# taz.de -- Smogalarm in Peking: Raus nur mit der Atemmaske | |
> Erneut versinkt Peking unter einer gefährlichen Feinstaubdecke. Ein | |
> Verzicht auf Kohleheizungen löst das Problem aber nicht. | |
Bild: Fotosession im Smog Pekings. | |
PEKING taz | Eine dichte Nebelwolke legt sich am Mittwochnachmittag über | |
Peking. Die Lichter der zahlreichen Wolkenkratzer sind nur noch | |
verschwommen zu erkennen. Wenig später ist der metallische Geschmack auf | |
der Zunge zu spüren, der immer dann auftritt, wenn die Smogwerte nach oben | |
gehen. | |
Beißender Schwefelgeruch dringt trotz geschlossener Fenster und Türen in | |
die Zimmer. Ein kurzer Blick auf die App, die stündlich die Luftwerte der | |
chinesischen Hauptstadt anzeigt, bestätigt die Vermutung: „Hazardous“ | |
(gefährlich) leuchtet in roten Buchstaben auf. | |
Bis zum frühen Donnerstagmorgen ist der Feinstaub-Index der US-Botschaft | |
auf 671 Mikrogramm pro Kubikmeter geklettert. Das ist 26-mal so viel wie | |
der Grenzwert, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesundheitlich für | |
bedenklich hält. Es ist das erste Mal in diesem Winter in Peking, dass die | |
Luftwerte die 500-Marke übersteigen. Normalerweise endet die Skala bei | |
dieser Zahl. | |
Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer gilt als | |
besonders gefährlich; er kann beim Atmen über die Lunge ins Blut geraten | |
und Krebs auslösen. Doch auch kurzfristig steigt bei hohen Smogwerten in | |
den Krankenhäusern die Zahl der Patienten mit Atemwegsleiden sowie | |
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sprunghaft an. | |
## Lebenserwartung um 5,5 Jahre geringer | |
Beim Pekinger Rekordsmog vor genau einem Jahr mit Spitzenwerten von über | |
800 Mikrogramm pro Kubikmeter sind Schätzungen zufolge allein in Peking | |
mehrere Tausend Menschen unmittelbar an den Folgen des Smogs gestorben. | |
Offizielle Opferzahlen haben die Behörden bis heute nicht herausgegeben. | |
Langzeitstudien internationaler Forscher haben ergeben, dass die hohe | |
Luftverschmutzung in Nordchina die Lebenserwartung im Schnitt um 5,5 Jahre | |
senkt. | |
Trotz der hohen Werte am Donnerstagmorgen riefen die Behörden lediglich die | |
zweithöchste Alarmstufe aus. Viele Pekinger zeigten sich dennoch besorgt: | |
„Ich habe meine Tochter nicht zur Schule geschickt“, sagt die 31-jährige | |
Hai Ling. Taxifahrer berichten von massiven Umsatzeinbußen, weil sich die | |
Menschen nicht mehr auf die Straße trauten. Wer es dennoch tat, trug eine | |
Atemmaske. | |
Dabei geht die chinesische Führung inzwischen sehr viel energischer gegen | |
das Smogproblem vor als vor einem Jahr. Im Januar 2013 versuchten die | |
Behörden noch, die hohen Feinstaubwerte herunterzuspielen. Inzwischen hat | |
Chinas Premierminister Li Keqiang die Regierungen der besonders stark | |
betroffenen Städte und Provinzen angewiesen, den Ausstoß von Schadstoffen | |
drastisch zu drosseln. | |
## Kohlebetriebene Kessel ersetzen | |
Pekings Bürgermeister hat erst vor wenigen Wochen angekündigt, den | |
Kohleverbrauch, der neben dem steigenden Autoverkehr als wichtigste Ursache | |
für den Smog gilt, in diesem Jahr um 2,6 Millionen Tonnen zu reduzieren. | |
Unter anderem sollen im Stadtgebiet alle kohlebetriebenen Kessel ersetzt | |
werden. | |
„Das wird bei Weitem nicht reichen“, meint jedoch Tom Miller, Analyst beim | |
privaten Forschungsinstitut Dragonomics. Das Problem sei die | |
Schwerindustrie. So werde allein in Pekings Nachbarprovinz Hebei mehr Stahl | |
produziert als in der gesamten EU, sagte Miller – überwiegend in veralteten | |
Hütten, die extrem hohe Emissionen hätten. Solange diese nicht abgeschaltet | |
würden, bleibe das Smogproblem erhalten. | |
Die Provinzregierung von Hebei wies in einer Erklärung am Donnerstag darauf | |
hin, dass 2013 bereits mehr als 8.000 Werke geschlossen wurden. Aus diesem | |
Grund sei der Smogwert in diesem Jahr nicht auf 800, sondern „nur“ auf 600 | |
Mikrogramm gestiegen. | |
16 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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