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# taz.de -- Leverkusen in der Champions League: Vom Geschmähten zum Superhelden
> Auch in der Champions League trifft Stefan Kießling, wie er will. Die
> Leverkusener sehen darin ein Ergebnis ihres neuen Selbstverständnisses.
Bild: Einst ein Verschießling, heute nur noch Stefan Kießling
LEVERKUSEN taz | Es sind essenzielle Worte gewesen, die Rudi Völler
formulierte, als sich die Nacht über den Rhein und das gewaltige Chemiewerk
jenseits der hell erleuchteten Arena gelegt hatte. „Wir haben den Spielern
in den vergangenen Tagen gesagt, dass sich eine große Mannschaft zeigt,
wenn man mal ein bisschen Gegenwind bekommt“, sagte der Sportdirektor von
Bayer Leverkusen nach dem beeindruckenden 4:0 gegen Schachtjor Donezk.
Er spielte damit auf die Phantomtor-Debatte an, die am vorigen Wochenende
über den Klub hereingestürzt war, und auf den ersten Blick wirkte dieser
Motivationsversuch wie ein routinierter Griff in die Trickkiste der
Hobbypsychologie. Gleichwohl enthält die Aussage eine kleine Sensation: Die
Leverkusener haben offenbar beschlossen, sich fortan als „große Mannschaft“
zu begreifen.
Gerade in der Champions League, aber auch in den direkten Duellen gegen die
Bundesligagiganten aus Dortmund und München hatten sie sich zuletzt
regelmäßig in die Rolle des Außenseiters hineinargumentiert. Dem
Selbstvertrauen war das nicht zuträglich, außerdem hatten die Spieler so
immer ein Alibi. Diesen Mechanismus wollen die Leverkusener nun offenbar
abschaffen. Und das hat auch Stefan Kießling in den schweren Tagen nach
seinem Phantomtor von Hoffenheim zu spüren bekommen.
Der Stürmer war nach dem Vorwurf, absichtlich betrogen zu haben,
keinesfalls gestreichelt und getröstet worden, im Gegenteil. Völler hatte
ihn unter Druck gesetzt. Er habe Kießling nach den in Leverkusen als grobe
Ungerechtigkeit empfundenen Vorwürfen gesagt, „dass man dann mal Flagge
zeigen muss“. Das hat der Stürmer wahrlich getan.
## Effizienz auch jenseits der Bundesliga
An allen vier Toren war der 29-Jährige beteiligt, er traf zum 1:0 und zum
4:0, erarbeitete den Elfmeter vor dem 2:0 und lieferte den vorletzten Pass
zum 3:0. Dieser Befund ist bemerkenswert, weil Kießling in internationalen
Wettbewerben normalerweise weit entfernt ist von seiner Effizienz in der
Bundesliga. Vor diesem Abend war ihm erst ein einziger Treffer in der
Königsklasse gelungen, solche Fakten gehören wohl zu den Hintergründen von
Joachim Löws Vorbehalten gegenüber diesem Stürmer.
Und Kießling-Skeptiker können auch diesmal einwenden, dass die beiden
Treffer nur unter tatkräftiger Mithilfe des schwachen Torhüters Andrij
Pyatow zustande kamen und der Elfmeter ein Geschenk des Schiedsrichters
war, weil Darijo Srna sich im geahndeten Zweikampf mit Kießling völlig
regelkonform verhalten hatte. Aber das wird schnell vergessen sein, und dem
Publikum war es vollkommen egal. Umtost von Standing Ovations wurde
Kießling eine Viertelstunde vor dem Abpfiff ausgewechselt, die Partie war
entschieden und hatte ihren Superhelden.
Kießling selbst mochte nach seiner großen Show keine öffentlichen
Kommentare abgeben, zu sehr hat er sich in den vergangenen Tagen über all
das Getratsche über sein Verhalten und seinen Charakter geärgert. Bernd
Leno verriet, dass es dem Kollegen nicht besonders gut ging. „Was Stefan
durchmachen musste, ist nicht schön, das ist auch nicht berechtigt“, sagte
der Torhüter. Und Völler ergänzte: „Nicht nur Stefan, auch der Rest der
Mannschaft“ sei hervorragend mit der Kritik, dem Ärger und der Unsicherheit
umgegangen. „Das Gute ist, dass man in solchen Situationen zusammensteht.“
## Richtig gut gespielt
Noch viel besser ist aber, dass die Leverkusener eine sehr gelungene
Mannschaftsleistung hinbekommen haben. Im Löw-Kießling- und Phantomtor-Wahn
der vergangenen Wochen war nämlich von vielen Beobachtern übersehen worden,
dass „die Ergebnisse zwar stimmen, die Leistungen aber nicht gut“ waren,
wie Trainer Sami Hyypiä vor dem Spiel eingeräumt hatte.
In der wichtigen Partie gegen den ärgsten Widersacher um Platz zwei hinter
dem Favoriten Manchester United haben sie endlich mal wieder richtig gut
gespielt. Wobei auch diese bedeutsame Tatsache im Schatten des
erstaunlichen Kießling-Märchens zu versinken droht.
24 Oct 2013
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Stefan Kießling
Bayer Leverkusen
Champions League
Fußball
Sami Hyypiä
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