# taz.de -- NDR-Programmdirektor: Der Vorabendverkäufer | |
> Frank Beckmann hat die Kika-Affäre überstanden und seinen Vertrag beim | |
> NDR verlängert bekommen. Nun will er Zuschauer nach 18 Uhr zum Ersten | |
> locken. | |
Bild: Frank Beckmann (r.) mit Kollege Tommy Krappweis (l.) und Grimme-Preisträ… | |
Um gleich mal Missverständnisse auszuräumen: Frank Beckmann, der | |
Programmdirektor des NDR und frühere Programmgeschäftsführer des | |
Kinderkanals von ARD und ZDF, redet sehr gern über das Haus, das er | |
zwischen 2000 und 2008 geführt hat. Schließlich produziert der NDR | |
Sendungen für den Kika. | |
Beckmanns Augenmerk gilt gerade unter anderem „In-between-Programmen“, wie | |
er sie nennt. Die sind für die ältere Zielgruppe der Kinder geeignet und | |
für die jüngere eines öffentlich-rechtlichen Jugendkanals. Den gibt es zwar | |
noch nicht, aber vielleicht bald. | |
Über jenen großen Skandal, mit dem der Name des Senders noch Jahre | |
verbunden sein wird, äußert sich der 48-Jährige, der vor rund einem Monat | |
seine zweite Amtszeit beim NDR angetreten hat, dagegen nicht nur ungern, | |
sondern gar nicht. Mit keiner Silbe. | |
Der Protagonist in dieser Affäre ist der frühere Kika-Herstellungsleiter | |
Marco K., der, unterstützt von weiteren Tätern, den Sender zwischen 2005 | |
und 2010, also teilweise in Beckmanns Amtszeit, mittels Scheinrechnungen um | |
Geld betrog. Es handelte sich im weiteren Sinne um | |
Beschaffungskriminalität: Der hochrangige Angestellte K. musste seine | |
Spielsucht finanzieren. | |
Das ist zwar lange her, aber der Fall, der viele Prozesse nach sich gezogen | |
hat, nimmt immer wieder neue Wendungen. In einer Rundfunkratssitzung des | |
MDR, der beim Kika federführend ist, hat Karola Wille, die MDR-Intendantin, | |
im September eine neue Schadenshöhe in der Causa bekannt gegeben. Sie liege | |
nach derzeitigem Sachstand bei 9,96 Millionen Euro. | |
Die bisherigen Schätzungen hatten niedriger gelegen, meist war von 8,2 | |
Millionen Euro die Rede. Grundlage der aktuellen Zahl seien „die Ergebnisse | |
des diesjährigen Prüfberichtes der internen Revisionen von MDR und ZDF“, | |
sagt MDR-Sprecher Walter Kehr. Die gute Nachricht für den Sender – und für | |
den Beitragszahler – ist in diesem Zusammenhang, dass der MDR „bisher über | |
1,5 Millionen Euro aus Schadenswiedergutmachungen nach rechtskräftig | |
ergangenen Urteilen der verhandelten Betrugsfälle zurückholen konnte“, wie | |
Kehr sagt. | |
## Der Unschuldige | |
Für Frank Beckmann ist das Thema Kinderkanal unter juristischen | |
Gesichtspunkten jetzt abgehakt, weil die Staatsanwaltschaft Erfurt Mitte | |
Oktober ein Verfahren gegen ihn eingestellt hat – gegen die Zahlung einer | |
Geldauflage von 30.000 Euro. | |
Die Ermittlungen gegen Beckmann, der im Laufe der ausgiebigen juristischen | |
Aufarbeitung der Affäre stets beteuerte, keine Kenntnis gehabt zu haben von | |
K.s Scheinrechnungen, betrafen lediglich einen Randaspekt: Im Zusammenhang | |
mit den Kosten für seine Verabschiedung im Rahmen des Kika-Sommerfests 2008 | |
in Erfurt hatte sich ein Verdacht auf Untreue ergeben. | |
Die nun kürzlich im Rundfunkrat genannten 9,96 Millionen Euro muss man | |
stets in Relation sehen zu dem Geld, das dem Kinderkanal in den besagten | |
Jahren zur Verfügung stand. Mehr als die Hälfte des Etats wickeln nämlich | |
die ARD-Anstalten und das ZDF ab, indem sie Programme für den Kindersender | |
produzieren. | |
In der Zentrale in der Erfurt landeten zwischen 2005 und 2009 pro Jahr nur | |
zwischen 36 und 38,5 Millionen Euro. Der ranghöchste Angestellte beim | |
Kinderkanal heißt aus gutem Grund nicht Programmdirektor – schließlich | |
impliziert der Begriff weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten –, sondern | |
Programmgeschäftsführer. Beckmann habe sich in dieser Funktion seinerzeit | |
als „guter Verkäufer“ erwiesen, sagt einer, der aus ihn Erfurter Tagen | |
kennt. | |
Gut gebrauchen kann Beckmann diese Fähigkeit auch jetzt. Nicht so sehr in | |
seiner Rolle als Programmdirektor des NDR, denn dessen drittes TV-Programm | |
verbessert mit einem informationsreichen Angebot permanent seine | |
Marktanteile. Vielmehr in seiner Eigenschaft als Vorabendkoordinator der | |
ARD. Den Posten hat er seit 2011, und mindestens bis 2015 wird er ihn noch | |
ausfüllen. | |
Der Vorabend steht für regionale Schmunzelkrimis, deren Quoten ausbaufähig | |
sind, aber Beckmann sagt: „Man muss es mal so sehen: Der Vorabend, wie wir | |
ihn jetzt gebaut haben, ist der größte Impuls für die deutsche | |
Produzentenlandschaft, den es in den letzten zehn, fünfzehn Jahren gegeben | |
hat. Jetzt sind wir gefordert, aber auch die Produzenten müssen zeigen, was | |
sie können.“ | |
Seit 2012 werden die Serien am Vorabend nicht mehr nur über Werbeeinnahmen | |
finanziert, sondern in Teilen über die Landesrundfunkanstalten. Deshalb | |
laufen diese Produktionen seit Kurzem auch als Wiederholungen im dritten | |
Programm, etwa „Hubert & Staller“ im BR. | |
„Sämtliche Serien, die bisher in Erstausstrahlung im Vorabend und als | |
Wiederholung in den Dritten liefen, liegen über dem Sendeplatzschnitt“, | |
sagt Beckmann. Die ARD steckt in einem für Außenstehende amüsant anmutenden | |
Dilemma: Manche Serien, die sie für den Vorabend produziert, laufen sehr | |
gut – nur auf den Sendeplätzen, für die sie eigentlich vorgesehen waren, | |
„funktionieren noch nicht alle Formate so, wie wir uns das vorstellen“ | |
(Beckmann). | |
## Der Seriensüchtige | |
2014 wollen Beckmann und Co. jenseits des Krimis nun „andere Farben | |
einführen“, etwa eine Anwaltsserie. „Wir werden auch experimentieren. | |
Einige sagen ja, wir seien am Vorabend zu brav.“ Als Experiment sieht | |
Beckmann etwa die BBC-Sitcom „Cuckoo“, die in der ersten Jahreshälfte | |
starten könnte. „Für manche Medienjournalisten ist die amerikanische Serie | |
das Maß aller Dinge. Aber die Lösung kann nicht sein, dass wir das Geld in | |
die USA geben, auch wenn das dauernd gefordert wird“, ergänzt Beckmann. | |
Seine Devise: „Lasst uns doch versuchen, deutsche Produktionen weiter zu | |
entwickeln. Auch wenn wir Jahre dafür brauchen.“ Er sei auch binge viewer, | |
sagt Beckmann, also ein Seriensüchtiger. Er zweifle aber daran, dass viele | |
der gepriesenen Serien im hiesigen Programm funktionieren. Die HBO-Serie | |
„The Newsroom“, die den Alltag einer fiktiven TV-Nachrichtenredaktion | |
zeigt, schätzt er sehr: „Da geht es um die Unabhängigkeit von | |
Nachrichtensendungen.“ | |
Aber: „Dieses Grundproblem stellt sich in Deutschland nicht.“ Schließlich | |
sei die Tagesschau „völlig unabhängig von politischer Einflussnahme. | |
Politisch gefärbte Nachrichten sind eher ein amerikanisches Thema, das die | |
Zuschauer hierzulande gar nicht nachvollziehen können.“ Beckmann ist ein | |
sehr ranghoher Mann im NDR, natürlich sagt er das ohne einen Anflug von | |
Ironie. | |
Was nicht heißt, dass er keinen Humor hat. In diesem Genre wünscht sich | |
Beckmann „eine vernünftige Spätshow für den Samstag“. Die könnte am öd… | |
Fernsehtag der Woche tatsächlich nicht schaden. Er hoffe, sagt er, dass der | |
NDR „2014 die ersten Ergebnisse präsentieren“ könne. | |
1 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
## TAGS | |
NDR | |
Kika | |
Öffentlich-Rechtliche | |
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