# taz.de -- Präsident des Bundesgerichtshofs: Verbitterter Abschied | |
> Klaus Tolksdorf war die Idealbesetzung als BGH-Präsident. Doch dann wagte | |
> er den Konflikt mit Starrichter Thomas Fischer. | |
Bild: Mit seinen weißen Haaren und dem feinen Humor strahlt er Würde aus: Kla… | |
BERLIN taz | Klaus Tolksdorf ist ein großer liberaler Jurist. An diesem | |
Freitag endet die Amtszeit des 65-Jährigen als Präsident des | |
Bundesgerichtshofs (BGH). Tolksdorfs Ära war allerdings überschattet von | |
einem unerbittlichen Konflikt um die Beförderung von Starrichter Thomas | |
Fischer. | |
Tolksdorf wurde 2008 von der Großen Koalition zum BGH-Präsidenten gemacht. | |
Zuvor hatte er sich schon einen exzellenten Ruf als liberaler Strafrichter | |
erworben. 2004 sagte er, das Vorgehen gegen den Terrorismus dürfe „kein | |
wilder ungeregelter Krieg sein“, als sein Strafsenat die Verurteilung eines | |
mutmaßlichen islamistischen Terrorhelfers aufhob. 2007 stoppte Tolksdorfs | |
Senat die Onlinedurchsuchung von Computern, weil es dafür keine | |
Rechtsgrundlage gab. | |
Als Präsident schien er die Idealbesetzung. Mit seinen weißen Haaren und | |
dem feinen Humor strahlte er Würde aus. Er vertrat dezidiert | |
rechtsstaatliche Positionen, etwa zur Mäßigung bei der | |
Sicherungsverwahrung. Vor allem kümmerte er sich an dem Karlsruher Gericht | |
mit knapp 130 Richtern engagiert um die internen Abläufe und beendete das | |
freundliche Laissez-faire seines Vorgängers Günter Hirsch. Alles deutete | |
auf eine erfolgreiche Präsidentschaft hin. | |
Dann aber kam der Konflikt mit Thomas Fischer, auch er ein großer Liberaler | |
am BGH. Fischer schreibt den führenden Kommentar zum Strafgesetzbuch, ist | |
ein scharfzüngiger Essayist und gefragter Vortragsredner. Es war abzusehen, | |
dass er bald Vorsitzender des 2. Strafsenats werden würde. Doch dann fiel | |
Tolksdorf auf, dass binnen kurzer Zeit drei RichterInnen den 2. Strafsenat | |
verlassen hatten. Auch, weil Fischer zu dominant agiere. Tolksdorf stufte | |
deshalb die Beurteilung Fischers um eine Note herab. Die damalige | |
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beförderte | |
daraufhin einen anderen. | |
## Fischer kämpfte wie ein Kohlhaas | |
Fischer fühlte sich ungerecht behandelt und klagte gegen Tolksdorfs | |
Beurteilung, mit Erfolg. Die Herabstufung sei mangelhaft begründet, | |
entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Fischer spitzte die Situation | |
zu und bewarb sich auch um einen anderen Vorsitz, der nun ebenfalls nicht | |
besetzt werden konnte. Bald waren drei von fünf BGH-Strafsenaten ohne | |
Vorsitz. Manche Vorsitzende mussten deshalb zwei Senate betreuen, was | |
Fischer und andere BGH-Richter aber für unzulässig hielten. Es kam deshalb | |
zu Verfassungsbeschwerden von Anwälten, die aber abgelehnt wurden. | |
Später verklagten Fischer und ein Kollege Tolksdorf vor dem | |
Richterdienstgericht, weil Tolksdorf die Abweichler unter Druck gesetzt | |
haben soll. Zwar wurde auch diese Klage abgelehnt, aber der BGH drohte im | |
Chaos zu versinken. Fischer kämpfte wie ein Kohlhaas um seine Beförderung. | |
Tolksdorf musste bei jeder Aktivität mit neuen Klagen Fischers rechnen. | |
Tief getroffen hat Tolksdorf, dass sich manche Medien – auch von Fischer | |
gefüttert – ganz einseitig gegen ihn stellten. Im Spiegel erschien ein | |
vernichtendes Porträt, in dem ihm Kontrollsucht und Günstlingswirtschaft | |
vorgeworfen wurden. Das Chaos am BGH wurde Tolksdorf angelastet, nicht | |
Fischer. Von Tolksdorf wurde Nachgiebigkeit erwartet, nicht von Fischer. | |
## Gerupft und verbittert | |
Am Ende bekam Fischer, was er wollte, den Vorsitz im 2. Strafsenat. | |
Leutheusser-Schnarrenberger hatte ihn dann doch ernannt und die noch | |
anhängigen Rechtsstreitigkeiten beendet. Der BGH konnte wieder normal | |
arbeiten. Aber Klaus Tolksdorf scheidet jetzt ziemlich gerupft und | |
verbittert aus dem Amt. Viele BGH-Richter halten seine Amtszeit für | |
tragisch. | |
Als NachfolgerIn wird nun eine von dem Streit unbelastete | |
Richterpersönlichkeit gesucht. Erstmals könnte eine Frau dem | |
Bundesgerichtshof vorstehen. | |
31 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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