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# taz.de -- Kolumne Der Rote Faden: Die Achse der Blonden
> Durch die Woche gesurft: Geert&Marie, Hilfe für Frontex,
> Koalitionsverhandlungen, Syrien – und das neue Gutachten zum Tod von Oury
> Jalloh.
Bild: Marie Le Pen und Geert Wilders geben ihr neues Bündnis bekannt, 13. Nove…
Das war ein Coup, das ist ihr gut gelungen, der neuen Achse der
demonstrativ Blondgefärbten: Die Aktion von Marine Le Pen und Geert Wilders
zählt zu den tristen Höhepunkten dieser Woche. In einem frisch
geschmiedeten Bündnis wollen und werden der Front National und die Partij
voor de Vrijheid dem „Monster in Europa“ nun gemeinsam das Leben schwer
machen.
Dass sie bei den Wahlen im Mai 2014 erneut ins europäische Parlament
einziehen werden, steht ausser Frage. Der Front National hat glänzende
Umfragewerte und auch die rechten Islamfeinde und Israelfreunde unter
Wilders sind in den Niederlanden erfolgreicher denn je. Da können sich die
Bürgerlichen nicht mehr auf die alte Hoffnung zurückziehen, dass sich die
Rechten noch immer selbst zerlegen haben. Die nächsten Europawahlen werden
so wichtig werden, wie keine vor ihnen. Und mit ihnen kommt ein neuer
europäischer Rechtspopulismus.
Denn es ist nicht nur bei den Rassisten, sondern allgemein angekommen, dass
es bei der EU nicht um so oder anders gekrümmtes Gemüse geht, sondern um
alles, was wichtig ist: um Wirtschaft, Haushalt, Migration, Klima – und
sonstige Gesetze. Weshalb die Phrase von Wilders „Damit beginnt die
Befreiung von der Elite und Europa, dem Monster in Brüssel“ in der
gegenwärtigen EU- und Eurokrise keineswegs aus der Zeit fällt. Die
politischen Eliten haben versagt, da müssen die Rechten gar nichts
erfinden.
Just diese diffuse Ablehnung der Eurokraten macht Rechtsradikale wie Le Pen
und Wilders anschlussfähig an die so genannte Mitte – oder auch Linke. Das
weiss ausserhalb von Deutschland jeder, zumal wenn er oder sie unter 25
Jahre alt ist und keinen Job findet.
## Ungeliebtes Europa
Natürlich ist noch nichts entschieden und sobald die hiesigen
Koalitionsverhandlungen abgewickelt sind, dürfte auch im träge
selbstzufriedenen Deutschland der Störenfried Europa wieder auf die Agenda
hüpfen. Opposition und Presse haben dann Gelegenheit, Vorschläge zur
Europapolitik zu machen und zu diskutieren, die über die wohlmeinenden
Sprechblasen von Habermas oder Cohn-Bendit und linkes Provinzpossentum
hinausgehen. Mal sehen, was sie daraus machen.
Es ist schon verrückt, wie ungeliebt Europa bei den Europäern ist, und wie
schwer es andernorts fällt, sich vom Sehnsuchtsort Europa zu verabschieden.
Diesen anderen Blick zeigt eine kleine, leise Ausstellung in Berlin „In
Search for Europe“. Hier verbünden sich keine wohlsituierten
HasspredigerInnen aus Amsterdam und Paris, sondern Künstler und
WissenschaftlerInnen aus Dakar, Alexandria und Paris gehen den
tausendfachen Verflechtungen zwischen Europa und Afrika nach.
Europa wird nicht eurozentrisch und weiß und blond und auch nicht von oben
gedacht, sondern von den Marginalisierten her: Von denen, die dem Traum
Europa ihr Leben verschrieben haben und nun – etwa in Dakar – ihre
Landsleute warnen, es ihnen gleich zu tun. Vergesst Europa und bleibt in
Afrika, das ist ihre Devise. „Die Ära, in der Europa als weltweites Vorbild
galt, geht langsam zu Ende. Aber wird die Welt dadurch besser?“ Das fragen
sich die KuratorInnen.
## Die griechische Polizei bleibt stumm
Und wenigstens das Fazit der letzten Tage sagt: Nein, wird sie nicht. So
gibt es eine neue Volte in der syrischen Flüchtlingskatastrophe, die
weltweit weiter ignoriert wird, auch wenn sich die Berichte häufen, dass
das Assad-Regime von Oppositionellen kontrollierte Gebiete systematisch
abriegele und aushungere. Was bleibt den Leuten also, außer zu fliehen?
Nun sind 150 SyrerInnen im Norden Griechenlands von der Polizei „in
Gewahrsam genommen“, also verhaftet worden und seitdem wundersamerweise
verschwunden. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) bittet um Aufklärung,
doch bislang blieb die griechische Polizei stumm. Griechenland ist für
seine brutale Flüchtlingspolitik bekannt.
Aber da die EU angesichts von rund 6 Millionen syrischen Flüchtlingen
erstmal das Budget von Frontex aufgestockt hat und sich ansonsten für nicht
zuständig hält, fragt man sich, von wem die griechischen Behörden zur
Ordnung gerufen werden sollten. Von deutschen Behörden, die zulassen, dass
gefesselte Flüchtlinge in ihrer Zelle angezündet werden, um dann ungestraft
von Selbstmord zu reden? Unwahrscheinlich.
Das neue Brand-Gutachten im Fall Oury Jalloh stützt die Mordhypothese.
Privatleute kratzten 30.000 Euro zusammen, um es bei einem Briten in
Auftrag zu geben. Vielleicht sollten auch wir, die wir den deutschen
Premiumpass fest in den Händen halten, schon einmal Geld zurücklegen, damit
da nichts schief geht in Zukunft – und auch wir unsere Pathologen selbst
bezahlen können. Sich an den Schwächsten zu vergreifen, ist immer nur der
Anfang.
16 Nov 2013
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
Oury Jalloh
Europawahl 2014
Geert Wilders
Michael Schumacher
Marine Le Pen
Schwerpunkt Rassismus
Herfried Münkler
Empörung
Shutdown
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