Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Projektraum Museum Wiesbaden: Kunsthistorische Bilderflut
> Philipp Goldbach, Fotograf und Konzeptkünstler aus Köln, hat 200.000
> Bilder in seine Ausstellung mitgebracht – zu sehen sind sie in Wiesbaden.
Bild: Installationsansicht von Philipp Goldbach, Read Only Memory, im Projektra…
Es kommt wohl nicht all zu häufig vor, dass ein Museum die Werkschau eines
Künstlers plant und dieser für seine Ausstellung 200.000 Bilder mitbringt.
Philipp Goldbach, Fotograf und Konzeptkünstler aus Köln, war so frei. Im
Projektraum des Museums Wiesbadens zeigt er gegenwärtig sämtliche Bilder
seiner persönlichen Fotosammlung, die wohl größte, die sich zur Zeit in
privater Hand befinden dürfte. Zugegeben: Goldbachs Sammlung ist etwas in
die Jahre gekommen.
Und auch durch äußere Vielfalt kann sie nicht recht bestechen. Wett macht
sie dies jedoch allemal durch künstlerischen Reichtum. Vor wenigen Monaten
erst ist die Diasammlung des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu
Köln in den Besitz des Künstlers übergegangen. Und Goldbach zeigt ihren
Inhalt nun auf einen Schlag und in einem einzigen Saal her: ausgeschüttet
auf dem Boden des Museums. Es ist ein unüberschaubares Meer aus lauter
kleinen Bilderrahmen.
Nur wenig Phantasie ist nötig, um sich die Bauchschmerzen all jener
Mitarbeiter vorzustellen, die über Jahrzehnte hinweg zum Aufbau dieser
Diathek beigetragen haben. Denn unmöglich lassen sich die Stunden zählen,
die dafür nötig waren, an die 200.000 Diapositive zu belichten, zu rahmen,
zu beschriften und in die Archivschränke einzusortieren. Vom finanziellen
Wert, den die Kölner Uni hier im Lauf der Zeit investierte, einmal ganz zu
schweigen.
Und doch verloren Fotosammlungen wie diese vor wenigen Jahren erst beinahe
auf einen Schlag ihren Wert. Einerlei an welchem Kunsthistorischen
Institut: Im Zeitalter von Powerpoint-Präsentation und Beamern an der
Hörsaal-Decke benötigt sie ganz einfach niemand mehr. Längst ist das Summen
und Klacken der Diaprojektoren gründlich verstummt.
## Diasammlung dem Künstler überlassen
Genau besehen handelte das Kölner Institut überaus klug, als es seine außer
Kurs geratene Diasammlung dem Künstler überlies. Andernorts sind solche
nutzlos gewordenen Arbeitsinstrumente entweder in staubigen Kellerräumen
beerdigt worden, oder aber man war gleich konsequent genug und hat sie
kurzerhand weggeworfen.
Mit dem „Tod der Fotografie“, von dem noch vor wenigen Jahren immer wieder
die Rede war, ist nicht, wie wir inzwischen wissen, das fotografische
Bildmedium als solches an ein Ende gelangt, sehr wohl aber ihre analoge
Erscheinungsform. Daher sind die Plastikrähmchen der Kleinbild-Dias
inzwischen kaum mehr als ein Gegenstand nostalgischer Erinnerung und
zugleich ein Hinweis auf jene Zeit, als kunsthistorische Vorträge
unvermeidlich mit der Aufforderung begannen, die Fenster zu verdunkeln.
Goldbachs Redaktion der Kölner Sammlung ist eine drastische Befreiungstat.
Doch erschöpft sich jener „Sturm“, den der Künstler im Titel seiner
Installation anspricht, nicht in seinem unverkennbar bilderstürmischen
Umgang mit diesem Archiv. Was im einfallenden Sonnenlicht wie eine
gefrorene Wasserfläche glitzert, das entfaltet bei näherem Hinsehen eine
überwältigende Wirkung.
Ohne erkennbare Ordnung liegt hier im Einheitsformat von 35 Millimetern all
das neben-, über- und durcheinander, was über Jahrzehnte hinweg in den
Kölner Seminaren und Vorlesungen zur Kunstgeschichte eine Rolle gespielt
hat. Tritt man nur nahe genug heran, so lassen sich die Beschriftungen
dieser Dias mühelos entziffern. Mittelalterliche Buchmalerei findet sich
hier genauso wie moderne Architektur, Rembrandts Radierungen liegen
einträchtig neben Monets Seerosen.
## 200 000 Bilder sind inzwischen eine fast lächerliche Größe
Gewiss sind 200.000 Bilder im Zeitalter digitaler Fotografie eine fast
lächerliche Größe und können eigentlich vernachlässigt werden. Im Internet
wird eine solche Zahl fortlaufend und innerhalb von nur wenigen Stunden
hochgeladen. Doch lässt sich nur schwer ein Sinn für die Kraft des hierbei
aufziehenden Bildersturms gewinnen. Denn virtuell sind unterdessen nicht
allein die Bilder selbst.
Auch ihr Gehäuse, die Datenbanken, sind von kaum mehr als oberflächlicher
Präsenz. So mühelos verfügbar die unendlichen vielen Bilder in Form
digitaler Online-Fotografien geworden sind, zuletzt sind sie dennoch kaum
mehr als ein flüchtig vorbeiziehender Bilderstrom.
Demgegenüber macht Goldbach mit unverkennbar pathetischer Geste darauf
aufmerksam, was es heißen kann, allen Bildern auf einmal gegenüberzustehen.
In ruinöser Unordnung findet sich hier ein ganzes Archiv auf einmal
ausgestülpt. Erst in dieser formlos gewordenen Erscheinung verweist es
jedoch auf das große Ganze der Kunstgeschichte. Und schneller noch als im
größten Museum sieht man hier sehr schnell das einzelne Werk vor lauter
Bildern nicht mehr.
Vielleicht dreißig Schritte wird man brauchen, um diesen Berg aus lauter
Bildern und damit ein physisch gewordenes Bildgedächtnis einmal zu
umrunden. Und eingekreist hat man dabei wenigstens doch im übertragenen
Sinn kaum weniger als die Überlieferung der Kunstgeschichte.
26 Feb 2014
## AUTOREN
Steffen Siegel
## TAGS
Fotografie
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kunstfestival in Berlin: Raum für Zweckfreiheit
Als Institute für alles Mögliche sind sie Laboratorien der Kunst: Beim
Project Space Festival stellen sich im August viele spannende Berliner
Projekträume vor.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.