| # taz.de -- Tempelhof: Das Feld ist pures Gold | |
| > Das Volksbegehren ist auch ein Zeichen gegen befürchtete | |
| > Bodenspekulationen auf dem Tempelhofer Feld. Neu wäre das nicht: Schon | |
| > einmal wurde aus der Fläche Kapital geschlagen. | |
| Bild: Pures Gold: das Tempelhofer Feld. | |
| Es geht jetzt nicht mehr um Emotionen, um den berühmten Himmel über Berlin, | |
| die Weite und um die Glaubensfrage, ob es besser ist, das Tempelhofer Feld | |
| zu bebauen oder ob es unbebaut bleiben soll. Es geht jetzt um Zahlen. Seit | |
| September 2013 hat das Bündnis „100 Prozent Tempelhofer Feld“ demonstriert | |
| und Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. 173.000 müssen bis zum | |
| heutigen Montag zusammenkommen, damit es erfolgreich ist. | |
| Es wird eng: 168.000 Stimmen waren es laut Website am Sonntag. „Unser Ziel | |
| ist es, das Tempelhofer Feld so zu erhalten, wie es ist“, sagte Felix | |
| Herzog, Vorstandsmitglied der 100-Prozent-Initiative, dieser Tage wohl zum | |
| tausendsten Mal. Die wohnungspolitischen Visionen von Bausenator Michael | |
| Müller (SPD), am Rand des Feldes drei neue Stadtteile mit halbwegs | |
| günstigen Mieten für über 12.000 Anwohner hochzuziehen, sind für die | |
| Bürgerinitiative nur eine betriebswirtschaftliche Größe: Das Feld ist pures | |
| Gold. In Tempelhof gehe es für Müller und die „Berliner Baulobby“ um bares | |
| Geld, um private Investitionen vor öffentlichen, um Bau- und | |
| Bodenspekulation. In die Hände von Bauhaien oder Grundstücksspekulanten | |
| dürften die 385 Hektar nicht fallen. | |
| ## Wiese, Erholungsgebiet | |
| Neu wäre so ein Szenarium nicht. Denn zum Thema Grundstücksspekulation, | |
| Bauskandale, besorgte Stimmen um den größten Grundstücksdeal des Deutschen | |
| Reichs steht das Tempelhofer Feld bereits in den Geschichtsbüchern. Wer die | |
| Bibliothek des Stadtmuseums in Tempelhof-Schöneberg besucht, bekommt die | |
| alten Pläne über die Entwicklung des Tempelhofer Feldes freundlich | |
| ausgebreitet. Fast doppelt so groß wie heute war die Fläche noch um 1900: | |
| Wiese, Erholungsgebiet, zum Sport und Pläsier für die Anwohner, als | |
| Exerzierplatz oder Experimentierfeld für Luftschiffer. Ein paar Jahre | |
| später war fast die Hälfte des Feldes weg. | |
| 1908 bot der preußische Militärfiskus, mehrheitlich Eigentümer des Feldes, | |
| das gesamte westliche Feldstück vom heutigen Tempelhofer Damm bis zum | |
| Eisenbahngraben zum Verkauf an. Um den Grundstückspreis für das über 150 | |
| Hektar große Areal zu steigern, warben die Militärs nicht nur mit der guten | |
| Lage nahe zur Innenstadt, sondern auch mit einem dicht gestrickten | |
| Bebauungsplan des Architekten Friedrich Gerlach. | |
| Ein zweiter Entwurf für „Neu-Tempelhof“, wie der Stadtteil entlang der | |
| heutigen Manfred-von-Richthofen-Straße über das Fliegerviertel bis zur | |
| Ringbahn genannt wurde, entstand im Jahr 1910. Die Idee von Hermann Jansen | |
| schrieb zwar die massige fünfstöckige Architektur für insgesamt 70.000 | |
| kalkulierte Bewohner fort, löste aber die enge, mietskasernenähnliche | |
| Struktur auf in bebaute und unbebaute Bereiche, einen Grüngürtel und breite | |
| Boulevards. | |
| Ein wahrer Architekturstreit am Beispiel der Tempelhofer Stadtentwicklung | |
| bestimmte damals Berlin. Jansens Entwurf für die wachsende Millionenstadt | |
| galt zwar als einer der fortschrittlichsten. Zugleich kritisierten | |
| Stadtplaner wie Werner Hegemann und Gesundheitspolitiker die | |
| Bodenspekulationen der Militärs sowie „den Mangel an sozialen und baulichen | |
| Innovationen“ bei der Planung. | |
| Am Ende regelte, wie so oft, das Geld den Plan. Berlin kam beim Kauf nicht | |
| zum Zuge. Der Militärfiskus veräußerte am 31. August 1910 das gesamte | |
| westliche Tempelhofer Feld „im größten Grundstücksgeschäft des Deutschen | |
| Reiches“ vor dem Ersten Weltkrieg für 72 Millionen Goldmark an die Gemeinde | |
| Tempelhof. Diese gründete mit der Deutschen Bank einen Verwertungsvertrag | |
| und eine Terraingesellschaft, damit die Flächen profitabel verkauft und | |
| bebaut werden konnten. | |
| Anfangs rollte der Rubel noch. Bis 1914 wurden fast 60 große private | |
| Mietshäuser realisiert – jene, die heute gegenüber dem Platz der | |
| Luftbrücke, in der Manfred-von-Richthofen-Straße und zwischen Kaiserkorso | |
| und Schulenburgring stehen. | |
| Der Erste Weltkrieg stellte eine Zäsur dar. Die weitere Bebauung wurde 1914 | |
| erst unterbrochen und ab 1918 aus wirtschaftlichen Gründen verändert. Als | |
| Tempelhof die Grundstücke für einen Bruchteil des 1910 anvisierten Erlöses | |
| ab 1919 abtrat, eröffnete dies jedoch eine Option für das neue soziale | |
| Bauen vor Ort. Nach dem Plan von Fritz Bräunig, Stadtbaurat in Tempelhof, | |
| realisierte die „Gemeinnützige Tempelhofer Heimstätten Gesellschaft“ bis | |
| 1928 1.425 Wohnhäuser; darunter viele für die bis dato bestehende | |
| „Fliegersiedlung“, die den englischen Gartenstadtmodellen entlehnt ist. | |
| Die Gewinner des Grundstücksdeals blieben das Militär und die Deutsche | |
| Bank, die Terraingesellschaften und betuchten Eigentümer von Wohnhäusern. | |
| Die öffentliche Hand – Tempelhof und später Berlin – dagegen verspekulier… | |
| sich. Noch heute ist die Fliegersiedlung eines der begehrtesten und | |
| teuersten Wohngebiete in der Berliner Innenstadt. Steht sie doch auf einem | |
| profitablen Grund – warum man sich bis heute um diesen streitet. | |
| 12 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Rolf Lautenschläger | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld | |
| Tempelhofer Feld | |
| Tempelhofer Feld | |
| Tempelhofer Feld | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar zum Volksentscheid: Die falsche Opposition hat geredet | |
| Natürlich würde die Opposition im Parlament den Volksentscheid gerne | |
| nutzen, um gegen den Senat zu agitieren. Doch daraus wird wohl nichts. | |
| Zukunft des Tempelhofer Felds in Berlin: Volksabstimmung rückt näher | |
| Eine Bürgerinitiative hat 223.000 Unterschriften gegen Wohnungen auf dem | |
| ehemaligen Flughafen gesammelt. Ein Volksentscheid wird wahrscheinlich. | |
| Volksbegehren Tempelhofer Feld: Das Feld ist fast bestellt | |
| Für den Volksentscheid gegen eine Bebauung müssen am Wochenende noch | |
| zehntausende Unterschriften gesammelt werden. Der Stadtentwicklungssenator | |
| bleibt gelassen. |