# taz.de -- Film-Finanzierung auf neuen Wegen: Banknoten auf Reise | |
> Wie der Hamburger Filmemacher und Schauspieler Daniel Lommatzsch seinen | |
> Spielfilm „Am Ende ist man tot“ auch mit Hilfe von Crowdfunding | |
> realisiert. | |
Bild: Kollegen auf Extra-Schicht: Der Film "Am Ende ist man tot" wurde meist am… | |
HAMBURG taz | Wer einen Spielfilm drehen möchte, braucht früher oder später | |
Geld. Das geht auch Daniel Lommatzsch so, obwohl der seinen Film aus einer | |
besonderen Situation heraus gedreht hat: Lommatzsch ist Schauspieler am | |
Hamburger Thalia Theater und konnte für seine Dreharbeiten nicht nur auf | |
die Kollegen des Ensembles, sondern auch auf die Infrastruktur des Theaters | |
zurückgreifen, also auf die Techniker und die Bühnen-, Kostüm- und | |
Maskenbildner. Intendant Joachim Lux genehmigte diese inoffizielle | |
Förderung mit der Bedingung, dass dadurch der Probenbetrieb nicht | |
beeinträchtigt werden dürfe. Hinzu kam eine kleine Anschubfinanzierung in | |
Höhe von 8.000 Euro durch die Hamburger Kulturstiftung. | |
Seit Oktober ist der Film nun im Kasten, oder besser gesagt auf einem | |
Haufen von Festplatten. Das Material muss nun aber noch geschnitten, | |
technisch nachbearbeitet und vertont werden. Diese Arbeitsschritte können | |
nicht mit den Bordmitteln des Thalia Theaters realisiert werden.Um die 60 | |
Stunden Drehmaterial zu einem etwa 90 Minuten langen Spielfilm zu | |
montieren, braucht man einen professionellen Cutter und einen | |
Schneidetisch. Und das kostet Geld. | |
Lommatzsch weiß um die Tücken der Postproduktion. Einer seiner Kurzfilme | |
war in ein paar Tagen abgedreht und dann brauchte er Jahre, um ihn | |
schneiden und ordentlich vertonen zu lassen. Und soviel Zeit hat der 1977 | |
in Hamburg geborene Schauspieler und Filmemacher nicht. In Ankündigungen | |
des Theaters ist von einer Premiere „im Frühjahr“ die Rede. Das ist nicht | |
zu schaffen, aber all die Kollegen, die ihn unterstützt haben, werden | |
ungeduldig und Lommatzsch hofft darauf, im nächsten Sommer den Film | |
präsentieren zu können. Das noch fehlende Geld will er durch Crowdfunding | |
auftreiben. | |
Diese neue Art der Finanzierung, bei der im Internet dafür geworben wird, | |
für ein bestimmtes Projekt Geld zu geben, ist inzwischen so etabliert, dass | |
es schon eine Firma gibt, die anbietet, im Netz eine Kampagne für ihre | |
Auftraggeber maßzuschneidern. „Startnext“ organisiert solche medialen | |
Auftritte für Projekte, bei denen Spender gesucht werden für Projekte wie | |
„Salat aus der Flasche“, umweltfreundliche Schuhe oder eine neue, | |
illustrierte Ausgabe von Edgar Allen Poes Gedicht „The Raven“. Für die | |
Projektemacher ist der Auftritt auf Startnext kostenfrei. Die Plattform | |
finanziert sich selbst über Spenden und über Dienstleistungen, die die | |
Projektemacher hinzubuchen können. | |
Auf Startnext.de ist ein Trailer von Lommatzsch’ Filmprojekt zu sehen, in | |
dem die Mitstreiter selbstironisch um Geld bitten: Zitiert wird unter | |
anderem Elfriede Jelineks schöner Satz „Geld ist nicht alles, aber es ist | |
alle.“ | |
Ferner wird die bereits eingesammelte Summe angezeigt und am Rand sind die | |
Belohnungen für Spender aufgelistet: Wer 15 Euro spendet, bekommt | |
beispielsweise ein signiertes Setfoto, für 1.000 Euro wird der Spender als | |
Associate Producer im Abspann genannt. | |
Ein wenig scheint sich Lommatzsch bei seinem Crowdfunding-Auftritt | |
verkalkuliert zu haben: Auf Anregung der Macher von Startnext hat er die | |
Ziel-Summe auf 10.000 Euro festgesetzt, obwohl er im Grunde 15.000 Euro | |
braucht. Die würde er aber nicht zusammenbekommen, wurde ihm gesagt. | |
Problematisch könnte das werden, weil bei Startnext ein | |
Alles-oder-Nichts-Prinzip herrscht: Das Geld wird nur an den Projektstarter | |
ausgezahlt, wenn er sein angegebenes Fundingziel erreicht. Andernfalls | |
gehen alle Unterstützungsgelder an die Spender zurück. | |
Inzwischen hat Lommatzsch über 9.000 Euro eingesammelt. Bald werden die | |
10.000 Euro erreicht sein. Danach gilt das Ziel als erreicht, was die | |
Spendenbereitschaft der Crowd deutlich senkt. | |
Aus diesem Grund entschied sich Lommatzsch dafür, zusätzlich eine „analoge�… | |
Art von Crowdfunding zu veranstalten. So wurde kürzlich in der Kneipe | |
Nachtasyl unter dem Dach des Thalia Theaters zu einer „Butterfahrt“ | |
eingeladen, bei der Ensemblemitglieder, vor allem aber Freunde des Hauses | |
über das Projekt informiert und „angebettelt“ wurden. So formulierte | |
Lommatzsch es selber, als er die „Alten und Reichen“ im Publikum direkt | |
ansprach und dafür zuerst einmal nur einen lauten Lacher erntete. | |
Entscheidender als seine sympathisch unbeholfene Präsentation waren die | |
ersten Ausschnitte aus dem Film, die öffentlich gezeigt wurden. Denn auch | |
wenn es Rohschnitte mit schlechtem Ton und unbearbeiteten Bildern waren, | |
war zu merken, dass dies das Grundmaterial für eine gelungen Komödie sein | |
könnte. Das Pfund, mit dem Lommatzsch wuchern kann, sind die vielen guten | |
SchauspielerInnen: Die sind in saftigen Rollen zu sehen, bei denen sie ihr | |
Talent voll ausspielen können. | |
Eine Ironie des Projekts besteht darin, dass der Film selbst vom Geld | |
handelt. Es ist ein Episodenfilm, in dem die Spur von drei Geldscheinen | |
verfolgt wird. Die Banknoten tauchen beispielsweise bei einer Entführung | |
auf, bei der einer der Täter plötzlich ganz grundsätzlich den Wert des | |
Geldes in Frage stellt. Oder ein gönnerhafter Manager bietet sie einer | |
afrikanischen Putzhilfe an, handelt sich aber eine sehr souveräne Abfuhr | |
ein. | |
Die Sequenzen zeigen, dass Lommatzsch ein gutes Gefühl für Situationskomik | |
hat und die Schauspieler dazu inspirieren konnte, seine skurrilen | |
Filmfiguren lebendig und interessant wirken zu lassen. Aber ein paar Euro | |
braucht er noch. | |
11 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
## TAGS | |
Film | |
Crowdfunding | |
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