| # taz.de -- Sozialforscher Böhme über ganztägiges Lernen: „Ganztags kann o… | |
| > Der Sozialwissenschaftler René Böhme untersucht Strukturen ganztägigen | |
| > Lernens in Bremen. Den jetzt vorgelegten Koalitionsbeschluss zum Ausbau | |
| > findet er gut. | |
| Bild: Die Grundschule am Pfälzer Weg verwandelt sich seit 2011 allmählich in … | |
| taz: Herr Böhme, Sie haben vor einem Monat Ihre Untersuchung zu | |
| Ganztagsgrundschulen in Bremen vorgelegt und gefordert, deren Ausbau | |
| voranzutreiben. Entspricht das, was Rot-Grün am Mittwoch vorgelegt hat, | |
| Ihren Forderungen? | |
| René Böhme: Ja, das kommt dem nahe. Ich war allerdings überrascht, dass es | |
| so viele sind, nachdem der Ausbau vor einem Jahr ganz gestoppt worden war | |
| und es im April hieß, es sei in den Jahren 2014 und 2015 nur Geld für eine | |
| da. Interessant wäre, wie der Ausbau danach weitergehen soll, welche Ziele | |
| Bremen überhaupt verfolgt. Eine Bedarfsermittlung hat es ja nie gegeben. | |
| Es gibt Geld für sieben Schulen. An den richtigen Standorten? | |
| Darunter sind die, die wir im Auge hatten. Dabei ist neben den | |
| Sozialindikatoren berücksichtigt worden, dass es Stadtteile gab, die | |
| unterdurchschnittlich mit Ganztagsangeboten versorgt waren. Aus Borgfeld | |
| hatten wir etwa gehört, dass viele Eltern auf ein doppeltes Einkommen | |
| angewiesen sind, um die Immobilienkredite abzahlen zu können. | |
| Es wird aber nur zwei gebundene Schulen geben, an denen auch nachmittags | |
| unterrichtet wird. Ist das nicht zu wenig? | |
| Nein, wie gut eine Schule ist, hängt nicht von der Form ab. | |
| Aber in den offenen Grundschulen ist es schwieriger, den Schultag zu | |
| entzerren. | |
| Es ist richtig, dass der Grad der Rhythmisierung in den gebundenen Schulen | |
| höher ist. Aber solche Elemente lassen sich auch an den ungebundenen | |
| umsetzen, mit Blockstunden und offenem Anfang. Man muss einfach | |
| akzeptieren, dass es verschiedene Formen gibt. Das entspricht auch den | |
| unterschiedlichen Wünschen von Schulen und Eltern. | |
| Was meinen Sie damit? | |
| In vielen Schulen gab es Widerstände gegen den Nachmittagsunterricht. Zum | |
| einen, weil eine gebundene Ganztagsschule viel aufwändiger umgebaut werden | |
| muss, da gibt es ganz andere Anforderungen beispielsweise an die Mensa. Zum | |
| anderen ist es für Lehrkräfte nicht so ohne Weiteres möglich, nachmittags | |
| zu unterrichten. Viele haben ja auch Familie. | |
| Oder sie wollen es so machen, wie sie es seit 20 Jahren kennen. | |
| Das ist möglich. Es hat sich gezeigt, dass an Schulen, die zunächst nur ein | |
| offenes Angebot machen wollten, nach einem Jahr die Bereitschaft da war, | |
| sich jetzt in eine gebundene Form umzuwandeln. | |
| Sie sagten, Eltern seien nicht unbedingt für die gebundene Form. Weil die | |
| Kinder dann keine Zeit mehr für Klavier- und Reitunterricht haben? | |
| Das ist die Vermutung. Aber die neue Bremer Schulverordnung bietet die | |
| Möglichkeit, diesen Elternwünschen nach mehr Flexibilität nachzukommen, | |
| indem das Betreuungsangebot an allen Tagen bis 16 Uhr geht, an zwei Tagen | |
| aber verbindlich nur bis 14 Uhr. | |
| Der Hintergrund für diese Regelung ist doch aber, dass zu wenig | |
| Lehrerstunden zur Verfügung stehen, um jeden Tag bis 16 Uhr zu | |
| unterrichten. | |
| Das kann ich so nicht bestätigen. Jetzt ist sichergestellt, dass Schulen | |
| nicht mehr bereits um 15 Uhr schließen. | |
| Die Fraktionschefin der Linken, Kristina Vogt, kritisiert, dass die | |
| Betreuungsqualität an den offenen Ganztagsschulen geringer ist als in den | |
| Horten, weil oft Studierende eingesetzt werden oder irgendwelche Leute, die | |
| eine AG anbieten. In den Horten machen das ausgebildete Erzieherinnen. | |
| Richtig ist, dass der Betreuungsschlüssel an Horten besser ist. Aber offene | |
| Ganztagsschulen bieten die Möglichkeit, Unterricht und Betreuung besser | |
| miteinander zu verzahnen, gezielte Förderangebote zu machen und die | |
| Initiativen des Stadtteils in das Ganztagsprogramm einzubinden. Offene | |
| Ganztagsschulen erhalten genau wie gebundene Ganztagsschulen zusätzliche | |
| Lehrer- und Betreuungsstunden. Gegen den ergänzenden Einsatz von | |
| Freiwilligen oder Übungsleitern aus Sportvereinen spricht aus unserer Sicht | |
| nichts. | |
| Wie profitieren Kinder eigentlich von den Ganztagsschulen? | |
| Positive Effekte hat es nachweislich auf soziale Fähigkeiten gegeben und | |
| das Familienklima soll besser geworden sein, weil sich Eltern entlastet | |
| fühlen. Auch konnten teilweise bessere Noten und selteneres Sitzenbleiben | |
| aufgezeigt werden, wenn die Kinder häufig am Ganztag teilnehmen. Man muss | |
| aber dazu sagen, dass es zu viele verschiedene Formen der | |
| Ganztagsbeschulung gibt, um für alle eine Aussage zu treffen. | |
| Aber Ganztagsschulen führen nicht automatisch zum Abitur? | |
| Ganztagsschulen führen nicht von selbst zu besseren Bildungsergebnissen und | |
| höherer Bildungsgerechtigkeit. Es kommt auf die Qualitätsentwicklung an. | |
| Dazu zählen beispielsweise die Verbesserung der Unterrichtsqualität, mehr | |
| individuelle Förderung für die Kinder, die Zusammenarbeit mit den Eltern | |
| oder der Einbezug von sozialen Unterstützungsangeboten in den Schulalltag. | |
| Das sind Herausforderungen sowohl für gebundene als auch für offene | |
| Ganztagsschulen. | |
| 21 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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