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# taz.de -- Kolumne Halleluja: Klingeling im Kirchensteuerkasten
> Weihnachtsmärkte sind ein Frontalangriff auf das ästhetische Empfinden,
> die Gesundheit und das Nervenkostüm.
Bild: Huhuhu: sogar "erotische" Weihnachtsmärkte quälen uns jetzt.
Dieser Duft! Dieser zarte Duft nach Frittierfett und Champignon-Paella …
dieser Hauch von Nutella-Crêpes, diese leichte Andeutung von Quarkbällchen,
diese Ahnung von Glühwein und Erbrochenem … ach, meine Freunde, dieser
Duft! Das ist Weihnachten! (frei nach: Goscinny/Uderzo, „Asterix auf
Korsika“)
Ja, es ist schon wieder soweit: Überall in der Stadt lassen schlecht
bezahlte Handwerker die Akkuschrauber aufheulen, quasi über Nacht errichten
sie an strategischen Orten ihre Fachwerkhäuschen aus Pressspan, und kein
Bezirksamt schreitet ein, um diese gecekondular des schlechten Geschmacks
einzureißen. Bis Januar werden sie uns quälen, die Weihnachtsmärkte und
ihre übelsten Hervorbringungen: lärmende Fahrgeschäfte, fettiges Essen,
Menschen mit Filz-Geweihen, sogenanntes Kunsthandwerk und der Song einer
britischen Popband, dessen Titel ungenannt bleiben soll, weil er sonst bis
Montag den Gehörgang verklebt.
Weihnachtsmärkte sind ein Frontalangriff auf das ästhetische Empfinden, die
Gesundheit und das Nervenkostüm. Sie versprechen augenfunkelnde Freude und
sorgen doch nur für Sodbrennen und leere Geldbeutel. Womit sie ein
perfektes Menetekel dessen sind, was sich da zusammenbraut – schließlich
bietet der sogenannte Heilige Abend meist das exakte Gegenteil von dem, was
er laut Katalog verspricht: Das beginnt beim rechtzeitig einsetzenden
Waschküchenwetter und endet mit einer ausgewachsenen Feiertagsdepression.
Genau hier könnten die Kirchen einmal Gutes tun. Von den Kanzeln und
Altären könnte die frohe Botschaft erschallen: „Vergesst Weihnachten!“
Nein, halt, das wäre dann doch ein bisschen zu viel verlangt, aber
zumindest die zwanghaft kommerziellen Auswüchse, die könnten Pfarrerinnen
und Pfarrer doch ohne Weiteres in ihren Predigten geißeln, passende
Bibelstellen werden auf Wunsch nachgereicht. „Vergesst den blinkenden
Tand“, würden sie rufen, „gebet Ruhe, entzündet ein Kerzlein oder in Gott…
Namen derer vier! Meidet Weihnachtsmärkte! Und wer bei Wham! mitsummt, der
bete zur Buße 40 Vaterunser! Ach was, 400!“
Genau das tun die Pfarrerinnen und Pfarrer natürlich nicht, und auch die
bischöflichen Pressestellen werden wie jedes Jahr nur lauwarme
Besinnungsrhetorik verbreiten. Über alles Mögliche regen sie sich auf:
Partys an Karfreitag, Spaß haben an Halloween und – das dann schon – die
Inbetriebnahme von Weihnachtsmärkten vor dem Totensonntag. Aber danach
halten sie schön still, auch wenn es so gar nicht zum Markenkern passt.
Der Grund liegt natürlich auf der Hand – denn die beißt man nicht, solange
sie einen füttert. Kirche sein kostet, und je stärker die Konjunktur, desto
lauter klingelt’s am Ende auch im Kirchensteuerkasten. Da wollen wir doch
nicht das schöne Weihnachtsgeschäft kaputtmachen! Im Gegenteil:
Höchstselbst schaltet der Landesbischof Jahr für Jahr die
Jahresend-Illumination auf einem der zentralen Berliner Plätze an: Lichter,
die alles Mögliche versprechen, nur nicht Besinnung.
Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Der große Santa-Claus-Truck von
Coca-Cola hält dieses Jahr nicht in Berlin. Darauf ein dreifach Ho!
24 Nov 2013
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Kirche
Kommerzialisierung
Glühwein
Weihnachten
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Kirche
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