# taz.de -- Mülldiebstahl in Großbritannien: Für verdorbene Tomaten angeklagt | |
> Es ging um weggeworfene Kekse und Gemüse für 40 Euro: Dafür sollten drei | |
> Männer in England vor Gericht gebracht werden. Bis der Supermarkt-Chef | |
> half. | |
Bild: Zank-Tomate – obwohl sich nur die Staatsanwaltschaft aufgeregte. | |
DUBLIN taz | Die britische Staatsanwaltschaft hat die Anklage gegen drei | |
Männer wegen Mülldiebstahls in letzter Minute fallengelassen. Paul May, | |
Jason Chan and William James waren im Oktober vergangenen Jahres verhaftet | |
worden, nachdem sie über die Mauer des Iceland-Supermarktes im | |
Nord-Londoner Stadtteil Kentish Town geklettert und Nahrungsmittel aus der | |
Mülltonne genommen hatten. | |
Ein Anwohner hatte die Polizei verständigt. Die stellte eine Tasche mit | |
Tomaten, Käse, Champignons und Keksen im Verkaufswert von 33 Pfund (rund 40 | |
Euro) sicher. Einen Verkaufswert hatten die Waren nicht mehr, sie waren ja | |
weggeworfen worden. Die Beamten brachten die Lebensmittel dennoch am | |
nächsten Tag zurück in die Iceland-Filiale, wo sie wieder in die Mülltonne | |
wanderte. Die drei Männer wurden 19 Stunden in einer Zelle auf dem | |
Polizeirevier festgehalten. | |
Das Verfahren sollte am Montag vor dem Amtsgericht in Highbury beginnen, | |
nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage unter dem kaum noch angewandten | |
Paragrafen 4 des Gesetzes gegen Landstreicherei von 1824 erhoben hatte. Sie | |
argumentierte, dass „bedeutendes öffentliches Interesse“ an einer | |
Strafverfolgung bestehe. | |
In Wirklichkeit hatte nicht mal Iceland Interesse daran. Der | |
Geschäftsführer der Supermarktkette, Malcolm Walker, sagte, Iceland habe | |
weder die Polizei gerufen, noch die Strafverfolgung der drei Männer | |
verlangt. Er habe von dem Fall erst in der Zeitung gelesen. Aufgrund der | |
Intervention des Iceland-Geschäftsführers sah sich die Staatsanwaltschaft | |
gezwungen, den Fall einzustellen. „Bin erfreut, dass die Staatsanwaltschaft | |
eingewilligt hat, die Kentish-Town-Anklage fallenzulassen“, [1][twitterte | |
Walker] am Donnerstag. | |
## 28.500 Tonnen Lebensmittel entsorgt | |
Es war nicht der erste Fall dieser Art. 2012 wurde Sasha Hall aus Essex | |
wegen Hehlerei angeklagt, nachdem ihr ein Freund eine Tüte mit | |
Lebensmitteln gegeben hatte, die von einem Supermarkt nach einem | |
Stromausfall weggeworfen worden war. Hall kam mit einer Verwarnung des | |
Gerichts davon. | |
Das Phänomen des „skipping“ – das Wort „skip“ bezeichnet einen | |
Müllcontainer – ist nicht nur in Großbritannien weit verbreitet. Im ersten | |
Halbjahr 2013 hat alleine die Supermarktkette Tesco in Großbritannien | |
28.500 Tonnen Lebensmittel entsorgt. Sechs weitere Supermärkte willigten am | |
Mittwoch ein, regelmäßig Statistiken über ihren Ausschuss zu | |
veröffentlichen. | |
Tristram Stuart, der Autor eines Buches über Lebensmittelverschwendung und | |
Gründer der Organisation „Feeding the 5000“ sagt: „Lebensmittel aus | |
Mülleimer zu nehmen, ist eine Demonstration gegen die Ungerechtigkeit, dass | |
wir ein Drittel der Nahrungsmittel dieser Welt wegschmeißen, während eine | |
Milliarde Menschen hungert.“ Für die meisten sei „skipping“ jedoch keine | |
moralische Frage, sondern eine Sache der Notwendigkeit, weil sie sich die | |
Lebensmittel nicht leisten können, so Stuart. | |
30 Jan 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/MalcolmCWalker | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Großbritannien | |
Lebensmittel | |
Müll | |
Anklage | |
Lebensmittel | |
Tesco | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kennzeichnung von Lebensmitteln: Abgelaufen? Da geht noch was | |
Kaum ist der Kaffee übers Datum, kommt er in die Tonne. Reine | |
Verschwendung, sagen einige EU-Länder und wollen den Aufdruck von Nudeln, | |
Reis und Co verbannen. | |
Scanningpläne der Supermarktkette Tesco: Die spinnen, die Briten | |
Der Einzelhandelskonzern Tesco installiert Kameras an seinen Kassen. Damit | |
soll das Gesicht des Kunden erfasst und passende Werbung gezeigt werden. |