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# taz.de -- Die letzte Schau mit Design der 1950er- und 1960er-Jahre im Kestner…
> Um einen überschaubaren Betrag zu sparen, werden in Hannover zwei Museen
> zusammengelegt, die disparater nicht sein könnten: das Historische und
> das Kestner-Museum. Was mit dessen Design-Abteilung passieren soll, ist
> unklar.
Bild: Fast schon wieder Trend: Radio/Rundfunkgerät "Pop 70", entworfen vermutl…
HANNOVER taz |150.000 Euro soll Hannover sparen. Erreichen will man das –
so hat es der Rat beschlossen – durch einen Museumsverbund zwischen dem
Historischen Museum und dem Museum August Kestner. Dieser Verbund soll
zudem helfen, die Profile beider Häuser zu schärfen, attraktive Angebote zu
entwickeln und die Besucherzahlen zu steigern. Nicht zuletzt sollen sich
damit die Einnahmen erhöhen.
So steht es in einem Papier vom Juni 2013, das eine Münchener
Beratungsgesellschaft für die Stadt Hannover erarbeitet hat. In einem
ersten Schritt werden zum 1. Juli dieses Jahres die Museumsverwaltungen
zusammengelegt. Für die weiter gehende Umorganisation und Neuausrichtung
braucht die Stadt nach eigenem Bekunden noch wenigstens die nächsten zwei
Jahre.
Nun sind die beiden Museen aber so grundverschieden, dass man sich –
zumindest aus der Distanz zu Hannoverschen Interna – nach der
Sinnfälligkeit dieser Fusion fragt. Das Historische Museum widmet sich
nämlich der (alten) Stadt- und Regionalgeschichte. Das 1889 eröffnete
Museum August Kestner dagegen verfügt über die bedeutende Antiken-Sammlung
des Namensgebers sowie weitere Schenkungen honoriger Bürger, die von
mittelalterlichem Kunsthandwerk bis zu modernem Design reichen. Es
repräsentiert nach eigenen Angaben 6.000 Jahre menschlicher Kreativität und
versteht sich als Museum der Sammler.
Qualität und Quantität des Bestandes an modernem Design ab dem Jugendstil
bewertet der scheidende Direktor des Hauses, Wolfgang Schepers, recht
selbstbewusst als vergleichbar etwa mit dem Grassimuseum in Leipzig oder
dem Museum für angewandte Kunst in Frankfurt, nur das Hamburger Museum für
Kunst und Gewerbe sei natürlich überlegen.
Allerdings hat Schepers derzeit auch guten Grund, mit diesem Pfund zu
wuchern. Denn in einigen Varianten, die das Einspar-Papier der
Beratungsgesellschaft durchspielt, wird die Abteilung Design, wie es
scheint, recht stiefmütterlich hin- und hergeschoben, landet wahlweise im
Depot oder wird dem ebenfalls städtischen Sprengelmuseum angetragen, das
gerade einen Erweiterungsbau erhält und vielleicht ja nicht nur räumliche
Kapazitäten frei hätte.
Dass allerdings nicht jede Institution aus dem Stand heraus etwas mit
Design anfangen könnte, sondern dafür des speziellen kunsthistorischen
Auftrags bedürfte: Das sollte spätestens dann klar werden, wenn Fachmann
Schepers mit Verve über die aktuelle Wechselausstellung zur
Produktgestaltung der 1950er- und 1960er-Jahre in seinem Hause spricht.
Diese Ausstellung, die ihren zeitlichen Betrachtungsraum sehr stringent
begrenzt, stellt rund 100 Objekte aus der eigenen Sammlung – allesamt
sogenanntes Autorendesign namhafter Formgeber – neben etwa 20 Leihgaben
privater Sammler. Die haben unter anderem anonyme Klassiker wie Tütenlampe,
Nierentisch oder die Knabbergebäckschale in Gestalt einer venezianischen
Gondel beigesteuert. Eine bebilderte Zeitschiene entlang der Wand
kontextualisiert die Exponate, auch in die lokale Historie.
Einige Zeitschriftencover, allen voran der Spiegel-Titel von 1959 zum
„Wunder von Hannover“ – Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht stellte darin seine
Vision einer modernen Stadt mit einem grandiosen Netz aus Schnellstraßen
vor –, bezeugen die mentale Aufbruchsstimmung in Zeiten des
Wirtschaftswunders.
In kompakten Regalvitrinen werden zudem Chronologie und stilistische
Tendenzen der Formgebung umrissen: vom schnittigen Stromliniendesign über
eine gemäßigt organische Haltung bis zum stark von der bildenden Kunst
beeinflussten systemkritischen Pop- und Radical-Design der späten
1960er-Jahre reichen diese Trends.
Bemerkenswert sind zudem parallele Entwicklungen im Design der DDR. Es gab
dort eben nicht nur Plagiate westdeutscher Produkte für den heimischen
Bedarf. Zum Export wurde beispielsweise eine ambitionierte, international
orientierte Tischkultur entworfen, die für ihre Fertigung auf
traditionsreiche Firmen der Glas-, Porzellan- und Metallwarenindustrie
zurückgreifen konnte. Das Hotelgeschirr oder Pressglasserien von Margarete
Jahny etwa erwiesen sich als ästhetisch langlebig und wurden über
Jahrzehnte produziert.
Volontärin Eva Gläser lässt die von ihr kuratierte Schau in zwei kleinen
Rauminstallationen kulminieren: eine aus mustergültigem Design jener Zeit,
die andere mit anonymen Objekten. Sie setzt auf visuelle Erkenntnismomente,
die über eine erinnernde Verklärung hinausreichen. Es bleibt zu hoffen,
dass derartige Befragungen der einzigen Gebrauchskultur-Sammlung der
Moderne in Niedersachsen kontinuierlich und qualifiziert fortgeführt
werden. Auch dann, wenn der Museumsverbund in allen Details umgesetzt ist.
## Aufbruch. Umbruch. Stilbruch? Design der 1950er und 1960er-Jahre. Museum
August Kestner, bis 4. August
22 Apr 2014
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Kommunikation
Ausstellung
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