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# taz.de -- Sexstreik in der Ukraine: Bei Zeus, warum nie Männer?
> Weil sie die Krim nicht an Russland abtreten wollen, rufen ukrainische
> Frauen zum Sexstreik auf. Die Protestform beruht auf alten Rollen und
> Klischees.
Bild: Bloß nicht mit den Russen: Dafür gibt's auch schon T-Shirts.
„Kein Sex mit Nazis“ – alter Spruch. In der Ukraine gibt es davon jetzt
eine neue Version: Kein Sex mit Russen. Weil sie die Krim nicht an Russland
abtreten wollen, haben ukrainische Frauen zum Sexstreik aufgerufen. Vor ein
paar Tagen wurde eine Facebook-Seite gestartet: [1][„Lass keinen Russen an
dich ran“] steht auf dem Plakat, zwei Hände formen darauf eine Vulva. Die
Initiative ist dazu gedacht, „den Feind mit allen Mitteln zu bekämpfen“.
Über 2.400 Menschen gefällt das.
Es ist nicht das erste Mal, dass Frauen per Sexboykott politische Ziele
verfolgen. In Japan drohten Frauen im Februar auf diese Art den
Unterstützern eines Wahlkandidaten, der fand, Frauen seien wegen ihrer
Periode zu blöd für Politik. Vorletzten Sommer traten [2][Frauen in Togo]
in einen Sexstreik aus Protest gegen den Präsidenten. In Neapel
sexstreikten Frauen schon gegen Feuerwerke, in Kolumbien gegen einen
Straßenbau und gegen Gewalt, in Liberia gegen den Bürgerkrieg, auf den
Philippinen gegen den Kampf zweier Dörfer. Und die ukrainischen Femen
forderten zum Sexstreik auf, um Frauenausbeutung anzuprangern.
Die Tradition des Sexstreiks reicht aber noch ein ganzes Stück weiter
zurück. Den vermutlich ältesten Fall schildert [3][„Lysistrata“], eine
Komödie des griechischen Dichters Aristophanes, von 411 v. Chr.: Lysistrata
fordert andere Frauen auf, mit ihr in einen Sexstreik zu treten, um den
Krieg zu beenden. Frauen aus Athen und Sparta geloben, sich Männern zu
verweigern, bis endlich Frieden sei: „Bei Zeus, wir schwören!“
## Die „Waffen einer Frau“?
Was auffällt: Immer sind es Frauen, die in Sexstreik treten. Bei Zeus,
warum nie Männer? Was für eine Form von Macht ist das, die Frauen da
anwenden? Sind das die „Waffen einer Frau“? Ist das der
„Geschlechterkampf“?
Streiks gibt es in vielen Varianten, meistens in Form der Niederlegung von
Arbeit oder als Hungerstreik. Im einen Fall verweigert man Leistungen, die
andere nicht erbringen können und ohne die irgendetwas nicht weitergeht. Im
anderen Fall verzichtet man auf etwas, ohne das man auf Dauer stirbt. Ein
Sexstreik scheint eher zur ersten Sorte zu gehören. Frauen entziehen
Männern Sex, bis diese, wie in „Lysistrata“, aufgeben, weil sie
unerträglich harte Ständer kriegen: „Pflöcke, o Graus, als wollten sie
Schweine dran binden!“
Nun gehört zu einem solchen Streik – ob in einer Komödie oder in der
Realität – ein ganzes Arsenal von Rollen, Klischees und Mythen. Die Rollen
müssen, damit ein Sexstreik von Frauen Sinn ergibt, einigermaßen klar
verteilt sein. Es müssen Männer sein, die rausgehen und Politik machen, die
Krieg führen und damit von allein gar nicht mehr aufhören können. Und
Frauen, die sich darüber ärgern und lieber Harmonie wollen.
Abgesehen davon, dass ein Sexstreik von Frauen nur wirkt, wenn man davon
ausgeht, dass Männer nur durch Frauen angemessen sexuell befriedigt werden
können: Warum ist Befriedigung für Männer anscheinend wichtiger als für
Frauen? Warum können Frauen verzichten, Männer nicht?
## Die Natur, der Samenstau!
Die Antwort liefert die alte, hässliche These von der ungebändigten
männlichen Sexualität. Wenn Frauen begehren, so der Mythos, dann hält sich
das in Grenzen. Sexualität findet bei ihnen im Kopf statt. Wenn sie nicht
wollen, wollen sie nicht. Bei Männern: hui, zack, krass, kannste nicht
bremsen, die Natur! Samenstau! Wenn Männer wollen, dann müssen sie.
Dieses Klischee der Schwanzsteuerung ist gefährlich. Im Zweifel lässt sich
damit viel mehr begründen, als einem lieb sein kann. Zu Vergewaltigung im
Krieg wird Lysistrata gefragt: „Und wenn sie uns zur Kammer ziehn mit
Gewalt?“, sie antwortet: „Dann hältst du dich am Pfosten!“ – „Und we…
schlägt?“ – „Dann mach’s ihm, aber schlecht! Wo man Gewalt braucht, is…
Lust nicht groß!“ Was für Aussichten.
Die Sache wird nicht besser dadurch, dass ein Sexstreik suggeriert, dass
die Frauen nach dem Streik grundsätzlich wieder verfügbar sein werden. Kurz
war die Ware weg – schwupp, wieder da. Kein schönes Bild. Es kämpft sich am
Ende vielleicht gar nicht so gut als Sexobjekt.
26 Mar 2014
## LINKS
[1] http://www.facebook.com/pages/%D0%9D%D0%B5-%D0%B4%D0%B0%D0%B9-%D1%80%D1%83%…
[2] /Protestformen-in-Togo/!102141/
[3] http://www.zeno.org/Literatur/M/Aristophanes/Kom%C3%B6dien/Lysistrate
## AUTOREN
Margarete Stokowski
## TAGS
Ukraine
Krim
Russland
Sex
Geschlechterrollen
Sexismus
Luft und Liebe
Krim
Ukraine
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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