr Klein hat in seinem Artikel vier Aufgaben angeführt,
die in der [1][Kess-Studie] überhaupt nicht vorkommen. Es ist zum Beispiel
nicht so, dass Schüler 90 x 12 ausrechnen mussten. Richtig ist: Es gibt 64
Aufgaben in dem Mathematik-Test, von denen 17 den Bereich der
mathematischen Grundbildung abdecken.
Auch Aufgaben aus der 7. Klasse?
Sicher. Die Aufgaben spiegeln die Bandbreite dessen, was in der Mittelstufe
gelernt worden sein soll. Wir prüfen also auch, ob die Schüler Dreisatz
oder Prozentrechnen beherrschen. Aber 47 der 64 Aufgaben beziehen sich auf
den Lernstoff der Oberstufe und sind durchaus anspruchsvoll.
Klein zufolge waren Sie nicht bereit, die Kess-Aufgaben zu
wissenschaftlichen Forschungszwecken herauszugeben.
Das stimmt so nicht. Man kann in unser Institut kommen und sich die
Aufgaben angucken. Für tiefer gehende Studien haben wir Herrn Klein an die
Lizenzinhaber verwiesen, denn wir sind als Lizenznehmer nicht berechtigt,
die Aufgaben herauszugeben – weil sie uns nicht gehören. Hinzu kommt, dass
diese Testinstrumente geschützt bleiben müssen, weil sie sonst nicht mehr
für die Begleitung von Schulversuchen verwendet werden können. Es könnte
dann heißen, die Schule XY hat nur deshalb gut abgeschnitten, weil sie die
Testaufgaben vorher geübt hat.
Aber durch mehr Transparenz ließen sich Zweifel ausräumen.
Diese Tests haben ja nicht wir entwickelt. Sie sind schon 2002 in
Baden-Württemberg und 2005 in der Hamburger
Lernausgangslagenuntersuchungs-Studie (LAU) verwendet worden. Sie erfüllen
alle gültigen Gütekriterien. Die Testaufgaben hatten eine hohe Validität,
was sich nicht zuletzt in der hohen Korrelation der Testergebnisse mit den
Fachnoten der Schüler widerspiegelt.
Die Kernaussage Ihrer Studie „Kess 12“ ist: Die Abiturienten sind trotz
Turbo-Abitur gleich gut, und in Englisch sind sie sogar besser geworden.
Herr Klein und sein Team haben nun auch die Abituraufgaben von 2005 und
2011 verglichen und sagen, das Niveau sei abgesenkt worden.
Das müssen Sie die Schulbehörde fragen. Die Abituraufgaben waren nicht
Gegenstand der Kess-Studie.
Vergibt Hamburg das Abitur zu billig?
Der Vorwurf ist nicht neu. Länder, die weit weniger Schüler zum Abitur
führen, geraten durch hohe Abiturientenquoten anderer Länder unter
Rechtfertigungsdruck. Dabei ist es überlebenswichtig für unsere
Gesellschaft, die Bildungsbeteiligung weiter zu erhöhen.
Ihre neueste Studie „Kess 13“ befasst sich mit den Absolventen der
dreijährigen Oberstufen an Gesamtschulen, Aufbau- und Beruflichen
Gymnasien. Demnach haben sie in Mathematik drei Jahre Lernrückstand
gegenüber den G8-Gymnasiasten.
Das ist richtig, was die Mittelwerte betrifft. Aber es gibt eine große
Bandbreite von Testleistungen, und mehr als 60 Prozent der Abiturienten an
den dreijährigen Oberstufen sind den G8-Gymnasiasten ebenbürtig. Doch etwa
ein Drittel der Abiturienten der dreijährigen Oberstufen hat in Mathematik
die Mindestanforderungen nicht erreicht.
Sind diese Schüler studierfähig?
Wir haben nur die Basiskompetenzen in Englisch, Mathematik und
Naturwissenschaften getestet. Zum Abitur gehört mehr, zum Beispiel
politische und kulturelle Bildung, weitere Sprachen, aber auch
fächerübergreifende Kompetenzen, etwa Reflexionsvermögen. Fairerweise muss
hinzugefügt werden: Diese Schüler waren bereits mit hohen Lernrückständen
in die gymnasiale Oberstufe eingetreten und haben dort sehr hohe
Lernfortschritte erzielt. Das belegt ihr großes Potenzial.
Hätten sie also mehr Zeit gebraucht?
Die gab es früher auch. Der Gesetzgeber hat 2003 die Einführungsstufe des
Aufbaugymnasiums abgeschafft. Dass heißt, „Kess 13“ ist ein Jahrgang, in
dem Schüler mit mittlerem Schulabschluss und der Durchschnittsnote 3,0
direkt in die Oberstufe eintraten. Da fehlte ein Jahr gezielter
Vorbereitung, die diese Schüler früher hatten. Das macht sich in den
Ergebnissen bemerkbar. Inzwischen ist eine neue Ausbildungs- und
Prüfungsordnung in Kraft getreten. In diesem Punkt ist „Kess 13“ also eine
Momentaufnahme.
Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen hat unlängst
Neuntklässler verglichen – Hamburg landete auf einem hinteren Rang.
Auch bei diesem Vergleich wird einmal mehr deutlich, dass Mittelwerte
allein wenig aussagen. 42 Prozent der Hamburger Schüler stammen aus
zugewanderten Familien. Betrachtet man die Ergebnisse der Schüler, deren
Eltern beide in Deutschland geboren wurden, von denen ein Elternteil im
Ausland geboren wurde oder deren beide Eltern im Ausland geboren wurden, je
für sich, so steht Hamburg in allen drei Gruppen auf Platz 3.
Einwandererkinder sind also benachteiligt. Die Grünen schlagen jetzt eine
flexible Grundschule vor: Kinder, die mit Lernrückstand in die Schule
kommen, sollen ein Jahr länger in Klasse 1 und 2 bleiben.
Das ist schon seit 1997 möglich, nur sollte eine Schule dann auch
jahrgangsübergreifende Lerngruppen bilden, sonst hätte das zusätzliche Jahr
eher den Charakter der Klassenwiederholung. Doch das allein wird nicht
reichen. Etliche Schüler nichtdeutscher Muttersprache haben in höheren
Klassenstufen Probleme, die Fachsprachen hinreichend genau zu verstehen.
Auch hier ist gezielte Förderung nötig.
Nehmen wir an, das Hamburger Abitur wäre leichter – wem würde das schaden?
Es gibt die Sorge, dass Abiturienten etwa aus Bayern in
Numerus-clausus-Fächern bei der Studienplatzvergabe benachteiligt werden,
wenn in Hamburg ein Einser-Abitur leichter zu haben sein sollte. Die Sorge
ist nachvollziehbar – Belege dafür gibt es aber nicht. Und viele
Absolventen mit schwachem Abitur gehen gar nicht in die Universitäten,
sondern entscheiden sich für eine Berufsausbildung.
20 Oct 2013
## LINKS
[1] http://www.arge.schule-hamburg.de/Archiv/STIKESS4.html
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schule
Abitur
G9
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