# taz.de -- DJ Alle Farben über Techno und Kuchen: „Man muss es sich nur tra… | |
> Alle Farben alias Frans Zimmer über das Glück, die Massen in Bewegung zu | |
> setzen, die Dramaturgie eines DJ-Sets und sein geplantes erstes Album. | |
Bild: Berühmt durch einen Schwanensee-Remix: Alle Farben. | |
taz: Herr Zimmer, Sie haben elektronische Musik massenkompatibel gemacht. | |
Ihre Sets sind melodiös, jeder kann dazu tanzen. | |
Frans Zimmer: Ich komme nicht aus der Techno-Ecke. Es geht um die Mischung, | |
die sich zwischen Pop und Underground bewegt. Ich sträube mich nicht davor, | |
ein bekanntes Lied zu spielen. Aber genauso spiele ich auch mal etwas, das | |
niemand kennt. | |
Pop zieht doch meistens. Wenn die Leute kaputt genug sind, dann feiern sie | |
auch Eurodance und den ganzen Trash aus den Neunzigern. | |
Klar. Und um nicht cheesy zu sein, spielst du eben nicht fünf Stücke davon, | |
sondern nur eins. Man muss sich das einfach mal trauen. Es gibt auch Leute, | |
die sagen, es wäre ein No-Go, Tschaikowsky zu remixen. Ich hab’s gemacht. | |
Der Schwanensee-Track „Danse“ machte Sie berühmt. | |
Es hat mir Spaß gemacht. Und den Leuten, die darauf getanzt haben, auch. | |
Ich verstehe diese No-Gos nicht. Viele Leute sind so szenebezogen. Warum | |
sollte ich mich selbst eingrenzen? | |
Ist es die Vielfalt der Genres, die Sie von anderen Djs unterscheiden? | |
Es war früher in der Techno-Szene nicht üblich, Konzept-Mixe zu machen. | |
Mixe mit einem Konzept dramaturgisch und inhaltlich aufzubauen, das war | |
neu. Ich suche Musik zusammen, die zusammen passt, und darüber hinaus eine | |
Geschichte erzählt. Zur gleichen Zeit ist Soundcloud groß geworden. Das war | |
der Startschuss für mich und andere, solche Mixe zu machen. Es gab eine | |
lange Zeit, in der ich [1][//soundcloud.com/allefarben:der meistgeklickte | |
und meistgesuchte Künstler auf Soundcloud] war. | |
Wissen Sie noch, wie man Vinyl auflegt? | |
Ich lege selten Platten auf. Ich kann mehr über das Digitale. Ich habe | |
trotzdem dieses Jahr zwei Festivals nur mit Platten gespielt. | |
Was macht den Reiz aus? | |
Du hast bei Platten die Musik mehr in der Hand, im wahrsten Sinne des | |
Wortes. Du kannst die Musik auf dem Medium sogar sehen. Das ist mehr eine | |
Gefühlssache. | |
Wie fühlt sich das an, als DJ Einfluss auf die Masse zu nehmen? | |
Das ist wunderschön. Das hat eine große Wirkung auf mich. Das kann aber | |
auch ganz negativ sein. Wenn ich merke, ich ziehe mit meiner Musik gerade | |
alle runter und ich bin Schuld und kann jetzt nicht so schnell wieder raus | |
aus dieser Situation. Da wird einem ganz anders. Egal, ob die zehn Tracks | |
davor nur Gold waren und großartig liefen. Egal, ob alle Leute sich gefreut | |
haben, weil du Überraschungen gespielt hast. Du spielst auf einmal diesen | |
einen Track. Und der kann total vernichtend sein. Der kann plötzlich die | |
Stimmung kaputt machen. Da muss ich mich dann zusammenreißen und mir sagen: | |
Okay, da kommst du schon wieder raus. Du suchst hastig nach dem Track, den | |
du nicht geplant hast und spielst eben den. Und wenn der dann auch nicht | |
zündet, kommst du aus dem Konzept. | |
Die Masse steuern können, ist das Schönste an Ihrem Beruf? | |
Ja, ich denke schon. Die Momente, die ich auf der Bühne habe, während ich | |
ins Publikum lächle und alle zurück lächeln. Oder wenn ein Lied gerade | |
richtig gut funktioniert hat und du hast das Gefühl, dass die Person vor | |
dir das auch gerade weiß. Wenn beide einfach nur Spaß an der Musik haben. | |
Das ist der Moment, wo du denkst: Geil, das ist es. Das macht die Momente | |
wett, die du auf dem Flughafen verbringst. | |
Reißen die Leute nicht sowieso die Arme hoch, sobald Sie den Bass | |
aufdrehen? | |
Nicht unbedingt. Wenn ich vier Lieder am Stück nur Kracher spiele, wird das | |
fünfte nicht mehr funktionieren. Um ein Hoch zu erzeugen, brauchst du | |
vorher ein Tief. | |
Sie variieren auch die Länge Ihrer Auftritte. Mal ein Kurzauftritt im Club, | |
mal eine Ihrer Sechs-Stunden-Sessions. | |
Für die sechs Stunden bereite ich mich sehr stark vor. | |
Ich müsste bei so einem Set mindestens dreimal aufs Klo. | |
Ich schwitze dabei ja auch viel, ich muss nur einmal. Aber das geht. Einen | |
Track etwas länger spielen, schnell raus und wieder zurück, alles super. | |
Was für einen Unterschied gibt es in der Dramaturgie? | |
Im Gegensatz zu einem zweistündigen Set bereite ich sehr viel vor. | |
Einerseits, weil ich Künstler auf der Bühne habe, die Liveinstrumente | |
spielen. Da muss ich schon einen vorbereiteten Weg haben. Zum anderen | |
bereite ich mich auch noch stundenweise vor. Ich habe Dramaturgien | |
innerhalb der Stunden. Dazu packe ich Ordner in Plattentaschen, habe für | |
jede Stunde eine Tasche. | |
Sie arbeiten gerade an Ihrem ersten Album? Sind das alles selbst | |
produzierte Tracks? Kennen wir schon welche davon? | |
Es wird nichts drauf sein, das schon veröffentlicht ist. Es geht weg vom | |
Club und mehr zum Wohlfühlen. Ich werde viel mit Instrumenten, mit anderen | |
Musikern arbeiten. Viel Gesang wird vorkommen. Dort, wo ich vor einem | |
halben Jahr noch hin wollte, davon bin ich schon komplett weg. | |
Ändert sich Ihr Musikgeschmack so schnell? | |
Das geht Schritt für Schritt. Bevor ich aufgelegt habe, habe ich ganz | |
andere Musik gehört. Ich komme eigentlich aus der Rock-Richtung. Als ich | |
Platten aufgelegt habe, fing das erst mit House an. Dann bin ich auf | |
digital umgestiegen und plötzlich wurden mir ganz andere Möglichkeiten | |
eröffnet, andere Musikrichtungen einzubringen. Und plötzlich dachte ich: | |
Wow, cool, ich kann alles nutzen. Dasselbe habe ich für mein Album | |
entdeckt. Ich kann viel mehr machen, als ein straightes Album mit nur einer | |
Richtung. Es wird ein Konzept-Album, aber es wird nicht nur eine Richtung | |
bedienen. | |
Ist das Produzieren eigener Tracks im Studio ein komplett neuer Job? | |
Es ist eine sehr andere Arbeitsweise, aber ich kann vom Auflegen viel | |
lernen. Ich habe zum Beispiel eine Melodie. Die richtig in Szene zu setzen, | |
darum geht es. Ich kann mir dann zum Beispiel genau vorstellen, wie ich bei | |
Sonnenaufgang auf einem Festival gerade diese eine Melodie spiele. | |
Hatten Sie auch ein konkretes Bild vom Electro Swing Open Air im Mai auf | |
dem Tempelhofer Feld, als Sie „Tempelhof“ produziert haben? | |
Ja! „Tempelhof“ wirkt so groß. Es wirkt alles so, wie ich es gefühlt habe, | |
als ich auf dem Tempelhofer Feld aufgelegt habe. | |
Ich glaube, Ihre Eltern in der ersten Reihe gesehen zu haben: Waren das die | |
Rothaarige und der Bärtige? | |
Die waren da. Das Tempelhof-Ding war total überwältigend für mich. Die | |
Melodie für den Track hatte ich direkt danach im Kopf. Ein paar Wochen | |
später bin ich damit ins Studio gegangen. Was ich letztlich herausgekitzelt | |
habe, ist genau das, was ich gefühlt habe und was ich hören muss, um mich | |
in diesen Tag hineinzuversetzen. | |
Sie haben das Hobby zum Beruf gemacht. Ist dabei etwas verloren gegangen? | |
Ja, klar. Auch, wenn ich meine Arbeit sehr mag: Das Hobby ist größtenteils | |
verschwunden. Ich würde mich nicht mehr zu Hause hinstellen und vor mich | |
hin spielen. Da habe ich immer gleich im Hinterkopf, dass ich etwas | |
produzieren muss. Oder ich denke mir, das und das würde gut an die Stelle | |
von meinem Set passen. Es hat immer einen Überhang zu meiner Arbeit. | |
Was kommt nach dem ersten Album? | |
Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es nach dem ersten Album sein | |
wird. Ich kann mir vorstellen, dass sich etwas ändern wird. Und dass ich | |
nach dem ersten Album sofort noch eins machen will. | |
Ihre Eltern meinen nicht, dass Sie besser Arzt geworden wären? | |
Meine Eltern haben nie gesagt: Mach was Vernünftiges. Aber in meinem | |
Freundeskreis kam das schon vor. | |
Vor der Musik haben Sie als Konditor gearbeitet. Dorthin können Sie | |
jederzeit wieder zurück. | |
Zum Abschalten ist das genau das Richtige für mich. Weil ich als Konditor | |
selbstständig gearbeitet habe, konnte ich mir die Zeit einteilen. Schnell | |
den Kuchen fertig machen, dann auflegen. Da gibt es schon Zusammenhänge. | |
Für Kuchen suchst du die Zutaten, für den Mix suchst du Lieder. An beides | |
gehst du auch saisonal ran. Rhabarbertorte machst du nicht im Sommer. | |
Wie hörte sich der Kuchen-Track an, den Sie im Studio produzieren würden? | |
Das wäre dann ein ganzes Kuchen-Album. Für jede Zutat ein einzelner Track. | |
15 Jan 2014 | |
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## AUTOREN | |
Philipp Brandstädter | |
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