| # taz.de -- Die Wahrheit: Schande seiner Zunft | |
| > Ein kleiner bedauernswerter Zombie-Roboter ist das ideale | |
| > Weihnachtsgeschenk für alle, die richtiges Sozialverhalten lernen wollen. | |
| Bild: Ergib dich, du vergeistigter Schlappschwanz von einem Zombie-Roboter, ode… | |
| „Ein fieser Zombie-Virus hat die Roboterwelt befallen, und nun greifen die | |
| Roboter die Menschen an! Als einem der letzten Menschen liegt es an dir, | |
| zurückzuschlagen und Horden von wild gewordenen Zombie-Robotern zu | |
| besiegen!“ | |
| So prangte in blutroten Lettern die Schrift auf dem bunten Karton, der mir | |
| im Kaufhaus wie magisch in die Hände glitt, als ich auf der Suche nach | |
| einem passenden Weihnachtsgeschenk für einen fast 50-Jährigen war. Zuvor | |
| hatte ich mich beinahe schon für einen Darth-Vader-Helm mit integriertem | |
| Sprachverzerrer entschieden, der mir dann aber doch zu teuer war. | |
| „Der Furcht einflößende RobotZombie bewegt sich mit realistischen | |
| Zombiebewegungen im Raum und hat bewegliche Arme sowie aufleuchtende | |
| LED-Augen. Wenn er dich angreift, besiegst du ihn mit einem gezielten | |
| Schuss aus dem beiliegenden Zombieblaster. Seine Arme und Brustplatten | |
| bersten und fallen ab und er ist für immer unschädlich. Bau ihn aus seinen | |
| eigenen Teilen wieder zusammen oder benutze Teile von anderen RobotZombies, | |
| um deinen eigenen Frankensteinzombie zu entwerfen!“, so las ich weiter. | |
| Und als ich durch eine kurze Recherche herausfand, dass der RobotZombie bei | |
| einem führenden Internethändler mit dem „Lernziel: Sozialverhalten“ | |
| aufgelistet ist, musste ich ihn einfach kaufen. | |
| ## Rot-grünes Totenkopfgesicht | |
| Man soll ja nichts verschenken, was man nicht vorher selbst ausprobiert | |
| hat, redete ich mir ein und riss zu Hause ungeduldig den bunten Karton auf, | |
| um durch ein paar gezielte Schüsse auf den angreifenden RobotZombie | |
| besseres Sozialverhalten zu lernen. | |
| Kaum hatte ich Zombie aus seinen Haltedrähten gelöst, um ihn genauer zu | |
| betrachten – den Zombieblaster hatte ich noch nicht einmal ausgepackt –, | |
| warf er in einer panikartigen Reaktion blitzschnell Arme und Brustpanzer | |
| von sich, als wolle er sich schon im Vorfeld ergeben. Sein rot-grünes | |
| Totenkopfgesicht war angstverzerrt, und er schien, von schier unendlichem | |
| Leid gezeichnet, zu rufen: „Nicht schießen! Bitte, bitte nicht schießen!“ | |
| Aus seiner geöffneten Schädeldecke quollen seltsam gescheitelte blaue | |
| Dinger, die womöglich große Maden oder eine Art Hirnmasse darstellen | |
| sollten, den Zombie aber eher wie einen unglücklich frisierten Popper | |
| aussehen ließen. | |
| Bei dem Versuch, die Arme wieder in den Zombie reinzustecken, fiel immer | |
| dann, wenn ich den rechten schon drin hatte, bei der Montage des linken der | |
| rechte wieder ab. Und umgekehrt. Und wenn sich mal beide Arme so lala im | |
| Rumpf hielten, fielen sie gleichzeitig wieder raus, wenn ich die | |
| Brustplatten zärtlich und einfühlsam anbringen wollte. Ich verbrachte | |
| Stunden mit den verzweifelten und vergeblichen Versuchen, den Zombie | |
| zumindest für ein paar Sekunden wieder heile zu machen, ohne auch nur einen | |
| Schuss auf ihn abfeuern zu können. Aber es musste doch irgendwie klappen, | |
| ich hatte schließlich Geld dafür bezahlt! | |
| „Klack!“, fiel wieder ein Arm runter! In mir begann es zu brodeln. | |
| Zweiundzwanzig Euro hatte das Scheißteil gekostet! Ich fluchte und tobte: | |
| „Ich bring dich zurück ins Kaufhaus, du Versager! Du Niete! Du | |
| Schlappschwanz! Du Jammerlappen! Du Schwächling! Du Schande deiner Zunft! | |
| Los, kämpfe wie ein Zombie! Du Vergeistigter! Du Null!“ Doch nun schien | |
| Zombie zu seufzen: „Zurück ins Kaufhaus? Bitte, bitte nicht zurück ins | |
| Kaufhaus! Wer weiß, wie es mir dann ergehen wird?“ | |
| ## Gott lässt nicht mit sich handeln | |
| „Peng!“, platzte der Brustpanzer wieder ab! Ich wurde etwas bescheidener | |
| und betete zu Gott: „Wenn es mir gelingt, einen Arm und den Brustpanzer am | |
| Zombie anzubringen, dann will ich’s zufrieden sein und auf den anderen Arm | |
| verzichten.“ | |
| „Klapperdipeng!“, fiel alles wieder runter! Gott lässt nicht mit sich | |
| handeln. Eine hoffnungslose innere Leere bemächtigte sich meiner. Das hatte | |
| ja alles keinen Sinn. Doch gerade, als ich alle Hoffnung fahren lassen | |
| wollte, entdeckte ich durch eine zufällige Spielerei mit Zombies | |
| beweglichem Unterkiefer, dass mein kleiner ZombieRob, wie ich ihn | |
| inzwischen liebevoll nannte, je nach Kieferposition zu allerlei | |
| betrüblichem Mienenspiel fähig war. Das reichte von Angst und Schmerz über | |
| Enttäuschung und Frustration bis hin zu Skepsis und Desillusion. | |
| Langsam begann der kleine Kerl mir richtig gut zu gefallen. Ich befestigte | |
| seinen Brustpanzer mit Draht, die Arme mit Uhu und versorgte ihn mit | |
| Batterien. Und ich merke mittlerweile, wie gut mein Sozialverhalten | |
| geworden ist: Immer wenn ich ZombieRob mit täuschend echten | |
| Zombiebewegungen über meinen Schreibtisch schlurfen lasse, verspüre ich | |
| statt der Lust, auf ihn zu schießen, nur den Drang, ihn zu trösten. Dann | |
| sage ich: „Na, na, wer wird denn so traurig sein.“ Lernziel erreicht! | |
| Mit dem Zombieblaster schieße ich jetzt oft und gern und mit hoher | |
| Trefferquote auf einen Goldhamster, der demnächst ein Geburtstagsgeschenk | |
| zum 50. werden wird. | |
| 18 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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