# taz.de -- Krise in der Ukraine: Moskau lässt die Muskeln spielen | |
> Schwer bewaffnete Kämpfer patrouillieren auf der Krim. Mit der Situation | |
> muss sich nun der UN-Sicherheitsrat in einer Sondersitzung beschäftigen. | |
Bild: Ohne Hoheitszeichen: Bewaffnete Kämpfer postierten sich am Flughafen von… | |
SIMFEROPOL/NEW YORK taz/dpa | Die Spannungen auf der Krim nehmen weiter zu. | |
Auf den Straßen von Simferopol dominierten am Freitag zwei wüste Szenarien | |
die Gespräche. Zum einen wurde ein Angriff Russlands erwartet, zum anderen | |
glaubte man an den baldigen Einfall von bewaffneten Anhängern des Umsturzes | |
aus dem Westen der Ukraine. Doch ganz gleich, welchen Gerüchten man anhängt | |
– es gibt etwas, das alle Bewohner der Krim eint: die Informationsnot. | |
Keiner weiß so recht, was im Land wirklich passiert. | |
Der UN-Sicherheitsrat will sich noch am Freitag bei einer kurzfristig | |
einberufenen Sondersitzung mit der Krise in der Ukraine befassen. Die | |
Ukraine hatte die Sitzung beantragt. Moskau bestätigte, dass gepanzerte | |
Fahrzeuge seiner Schwarzmeerflotte in der Krim-Region unterwegs seien und | |
verwies dabei auf Sicherheitsgründe. | |
Kremlchef Wladimir Putin hat angesichts der Lage auf der Krim dazu | |
aufgerufen, eine weitere Eskalation der Situation im Nachbarland zu | |
vermeiden. Bei Telefonaten mit westlichen Staatenlenkern wie | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel habe der russische Präsident betont, dies | |
besitze absolute Priorität, teilte der Kreml in Moskau am Freitag mit. | |
Merkel habe ihre Sorge wegen einer möglichen Destabilisierung des Landes | |
geäußert, wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte. Es | |
gelte, jeden Schritt zu vermeiden, der zu einer Eskalation beitragen | |
könnte. Auch mit Blick auf die Krim warb sie um Zurückhaltung. | |
Zudem sollten Angebote, die internationale Organisationen zur Lösung von | |
Streitfragen und zur Intensivierung des Dialogs unterbreitet hätten, | |
genutzt werden. US-Außenminister John Kerry erklärte, sein russischer | |
Kollege Sergej Lawrow habe ihm bei einem Telefonat versichert, dass | |
Russland die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine | |
respektieren wolle. | |
Am Freitag hatten bewaffnete Kräfte in Uniform, allerdings ohne Rang- und | |
Hoheitszeichen, zeitweilig die Flughäfen von Simferopol und Sewastopol | |
blockiert. Zwar zogen sie sich aus den Gebäuden wieder zurück, zeigten aber | |
weiter Präsenz und patrouillierten mit Kalaschnikows vor dem Flughafen | |
Simferopol. Auf Fragen nach ihren Auftraggebern reagierten sie nicht. | |
Russland ließ am Freitag im Raum Sewastopol zudem Hubschrauber aufsteigen | |
und rechtfertige das mit einer „antiterroristischen Übung“ zum Schutze | |
seiner auf der Krim stationierten Streitkräfte. Der neue ukrainische | |
Innenminister Arsen Awakow reagierte scharf und warf Moskau daraufhin einen | |
„militärischen Einmarsch“ und die „Besatzung“ der Krim vor. | |
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Eskalation, die am Donnerstag | |
begonnen hatte, als das Regionalparlament und das Gebäude der | |
Regionalregierung der Autonomen Republik Krim in der Hand von maskierten | |
und bewaffneten Besetzern gerieten. Diese bezeichneten sich als | |
„prorussische Selbstverteidigungskräfte“ und forderten ein Referendum über | |
den zukünftigen Status der Halbinsel. | |
## Lebende Kulisse mit Bussen herangeschafft | |
Einige Stunden lang war vor den besetzten Gebäuden bis auf ein paar | |
Milizionäre kein Mensch zu sehen. Etwas später dann bildeten junge | |
Milizangehörige eine Absperrkette. Als zu einer prorussischen Demonstration | |
vor dem Parlament aufgerufen wurde, gab es anfangs mehr russische | |
Medienvertreter als Demonstranten. | |
Weil keine weiteren Demonstranten zusammenkamen, holten die Organisatoren | |
Hilfe aus Sewastopol. Um die tausend prorussische Aktivisten wurden mit | |
Bussen aus der russisch dominierten Stadt gebracht und verteilten sich als | |
lebende Kulisse. Von den russischen Medien wurden sie als „Vertreter der | |
Selbstverteidigung der Krim“ gefeiert. | |
Drinnen im besetzten Parlament tauchte Wladimir Konstantinow, der Sprecher | |
des Parlaments, auf. Er rief jeden Einzelnen der Abgeordneten an, um sie zu | |
einer Sondersitzung zu bewegen. Nach und nach trafen die Parlamentarier ein | |
und wurden am Eingang des besetzten Parlaments vom Parteichef der Partei | |
„Russische Einheit“, Sergei Axjonow, begrüßt. | |
Noch am selben Abend wurde Axjonow zum neuen Premierminister der Autonomen | |
Republik Krim berufen. Außerdem setzte das so zusammengerufene Parlament, | |
wie von den Besetzern verlangt, für den 25. Mai ein Referendum über den | |
Status der Krim an. Es ist der Tag, an dem in der Ukraine ein neuer | |
Präsident gewählt werden soll – eine einzige Provokation. | |
## Gut koordinierte militärische Operation | |
„Wir sind schon wieder verraten worden“, schimpfte ein Geschichtslehrer. | |
Die in Kiew verteilten die Posten, während hier eine Abspaltung im Gange | |
sei. Konstantinow hält er für eine Marionette Russlands. | |
Die Lage auf der Krim erinnere auch ihn inzwischen an die Loslösung von | |
Abchasien aus dem georgischen Staatsgebiet, sagte der ukrainische | |
Politologe Wladimir Fesenko am Freitag. Der Vorstoß prorussischer Kräfte | |
auf der Krim sei eine gut koordinierte und umgesetzte militärische | |
Operation, urteilte Fesenko im unabhängigen russischen TV-Sender Doschd. | |
Unterdessen eilten weitere russische Politiker herbei. Am Freitag traf auch | |
der Duma-Abgeordnete und Scharfmacher Wladimir Schirinowski auf der | |
Halbinsel ein und rief den in Sewastopol lebenden Russen zu: „Ihr seid hier | |
in der Heimat!“ | |
Übersetzung: Irina Serdyuk; Mitarbeit: Thomas Gerlach | |
28 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Tatjana Kurmanova | |
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