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# taz.de -- Wohnungen für Flüchtlinge: Keine Wohnung für Ahmad
> Bei der Wohnungssuche haben junge Flüchtlinge nicht nur mit knappem
> Wohnraum-Angebot zu kämpfen, sondern oft auch mit rassistischen
> VermieterInnen.
Bild: Alles andere als zentral: Ahmads Zimmer in der ASB-Wohngruppe in Lesum
Bald wird Ahmad* 18 Jahre alt. Und wie viele junge Leute in seinem Alter
möchte er dann in eine eigene Wohnung ziehen: Am liebsten weg aus
Bremen-Lesum, von wo er samt Fußweg und Bahnfahrt über eine halbe Stunde
bis zum Hauptbahnhof unterwegs ist. Eine Einzimmerwohnung in einem
zentraleren Stadtteil wie der Neustadt oder Findorff wünscht er sich für
seine erste eigene Bleibe.
Ahmad hatte bisher kein Glück bei der Wohnungssuche. Denn kleine,
bezahlbare Wohnungen in Zentrumsnähe sind knapp. VermieterInnen haben die
Wahl – und die ist bislang immer auf andere BewerberInnen als Ahmad
gefallen. Denn in einem wichtigen Punkt unterscheidet er sich von ihnen: Er
ist Flüchtling.
Vor knapp zwei Jahren ist Ahmad allein aus Afghanistan nach Bremen
gekommen. Seitdem lebt er in einer Wohngruppe des Arbeiter-Samariter-Bundes
(ASB) auf dem Friedehorst-Gelände in Lesum. Ahmad spricht fließend Deutsch,
für einen Intensiv-Sprachkurs hat er im vergangenen Jahr einen
zweistündigen Schulweg nach Huchting auf sich genommen. Nach seinem
Realschulabschluss möchte er Abi machen, danach studieren, später gerne als
Journalist arbeiten. SozialarbeiterInnen betreuen junge Flüchtlinge wie ihn
in den Wohngruppen und helfen ihnen bei der Wohnungssuche, wenn sie auf die
Volljährigkeit zugehen.
Eine von ihnen ist Emily Melching. Sie erzählt von einem jungen Mann aus
Guinea, der ebenfalls bald volljährig wird und eine Wohnung sucht. „Vierzig
bis fünfzig Anfragen“ habe sie für ihn gestellt, auf nur auf eine hat sie
eine Antwort bekommen – eine Absage. Sie erzählt von skeptischen
Nachfragen: „Weiß der denn, wie man den Müll trennt?“ Und Ahmad berichtet
von VermieterInnenn, die ihm unterstellen, er habe keine Lust zu arbeiten.
Der oft unsichere Aufenthaltsstatus sei ein weiteres Problem. Wenn sie die
Wahl haben, so Melchings Erfahrung, vergeben Vermieter ihre Wohnungen
lieber an StudentInnen, die zudem mit einer Mietbürgschaft der Eltern
aufwarten können. Dabei seien die von ihr betreuten Jugendlichen ruhigere
Mieter als viele StudentInnen: „Die sind sehr ordentlich und die meisten
von ihnen sind Muslime, die nicht trinken und nicht rauchen.“ Zumindest
über Wohnungsbaugesellschaften wie die GEWOBA oder die Bremische seien
Wohnungen für die jungen Flüchtlinge zu bekommen, so Melching. Aber die
hätten kaum Wohnungen und deshalb lange Wartezeiten.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt, gleichzeitig steigt die Zahl
der Flüchtlinge, die ihren Weg nach Bremen finden. Für dieses Jahr hat das
Sozialressort sie auf rund 1.000 nach oben korrigiert. Erwachsene
Flüchtlinge dürfen nach einem Beschluss aus diesem März nach sechs Wochen
die Sammelunterkünfte verlassen und sich eine eigene Bleibe suchen.
Faktisch werde dieses Recht auf dezentrale Unterbringung allerdings durch
die Lage auf dem Wohnungsmarkt begrenzt, sagt Gundula Oerter von der
Flüchtlingsinitiative Bremen: „Das ist das Resultat einer völlig falschen
Wohnungsbaupolitik der letzten 30 Jahre.“
Der Rückzug Bremens aus dem sozialen Wohnungsbau sei die Ursache für die
Wohnungsnot, nicht die gestiegenen Flüchtlingszahlen, die im Vergleich zum
Beginn der Neunziger immer noch niedrig seien. Oerter: „Es gibt genügend
Wohnraum, nur keinen bezahlbaren.“
Beim Bausenator verweist Referentin Anne Gerken auf das „Bremer Bündnis für
Wohnen“ und auf Beschlüsse wie die 25-Prozentquote für Sozialwohnungen oder
ein laufendes Wohnraumförderprogramm. Dass in dem Bereich „nicht gerade ein
Überangebot herrsche, das ist uns bewusst,“ räumt sie ein. „Sonst hätten
wir nicht so ein großes Programm beschlossen.“
Sozialarbeiterin Melching hat vergangene Woche „aus der Verzweiflung
heraus, immer wieder vor dem gleichen Problem zu stehen,“ auf dem Schwarzen
Brett des Internet-Forums „bremen.de“ ein Wohnungsgesuch veröffentlicht f�…
einen „sehr netten, ruhigen afrikanischen Flüchtling“. Reagiert hat darauf
bislang kein einziger Vermieter. In der Anzeige schrieb sie von Vorbehalten
gegenüber Flüchtlingen, insbesondere gegenüber Afrikanern, denen „oftmals
Verbindungen zum Drogengeschäft“ unterstellt würden.
„Es gibt immer noch rassistische Haltungen gegenüber Schwarzen“, bestätigt
Gundula Oerter. Das sei auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht anders als im
Rest der Gesellschaft.
*Name geändert
10 Nov 2013
## AUTOREN
Dierck Wittenberg
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
Bremen
Wohnungsnot
Bremen
Flüchtlinge
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