Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sprache und Rassismus: Das Wort, das man nicht sagen darf
> Marius Jung denkt, man darf über alles lachen. In seinem Buch nimmt er
> sich der sogenannten N-Wort-Debatte an und plaudert aus dem Nähkästchen.
Bild: Marius Jung, Jahrgang 1965, Besatzungskind, spricht richtig gut Deutsch
Was darf man denn nun eigentlich sagen – Schwarze, N****, Farbige,
Afrodeutsche oder People of Color? Nach der Debatte im vergangenen Jahr
sind das Wörter, bei denen viele sofort empört nach Luft schnappen. Marius
Jung verwendet sie trotzdem. Sogar mehrmals. Er singt auch „Zehn kleine
N****lein“ und verteilt „N****küsse“. Ein Rebell könnte man meinen, aber
darum geht es nicht.
Im Kookaburra Comedy-Club in Berlin präsentierte er am Montag sein Buch
„Singen können die alle – Handbuch für N****freunde“, er kündigt es als
Standardwerk für Sprachverwirrte an.
Sein Ziel ist nicht zu beleidigen – auf seinem T-Shirt steht „N**** sagt
man nicht“, für alle, die es nicht gleich verstehen. Marius Jung macht sich
lustig über die Tabuisierung von Sprache, die dem alltäglichen Rassismus
keinerlei Abbruch tut. Ihm geht es darum was hinter den Wörtern steckt, um
die Intention.
Rassismus kann viele Wege gehen und kommt auch ganz gut ohne den Begriff
aus, das wird aus seinen zum Teil autobiografischen Erzählungen klar.
## Meine Haare gehören nur mir
Die älteren Frauen in einem Krankenhauszimmer etwa, die den Kölner
anstarren und nur langsam und ungewöhnlich laut mit ihm sprechen, als er
eine Freundin besuchen will. Menschen, die bei seinem Anblick ihre
Wertgegenstände in Sicherheit bringen oder ihm ungefragt die Haare
wuscheln, um sich gleich darauf mit einem grinsenden „Die musste ich
einfach mal anfassen“ zu rechtfertigen.
Das anwesende Publikum lässt sich in keine Zielgruppe einordnen. Einige
dürften Marius Jung aber schon länger kennen, sie lachen besonders laut, an
so ziemlich allen Stellen. Jung liest auf der kleinen Bühne aus seinem
Buch, zwischendurch singt er, von seinem Gitarristen Till Kersting
begleitet, erwartbare Lieder wie „Ebony and Ivory“, „Black or White“ und
eben „Zehn kleine N****lein“. Und ja, er kann tatsächlich singen.
Die Frage ob man darüber wirklich lachen darf, hängt trotzdem deutlich im
Raum. Die Zurückhaltung schadet wahrscheinlich nicht, denn sein Versuch die
Debatte auf eine andere Weise zu führen, könnte auch in einen
pseudoautorisierten Rassismus nach dem Motto „Ich kenn' da einen, der sagt
auch N****“ ausarten.
## Jesus war zumindest südländisch
Etwas ernster wird Marius Jung nur kurz, als es um Kinderbücher geht. Man
könne das Wort überspringen, bei angemessenem Alter erklären oder das Buch
wechseln. Die Tabuisierung des Wortes würde bei Kindern aber wenig Sinn
machen, denn spätestens im Internet wären sie sowieso damit konfrontiert.
Im Grunde ist sein Buch ein sehr einfach aufbereiteter Appell mehr über
Konflikte zu sprechen. Die Lesung besteht aber größtenteils aus Anekdoten
und auch platten Witzen, richtig politisch wird es nicht. Die Erzählungen
über ihm grundlos angedichtete Eigenschaften wie Gesangs- oder Tanztalent
und fehlerhafte kulturelle Zuordnungen kommen beim Publikum gut an.
Er spielt mit der Ignoranz, die ihm begegnet, egal ob er von seinem
Gegenüber nun zu Täter oder Opfer gemacht wird. Als Jung aber sagt, dass
Jesus wohl ein Schwarzer oder zumindest ein südländischer Typ gewesen sein
muss, ist Schluss mit lustig. Es bleibt still im Kookaburra. Das kümmert
ihn aber kein bisschen, schließlich geht es ihm genau um diese Grenzen.
In einer früheren Version dieses Textes wurde das N-Wort ausgeschrieben.
18 Feb 2014
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Sprache
Schwerpunkt Rassismus
Fasching
Anti-Rassismus
Otfried Preußler
Otfried Preußler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwarze Initiativen in Europa: Vereint gegen „Afrophobie“
Schwarze Initiativen aus Europa haben sich in Berlin getroffen. Ihr Ziel:
eine stärkere Vernetzung, um mehr Gehör in Politik und Medien zu finden.
Rassistische Klischees im Karneval: Afro-Tucken und Zigeuner-Huren
Cowboys, Prinzessinnen und Clowns sind die Klassiker der Karnevals-Kostüme.
Einige Verkleidungen überschreiten aber die Geschmacksgrenze.
Debatte antirassistische Sprache: Infantile Sprachmagie
Migrationsvordergründler oder Mehrheimischer? Sprache kann therapeuthisch
gefärbt werden, aber die richtige Sprache gegen Rassismus gibt es nicht.
Die Wahrheit: Das elende N-Wort
Blasig, aufgebläht und inhaltsleer: Die nichtsnutzige Nachhaltigkeit und
ihre immerhin 300 Jahre lange Geschichte – beginnend im Forst.
Kolumne Besser: Liebe N-Wörter, ihr habt 'nen Knall
Wie eine Veranstaltung zum Thema Diskriminierung und Sprache eskaliert und
mit inquisitorischem Furor Politik durch Moralisierung ersetzt wird.
Verbale Diskriminierung: Krach um das N-Wort
Niemand verbietet Deniz Yücel das Wort. Wirklich niemand? Der Streit um
modernisierte Sprache eskaliert auf einem taz.lab-Panel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.