# taz.de -- ADFC-Sprecher über neue Fahrradpolitik: „Aggression rausnehmen“ | |
> Das Radeln auf der Straße, das die SPD jetzt forcieren will, sei sicherer | |
> als das auf Bürgersteigen, sagt Dirk Lau vom ADFC. | |
Bild: Darf endlich aus dem Schatten treten: Radfahrer. | |
taz: Herr Lau, kippt durch die neuen Radstreifen, die die SPD auf den | |
Straßen einrichten will, endlich die Radwegpflicht? | |
Dirk Lau: Es gibt keine generelle Radweg-Benutzungspflicht. Es gibt aber | |
Ausnahmeregelungen für bestimmte Straßen, bei denen die Polizei eine | |
besondere Gefährlichkeit für Radler nachweisen kann. | |
Und wenn Radler mal kurz auf den Gehweg straucheln, machen sie sich | |
strafbar. | |
Es ist eine Ordnungswidrigkeit … | |
… während der Fußgänger den Radweg straffrei blockieren darf. | |
Nein. Wenn er dadurch den Radverkehr behindert, begeht auch er eine | |
Ordnungswidrigkeit, die man der Polizei melden kann. Dieses Szenario ist | |
natürlich utopisch, aber genau darin liegt die Krux: dass man Fußgänger und | |
Radfahrer in den letzten Jahrzehnten auf den engen Bürgersteigen | |
zusammengepresst hat. | |
Warum eigentlich? | |
Das sind Stadtentwicklungskonzepte der 1950er-, 1960er-Jahre, in denen es | |
darum ging, viel Autoverkehr schnell durch die Stadt zu leiten. Da störten | |
die anderen Verkehrsarten. Fußgänger und Radler wurden also an den Rand der | |
Straße, an die Häuserfront gedrängt und durften sich um den knappen Raum | |
prügeln. | |
Die 1960er-Jahre sind ja eine Weile her. Wann begann das Umdenken? | |
Bei Hamburgs SPD offensichtlich letzten Monat, als sie ihren Antrag | |
beschloss, der den Radlern mehr Platz auf den Straßen einräumen will. | |
Insgesamt geht der Trend aber schon seit einem knappen Jahrzehnt weg vom | |
„Autostadt“-Konzept. Das zeigen verschiedene Gerichtsurteile, die besagen, | |
dass der Autoverkehr nicht derart bevorzugt werden darf wie in Hamburg. | |
Aber sind Radstreifen nicht gefährlicher als Radwege auf dem Gehsteig? | |
Das ist ein Vorurteil, das den Radfahrern jahrelang eingeimpft wurde. Aber | |
inzwischen sagt selbst der ADAC: Alle Unfallstudien zeigen, dass der | |
Radverkehr auf der Straße am sichersten ist. | |
Warum? | |
Wegen des Prinzips „Sehen und Gesehenwerden“. Sie werden als Radler vor | |
allem dann angefahren, wenn die Autofahrer Sie nicht rechtzeitig sehen – | |
etwa, weil Sie plötzlich vom Fußweg her in eine Kreuzung einbiegen. | |
Und ein Radstreifen löst all diese Probleme? | |
Das genügt natürlich nicht, sondern man braucht ein Maßnahmenbündel: | |
Geschwindigkeitsreduzierung zum Beispiel. Denn die Tempo-Unterschiede | |
zwischen Rad und Auto führen zu Unsicherheiten und Unfällen, auch das | |
zeigen Statistiken. | |
Aber die Straße wird durch den Radstreifen schmaler. Das Gedränge wird also | |
nur verlagert. | |
Da muss die Polizei natürlich Aufklärungsarbeit leisten und für | |
Rücksichtnahme werben. Denn der Platz ist begrenzt und muss gerechter | |
verteilt werden. Es kann nicht sein, dass die Autos 80 Prozent bekommen und | |
die anderen den kargen Rest. Diese Vorstellung steckt aber noch in vielen | |
Autofahrer-Köpfen. | |
Aber bis das Feindbild „Radler“ verschwindet, wird es Jahrzehnte dauern. | |
Das glaube ich nicht. Das Bild vom Rüpelradler wird teils von den Medien, | |
teils von der Politik forciert und spiegelt nicht die Realität wider. Die | |
Realität ist, dass ein Verteilungskampf stattfindet, da muss die | |
Aggressivität rausgenommen werden. Politik und Polizei sind gefordert, auf | |
die Verkehrsteilnehmer besänftigend einzuwirken. Und eine Verkehrspolitik | |
zu machen, die den Straßenverkehr ganz konkret entschleunigt. | |
9 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
## TAGS | |
Verkehrspolitik | |
Kolumne Zwischen Menschen | |
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