# taz.de -- Berliner Szenen: Richtige Oligarchen | |
> Einmal nicht mit dem Taxi gefahren und schon gelernt, wo die Leute | |
> herkommen, die zu ihren Pommes Champagner für 530 Euro trinken. | |
Bild: Was fehlt: Ketchup, Mayo, Dom Pérignon. | |
Auf dem Weg vom Deutschen Theater laufen wir die Friedrichstraße entlang. | |
Es ist Nacht. Wir waren noch in der Böse-Buben-Bar, jetzt nach Hause. Erst | |
mal laufen, dann vielleicht irgendwann ein Taxi nehmen. Vielleicht. | |
Wahrscheinlich laufen wir den ganzen Weg bis Kreuzberg. Wir finden nie den | |
winzigen Moment zwischen „Och, ich kann noch“ und „Na ja, jetzt lohnt es | |
sich auch nicht mehr mit’m Taxi“. | |
S. zeigt auf das Fitnessstudio, das jetzt ganz dunkel ist, ein | |
Fitnessstudio für Frauen. S. sagt, wenn er montags früh mit der S-Bahn um | |
Viertel nach sechs zum Hauptbahnhof fährt, sind da schon Leute an den | |
Geräten. Montags. Viertel nach sechs. Morgens. Das Fitnessstudio hat vorne | |
riesige Fenster. | |
Ich sage, dass ich nie, nie, nie dafür bezahlen würde, in einem | |
Schaufenster Sport zu machen. Für Geld vielleicht. Also wenn man mich dafür | |
bezahlen würde. Aber auch nur vielleicht. | |
Wir laufen an der Pommesbude vorbei, unter der Brücke durch, dann gucken | |
wir uns an und bleiben stehen, ohne Worte. Wir gehen wieder zurück und ich | |
sage: „Zweimal Pommes rot-weiß bitte.“ | |
Auf dem Getränkeschild steht, dass man auch Champagner kaufen kann. Ein | |
Piccolo Champagner für 25 Euro, eine 0,7-Liter-Flasche für 65 Euro, eine | |
0,375-Liter-Flasche für 38 Euro und eine 0,7-Liter-Flasche Dom Pérignon für | |
210 Euro. | |
„Kaufen manchmal Leute so ’ne Flasche?“, frage ich den Pommesmann. | |
„Manchmal“, sagt er. „Wie oft“, frage ich, „also die für 210 Euro?�… | |
einmal im Monat“, sagt er, „aber das ist nix, die am Ku’damm, die haben | |
eine Flasche für 530 Euro, da geht jede Woche eine weg.“ | |
„Und wer kauft das so?“, frage ich. „Russen“, sagt er, „so richtige | |
Oligarchen.“ Er stellt unsere Pommes hin. „Serviette?“, fragt er. „Ja, | |
bitte“, sage ich. „Kostet zwanzig Cent extra“, sagt er, und ich: „Was?�… | |
da lacht er ganz laut und gibt uns zwei Servietten. | |
15 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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