# taz.de -- Kriegsgeräte im Museum: Unter Panzern | |
> Ralf Raths möchte das Deutsche Panzermuseum in Munster modernisieren. Im | |
> bisherigen Wohlfühl-Refugium sollen Vernichtung und Zwangsarbeit Platz | |
> finden. | |
Bild: Typisches Ausstellungsstück: „Die Aura, die diese Fahrzeuge haben, ist… | |
MUNSTER taz | Der Himmel ist strahlend blau. In ganz Deutschland genießen | |
Menschen die warme Frühjahrssonne. Nicht so in Munster. Hier schlendern sie | |
durch eisige, feucht-zugige Ausstellungshallen. In der | |
16.000-Einwohner-Stadt in der Lüneburger Heide, seit 1893 wichtiger | |
Armeestützpunkt und viertgrößter Standort der Bundeswehr, befindet sich das | |
Deutsche Panzermuseum. | |
Unzählige Besucher sind gekommen, darunter viele Familien mit Kindern. | |
Dicht an dicht stehen hier die Panzer und strecken ihre polierten | |
Kanonenläufe in die Luft, um bewundert zu werden. Und es lässt sich nicht | |
von der Hand weisen: Panzer sind beeindruckend. Fast ein wenig ehrfürchtig | |
wandelt man zwischen ihnen hindurch. Dass diese Maschinen zum Töten gemacht | |
sind, kann dabei schnell vergessen werden. | |
Das weiß auch Ralf Raths, der das Museum leitet. „Die Aura, die diese | |
Fahrzeuge haben, ist faszinierend. Die Frage ist, wie können wir diese Aura | |
brechen, damit wir Geschichten erzählen. Die Besucher sollen nicht | |
vergessen, dass Menschen da drin waren, davor, dahinter, daneben, darunter | |
teilweise, und was das für sie bedeutet hat.“ | |
Dann holt er aus, erzählt, wie Panzer den Kopf beherrschen können, mit | |
ihrer Technik und ihrer Aura der Unverwundbarkeit. Die natürlich ein Mythos | |
ist, wie so vieles andere, das man über Panzer und Militärgeschichte zu | |
wissen meint. Dinge, die von der Forschung schon längst überholt seien, so | |
der Historiker, und über die das Museum die Besucher aufklären könnte. | |
## 80er-Jahre Garagenflair | |
Für das Haus, das er seit 2008 leitet, hat Raths eine Vision. Er will es | |
besser, überhaupt erst ein richtiges Museum daraus machen. Denn bevor er in | |
Munster anfing, bestand dort die Ausstellung in der Hauptsache aus einer | |
schwer überschaubaren Ansammlung von Fahrzeugen, über 150 Panzer aus 100 | |
Jahren Panzergeschichte, die die Bundeswehr seit den 1950er-Jahren | |
zusammengetragen hatte. Daran hat sich bisher nur partiell etwas geändert. | |
Die veralteten, nicht klimatisierten Museumshallen aus den 1980er-Jahren | |
verströmen Garagenflair, erinnern stark an ein Autohaus. | |
Raths, der selbst Soldatenkind ist und in Munster sein Abitur machte, gibt | |
zu, dass die Anlagen aus konservatorischer Sicht eine Katastrophe sind. | |
Dies trifft auch auf den Erzählstrang der Dauerausstellung zu, der anfangs | |
erkennbar ist und einer groben Chronologie folgt, dann jedoch in der Menge | |
der Exponate völlig verschwindet und erst im letzten Ausstellungsraum, der | |
den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr dokumentiert, wieder stringent wird. | |
In Vitrinen gibt es Uniformen, Helme und Orden. | |
Tiefpunkt des Rundgangs sind ehemalige Lagerhallen der Bundeswehr, die eher | |
an Stall, als an Museum erinnern. Es ist bewundernswert, wie die Panzer | |
dort hineingepasst und zwischen den Holzpfählen ihren Platz gefunden haben. | |
Zu verdanken sei dies den „Hobbykommandanten“, einem Tross von über 70 | |
Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit bei der Wartung und Pflege der | |
Fahrzeuge helfen. | |
Wenn man mit Raths, der in Hannover Geschichte und Politik studiert hat, | |
durch das Museum geht, erfährt man viel über die Hintergründe der Panzer. | |
Er kann spannend erzählen. Doch ohne ihn wäre es anders. Raths sagt: „Wenn | |
man keine Führung macht und sich keinen Audioguide ausleiht, hat man keine | |
Erzählung. Momentan können die Besucher noch durchgehen und eigentlich | |
nichts lernen.“ Das Problematische: Lediglich ein Zehntel der Besucher | |
greift auf den Audioguide zurück, der die in Teilen veraltete Beschilderung | |
ausgleichen soll. | |
Doch der Museumsdirektor ist sich der Missstände bewusst. An jeder Ecke | |
findet er etwas, dass sich unbedingt ändern muss. Der Historiker hat ein | |
Konzept für eine grundlegende Neugestaltung des Hauses erarbeitet. Er will, | |
dass das Museum zukünftig nicht mehr eine bloße Technikgeschichte erzählt, | |
sondern vielmehr den Panzer in einen breiteren sozialen und geschichtlichen | |
Kontext stellt. Die Wegeführung des Museums soll dafür umgedreht und die | |
Panzer in Ensembles mit anderen Fahrzeugen neu gruppiert werden. Vorreiter | |
ist für Raths das Militärhistorische Museum in Dresden, das innerhalb der | |
Bundeswehr aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung mit Krieg und | |
Gewalt umstritten ist. | |
## Fotos von Toten | |
Nicht ohne Stolz präsentiert Rath den ehemaligen Sammlungssaal seines | |
Hauses, den er für 20.000 Euro hat umgestalten lassen und als Fingerübung | |
für den groß angelegten Umbau bezeichnet. In dem gesonderten Raum hat man | |
tatsächlich das Gefühl, in einer richtigen Museumsausstellung zu sein. Die | |
Anzahl der ausgestellten Exponate, darunter Uniformen, Orden und Waffen, | |
wurde stark reduziert, eine einheitliche Beschilderung mit erläuternden | |
Illustrationen gliedert die Bereiche und Vertiefungstexte beleuchten | |
gesellschaftliche Hintergründe. Es werden sogar Fotos von Verwundeten und | |
Toten gezeigt. Diese sind mit einem Warnhinweis gesichert. Dies geschähe | |
auch aus Rücksicht auf traumatisierte Afghanistan-Veteranen, sagt Raths. | |
Die starke Reduktion zugunsten einer besseren musealen Konzeption sei | |
jedoch ein Weg, den man bei der Umgestaltung der restlichen | |
Ausstellungsfläche nicht beschreiten könne, sagt Raths. Denn während das | |
Museum von der Stadt betrieben wird, gehören die 150 ausgestellten Panzer | |
der Bundeswehr, die sie zu Ausbildungszwecken verwendet und jährlich 3.000 | |
Soldaten durch ihre Sammlung schleust. Daher könne der Bestand der Exponate | |
um höchstens zehn Prozent reduziert werden. Dies findet Raths nicht weiter | |
schlimm: „Die kritische Masse des Metalls macht den touristischen Wert des | |
Museums aus. Was die Leute zieht, ist nun einmal der Panzer.“ | |
Alle wichtigen Entscheidungen, die das Museum betreffen, müssen im Konsens | |
mit der Bundeswehr getroffen werden, auf deren Grundstück sich die Hallen | |
befinden. Diese Abstimmung klappe, sagt Raths, denn sein Pendant auf | |
Bundeswehr-Seite, der Leiter des Ausbildungszentrums Klaus-Peter Lohmann, | |
ticke wie ein Museumsmensch. Und auch der Oberstleutnant sieht die Vorteile | |
der Munsteraner Konstellation: „Ohne die Zusammenarbeit mit der Stadt | |
müssten die Ausstellungsstücke im militärischen Sicherheitsbereich | |
abgestellt werden, was einen Zugang von Zivilisten im größeren Stil aus | |
Sicherheitsgründen ausschließt. Das Deutsche Panzermuseum ist daher ein | |
sehr gelungenes Projekt der zivil-militärischen Zusammenarbeit.“ Und | |
vielleicht ist das Museum ja wirklich ein Glückfall für die Bundeswehr, | |
eine Möglichkeit, Menschen mit Kriegsgerät zu beeindrucken. „Das Museum | |
kann Menschen für das Thema Militär faszinieren und dann zu einer | |
Bundeswehr-Karriere führen“, sagt Raths, der selbst Wehrdienst geleistet | |
hat und kein Problem darin sieht, dass die Bundeswehr in seinem Museum am | |
Tag der offenen Tür mit einem Karriere-Stand wirbt. | |
Wie kritisch das Museum jedoch auch gesehen wird, zeigte der Anschlag der | |
„Rosa Tank Gang“ im Frühjahr 2012: Sie lackierte einen Panzer vor dem | |
Museum mit rosa Farbe. In einem Bekennerschreiben hieß es: „Die | |
restaurierten, glänzenden und ausgestellten Panzer suggerieren, dass Krieg | |
etwas Harmloses ist. Die Panzer werden absolut zweckentfremdet als | |
Kunstobjekt ausgestellt. Dabei wird ausgeblendet, dass an jedem Panzer das | |
Blut vieler Menschen haftet und der einzige Sinn und Zweck das Töten von | |
Menschen ist, um die Interessen der Herrschenden durchzusetzen.“ | |
## Ehrgeizige Pläne | |
Raths kennt diese Kritik. „Das Museum war ganz lange Zeit eine Art | |
Wohlfühl-Militärgeschichtsrefugium, doch die Leute müssen sich bewusst | |
sein, dass wir kein Technik oder Spaßmuseum sind, sondern ein Museum zum | |
Thema Krieg. Der Kern unserer Arbeit muss es sein, zu vermitteln, dass die | |
Existenz von Panzern nur durch Zwangsarbeit und Vernichtung zu erklären | |
ist.“ Deshalb sieht das neue Museumskonzept zusätzliche Vertiefungsbereiche | |
vor. Dort könnten dann Themen wie Geschlechterrollen, Zwangsarbeit oder der | |
Vernichtungskrieg mit moderner Museumspädagogik, wie Multimedia, vermittelt | |
werden. | |
Doch die Mittel, die Raths für seine ehrgeizigen Pläne zur Verfügung hat, | |
sind beschränkt. Lediglich mit einer Mitarbeiterin stemmt er die gesamte | |
Ausstellungsgestaltung, Museumspädagogik und Öffentlichkeitsarbeit. Von der | |
Bundeswehr und den beiden deutschen Panzerbauern, Rheinmetall und | |
Krauss-Maffei-Wegmann, wird es kein Geld für eine Modernisierung geben. | |
Der Rat der Stadt hat zumindest schon einmal dem Umbaukonzept zugestimmt. | |
Demnächst sollen die Kosten berechnet werden. „Das Museum ist das | |
touristische Alleinstellungsmerkmal der Stadt und hinsichtlich des sich | |
entwickelnden Tagestourismus ein nicht zu unterschätzender | |
Wirtschaftsfaktor“, sagt Stadtrat Rudolf Horst. Raths fühlt sich dennoch | |
von der Stadt stiefmütterlich behandelt und klagt über den harten | |
Konsolidierungskurs, der keine weiteren Mittel für das Museum vorsehe. So | |
stellt Raths nun Anträge bei diversen Stiftungen. | |
Bei dem Gedanken an sein zukünftiges Museum, gerät er dennoch ins | |
Schwärmen: „Wir werden, wenn wir umgebaut haben, hier unheimlich viel | |
vermitteln. Wir können mit so vielen Mythen und Legenden aufräumen. Dieses | |
Museum ist ein mächtiges Tool der Erinnerungskultur und der | |
Geschichtspolitik.“ Doch bis es soweit ist, muss viel geschehen. Noch | |
bietet das Deutsche Panzermuseum in Munster in der Hauptsache einen | |
unkritischen Blick auf das ausgestellte Kriegsgerät und damit viel Raum für | |
Verklärung und Nostalgie. | |
22 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Konstantin Wenzel | |
## TAGS | |
Panzer | |
Krieg | |
Vernichtung | |
Münster | |
Krauss-Maffei Wegmann | |
Krauss-Maffei Wegmann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Fusion von Rüstungsfirmen: Milliardenschwere Panzerung | |
Die Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter ist aus Firmensicht sehr | |
sinnvoll. Aus politischer Sicht droht eine Dynamik, die besorgniserregend | |
ist. | |
Fusion von Rüstungsfirmen: Panzer made in Europe | |
Durch die Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter entsteht ein | |
Großhersteller für Panzer. Dessen Zukunft liegt in Schwellenländern. | |
Panzerausstellung in Munster: Große Jungs, kleine Panzer | |
Was Panzer mit Ikea-Regalen zu tun haben und warum sie in Zukunft rosa sein | |
sollten, kann man nur an einem Ort herausfinden: Im Panzermuseum Munster, | |
wo am vergangenen Wochenende die 15. Internationale Modellbauausstellung | |
gastierte. | |
Günter Zint in der Kaserne: In der Wurstfabrik | |
Der linke Fotograf und Pazifist Günter Zint eröffnet eine Ausstellung - im | |
Panzermuseum Munster, einer ehemaligen Kaserne. |