| # taz.de -- Fressmesse im Check: Durch die Currywurstbudenschleuse | |
| > Pflaumenschnaps-Shot und dänisches Blasorchester: Wie erlebt man die | |
| > Grüne Woche in Berlin beim ersten Besuch? | |
| Bild: Auch die Kuh ist gierig - bei der „Grünen Woche“ kann man sehen, wie… | |
| Laute Musik dröhnt mir entgegen. Die Halle ist voller drängelnder Menschen, | |
| überall Fress- und Schnapsbuden. Klingt nach Rockkonzert, ist aber die | |
| weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. | |
| Beim Weg zur Grünen Woche habe ich mich gefragt, weshalb so viele Leute vor | |
| den Messehallen Schlange stehen und 13 Euro für eine Eintrittskarte | |
| ausgeben. Ob sich die blondierte, stark geschminkte Frau mit hohen Hacken | |
| für nachhaltige Agrarproduktion interessiert? Kaum bin ich drin, werde ich | |
| eines Besseren belehrt. | |
| In der riesigen Halle reiht sich ein Essensstand an den nächsten. Aus | |
| praktisch jedem Land, von Nepal bis Neuseeland, gibt es typische Speisen | |
| und, offenbar ein absolutes Muss, alkoholische Getränke. Die Massen, die | |
| sich durch die Gänge schieben, werden von seriös gekleideten Männern und | |
| Frauen abgefangen und mit Gratishäppchen an den Verkaufsstand gelockt. | |
| Leider – oder zum Glück – macht es das dänische Blasorchester unmöglich, | |
| den Verkaufsmonolog zu verstehen. | |
| International ist die Ernährung, ökologisch eher nicht. Kaum habe ich mich | |
| durch den ersten Saal gequetscht, gelange ich durch eine Art | |
| Currywurstbudenschleuse in den nächsten. Auf der Suche nach etwas, das mit | |
| meinem Begriff von „grüner Landwirtschaft“ zusammenpasst, finde ich einen | |
| Milchstand. Ohne Gentechnik, ein Glas gibt’s für 50 Cent. „Finden Sie, es | |
| schmeckt nach H-Milch?“ – „Ja, schon.“ „Es schmeckt deshalb überhaup… | |
| nach H-Milch, weil wir ein anderes Verfahren benutzen, ein besseres.“ | |
| ## Menschentrauben um Gratishäppchen | |
| So schlau wie zuvor kämpfe ich mich weiter. Ein Shot Pflaumenschnaps für | |
| einen Euro stellt sich mir in den Weg, ich lehne dankend ab. „Dit kostet ja | |
| allet!“, empört sich derweil eine mollige Mittfünfzigerin, „früher waret | |
| gratis.“ Ja, es kostet, sich den Bauch vollzuschlagen. Diese Maßnahme | |
| ergriff die Grüne Woche schon vor Jahren, um ihr Image als „Fressmesse“ | |
| loszuwerden. Nur einsehen will das keiner: Die Orte, wo es dann doch mal | |
| Gratishäppchen gibt, erkennt man an großen Menschentrauben. | |
| Ganz am Ende stolpere ich in einen Raum, der sich von den vorigen 20 | |
| unterscheidet. Er ist leer, nur ein paar tuschelnde Menschen stehen | |
| interessiert vor Plakaten. Hier werden innovative Methoden der | |
| umweltschonenden Landwirtschaft und biologisch arbeitende Höfe vorgestellt. | |
| Die einzig größere Menschenansammlung findet man bei den Kühen. Es sollen | |
| glückliche sein. Rund zwanzig Tiere stehen herum, manch einer versucht sie | |
| zu streicheln und schafft es auch – zum Zurückweichen ist hier schließlich | |
| kein Platz. Vielleicht lauschen die Kühe aber auch andächtig den | |
| Schlagerhits, mit denen die beiden gelangweilt schauenden Coversänger in | |
| der Nachbarhalle die angetrunkenen Häppchensucher unterhalten. | |
| 20 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Schneider | |
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