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# taz.de -- Missbrauchsvorwurf gegen Woody Allen: Nichts sehen, nichts sagen
> Nicht nur Hollywood ist verkommen. Wir alle sind es. Denn über sexuelle
> Gewalt echauffiert man sich nur, solange sie ein Problem anderer ist.
Bild: War er’s, oder war er’s nicht? Woody Allen hat den Missbrauch dementi…
In einem [1][offenen Brief], der am Wochenende auf der Website der New York
Times erschien, beschreibt Dylan Farrow, wie sie als Kind sexuelle Gewalt
erlebte. Im Jahr 1992, als sie sieben Jahre alt war, habe ihr Vater sie in
eine Kammer geführt und ihr bedeutet, sich auf den Bauch zu legen. Sie
sollte mit der elektrischen Eisenbahn ihres Bruders spielen. „Dann hat er
mich sexuell missbraucht.“
Dylan Farrow ist die Adoptivtochter der Schauspielerin Mia Farrow und des
Regisseurs Woody Allen. Deren langjährige Beziehung ging 1993 vor den Augen
der Öffentlichkeit in die Brüche. Damals äußerte Mia Farrow den Vorwurf,
Allen habe Dylan Farrow missbraucht. Der Filmemacher stritt dies ab, vor
Gericht musste er sich nicht verantworten. Ein Staatsanwalt in Connecticut
ließ die Ermittlungen fallen, weil er Dylan Farrow schonen wollte. Das
alleinige Sorgerecht für Dylan Farrow ging an Mia Farrow.
Allen hat die Vorwürfe am Sonntag erneut dementiert. Aussage steht gegen
Aussage, Beweise sind nicht zur Hand. Es besteht die Möglichkeit, dass
Allen die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, Dylan Farrow habe zwischen
Wirklichkeit und Fantasie nicht unterscheiden können und Mia Farrow habe
der Tochter damals etwas eingeredet.
Angesichts des Detailreichtums von Dylan Farrows Erinnerung scheint es
wahrscheinlicher, dass er lügt. Doch mit Sicherheit lässt sich das nicht
herausfinden, schon gar nicht aus der Ferne eines Berliner Büros. Auf
dieser Grundlage kann man niemanden verurteilen und ins Gefängnis bringen –
so schmerzhaft das sein mag.
## Frage nach sozialer Anerkennung
Das ist das eine. Das andere ist die Frage nach der sozialen Anerkennung.
Woody Allen hat kürzliche einen Golden Globe für sein Lebenswerk erhalten,
sein jüngster Film „Blue Jasmine“ ist in drei Kategorien für den Oscar
nominiert. Dylan Farrow schreibt: „Lange Zeit hat mich die Anerkennung für
Woody Allen verstummen lassen. Sie fühlte sich wie eine persönliche
Zurechtweisung an, als wären die Auszeichnungen ein Weg, mir zu bedeuten,
still zu sein und zu verschwinden.“
Sie wendet sich direkt an Filmschaffende, mit denen Allen gearbeitet hat:
„Was, wenn es Ihr Kind gewesen wäre, Cate Blanchett? Louis CK? Alec
Baldwin? Was, wenn Sie es gewesen wären, Emma Stone, oder Sie, Scarlett
Johansson? Sie kannten mich, als ich ein kleines Kind war, Diane Keaton.
Haben Sie mich vergessen?“
Über sexuelle Gewalt echauffiert man sich in der Öffentlichkeit gern,
solange man sie für ein Problem anderer hält. Sobald sie in die eigene Nähe
rückt, greifen die Mechanismen des Nichtwahrnehmens plötzlich frappierend
gut. Leichtfertig wird bezweifelt, was ein Opfer berichtet. Das gilt nicht
nur im Showbusiness. Vieles von dem, was in der Odenwaldschule geschah,
wurde 1999 in der Frankfurter Rundschau publik gemacht. Erst Jahre später
wurde es wirklich zur Kenntnis genommen.
## Problem der Nichtwahrnehmung
Wenn also Filmschaffende die Anwürfe gegen Allen verdrängen, ist es nicht
ihr Metier, das sie zu besonders unsensiblen oder gar verworfenen Menschen
macht. In Wirklichkeit ist die Nichtwahrnehmung ein dem Missbrauch
inhärentes Problem.
Er ist zu monströs, als dass man damit umgehen könnte. Deswegen ist es eine
naheliegende Reaktion, so zu tun, als hätte man das, was ein Opfer
berichtet, nicht gehört. Das tun nicht nur die Golden-Globe-Juroren, das
tun auch Großmütter, Brüder und Schwestern, Mütter und Väter, weil sie sich
nicht vorstellen können und wollen, dass so etwas in ihrer Familie, in
ihrer Kirche, in ihrem Sportverein, in ihrer Schule geschieht.
Diese Sätze sind nicht als Entschuldigung gedacht oder als Ausdruck von
Verständnis. Eher als Hinweis darauf, wie sehr es in die Irre führt zu
glauben, man könne dieses Thema kontrollieren. Nichts ist erreicht, wenn
man sich nun fragt, ob man noch Filme von Woody Allen gucken darf. Wer
meint, er sei ein besserer Mensch, weil er auf „Manhattan“ oder „Der
Stadtneurotiker“ verzichtet, macht es sich leicht.
Ungleich schwieriger ist es anzuerkennen, dass einen die Geschichte, die
Dylan Farrow auf der Website der New York Times vorträgt, traurig und
ratlos macht. Wenn man daraus überhaupt einen Schluss ziehen möchte, dann
vielleicht den, die eigene Fähigkeit zur Empathie besser auszubilden.
3 Feb 2014
## LINKS
[1] http://kristof.blogs.nytimes.com/2014/02/01/an-open-letter-from-dylan-farro…
## AUTOREN
Cristina Nord
## TAGS
sexueller Missbrauch
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Woody Allen
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Woody Allen
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