# taz.de -- Jugendstück „Der Gast ist Gott“ in Berlin: „Verry old indian… | |
> Als Austauschschüler nach Indien – was soll da schon schief gehen? Alles! | |
> Für das Grips-Ensemble und die Zuschauer ist Boris' Kulturschock ein | |
> großer Spaß. | |
Bild: Total over the top und Spaß dabei: v.l.n.r. Roland Wolf, Robert Neumann,… | |
BERLIN taz | „Du fliegst nächsten Montag“ - als der 17-jährige Boris von | |
seiner Mutter erfährt, dass er in kürzester Zeit Austauschschüler in der | |
indischen Millionenstadt Pune sein wird, hält sich seine Begeisterung | |
zunächst in Grenzen. Der Nachrücker hat seit einem halben Jahr nicht mehr | |
über Indien nachgedacht, und alles was er darüber weiß, ist, dass seine Oma | |
es in den Siebziger Jahren im Ashram hat ordentlich krachen lassen. Na | |
toll. | |
Er wird dann aber von seiner Gastfamilie mit größter Herzlichkeit | |
aufgenommen, denn „der Gast ist Gott“ sagt man in Indien. Allerdings sagt | |
man noch so manches mehr, zum Beispiel, dass ein Junge nicht mit einem | |
Mädchen alleine in einem Zimmer sein sollte oder sich beide nicht zu zweit | |
in der Öffentlichkeit zeigen sollten. Oder dass selbstverständlich | |
geheiratet wird, wenn ein Mädchen schwanger wird. In diesem Fall zum | |
Beispiel Rhada, die Tochter des Hauses. Ja, Boris tritt mit seinem | |
Migrationshintergrund in Indien in so einige traditionsreiche Fettnäpfchen | |
– und verstört seine Gasteltern mit seinen liberalen westlichen Ansichten, | |
nicht minder, als ihn der alltägliche indische Wahnsinn. | |
Wie man so eine klassische Boy-meets-Girl-Geschichte komödiantisch, | |
selbstreflexiv, überhöht aber niemals zynisch auf die Bühne bringt, zeigt | |
die junge Regisseurin Mina Salehpour mit dem Grips-Theaterstück „Der Gast | |
ist Gott“ im Berliner Podewil. Vier Schauspieler schlüpfen darin in diverse | |
Rollen. Unter anderem spielen sich selbst, während sie in einer | |
Rahmenhandlung die Szenen proben und über Rassismus und Vorurteile genauso | |
diskutieren wie sie sich gegenseitig in ihrer Ahnungslosigkeit von der | |
anderen Kultur und mit wunderbar nachgeahmten indischen Akzent - „verry old | |
indian tradition“ - auf die Schippe nehmen. Der Spaß an der Zuspitzung | |
überträgt sich von der Bühne auf das Publikum und besonders Katja Hiller | |
und Roland Wolf, die jeder mindestens fünf Rollen in dem Stück übernehmen, | |
kann jede Menge komödiantisches Talent attestieren werden. | |
Wenn es brenzlig wird und der Autor sich nicht festlegen will, wie die | |
Zukunft für das junge Liebespaar aussehen könnte, wechselt das Stück in | |
eine Traumebene … „Es könnte so kommen aber auch anders“, vermittelt es … | |
jugendlichen Publikum, das nach der einen oder anderen überdrehten | |
Bollywood-Sequenz keine Probleme mehr haben sollte, sich auch auf die | |
absurdesten Szenarien einzulassen. | |
„Der Gast ist Gott“ wurde von Autor Lutz Hübner im Rahmen des seit dreißig | |
Jahren bestehenden Kooperationsprojekts „Grips -Movement in India“ | |
gemeinsam mit zwei indischen Kollegen geschrieben und in Indien bereits | |
unter dem Titel „Du and me“ erfolgreich aufgeführt. In beiden Versionen | |
wird zwischen Muttersprache und dem Englischen hin und her gewechselt, | |
viele Klischees werden aufgegriffen – um sogleich entkräftet zu werden. | |
Die Inder bekommen ebenso ebenso wie die deutsche Professorenmutter ihr | |
Fett weg – aber niemals richtig böse oder sarkastisch. Der Blick auf die | |
Mitmenschen, ihre Unzulänglichkeiten und ihre Träume, bleibt immer | |
liebevoll. Nach einer Stunde und zehn Minuten ohne Pause weist keiner der | |
Zuschauer auch nur die geringsten Anzeichen von Müdigkeit auf – im | |
Gegenteil, es endet ein bisschen zu abrupt und wir hätten gerne noch mehr | |
gesehen. | |
9 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Julia Niemann | |
## TAGS | |
Indien | |
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