| # taz.de -- Robbenjagd in Kanada: Morrissey rettet die Heuler | |
| > Das „horrende Gemetzel“ an Robben ist Sänger Morrissey ein Graus. Das | |
| > sagte er auch Kanadas Fischereiministerin. Aber die lässt sich das nicht | |
| > gefallen. | |
| Bild: Können diese Augen lügen? | |
| EDMONTON taz | Der britische Sänger Morrissey ist bekanntlich ein Mann der | |
| klaren Worte. Die Royals beschimpft er gerne als Schnorrer, Fleischesser | |
| hält er für Mörder und über viele Musikerkollegen zieht er mit zynischen | |
| Kommentaren her, wie etwa über Britney Spears, die er einmal abschätzig | |
| eine „Broccoli“ nannte. Dieser Tage hat sich der provokative Künstler ein | |
| neues Objekt für seine beißende Kritik ausgesucht: die kanadische | |
| Fischereiministerin Gail Shea. | |
| Die konservative Politikerin ist eigentlich eine recht harmlose Person, | |
| doch sie ist eben auch für die in Kanada jedes Frühjahr stattfindende | |
| Robbenjagd verantwortlich. Die aber hat der überzeugte Tierschützer | |
| Morrissey schon seit Jahren auf dem Kieker und so ließ er es sich nehmen, | |
| kurz vor dem offiziellen Auftakt der Robbenjagd ein paar verbale Salven | |
| über den Atlantik zu feuern. | |
| Das Töten der Robben sei „gierig und barbarisch“ und die Jagd ein | |
| „Massaker“. Der Ministerin selbst stellte Morrissey die provokative Frage: | |
| „Würde es Sie glücklich machen, [wie eine Robbe] von einem leistungsstarken | |
| Gewehr erschossen zu werden?“. Die gemeinhin höfliche Politikerin feuerte | |
| umgehend zurück. Morrissey sei der wohl der „Gehirnwäsche“ unterzogen | |
| worden, habe von den Nöten der Fischer keine Ahnung und lebe offenbar „im | |
| Elfenbeinturm von Hollywood“. | |
| Das mit Hollywood ist gar nicht so weit hergeholt, denn tatsächlich ist | |
| Morrissey nicht der einzige Künstler, der seit Jahren gegen die umstrittene | |
| Robbenjagd zu Felde zieht. In den achtziger Jahren machte erst Brigitte | |
| Bardot auf die blutige Jagd aufmerksam. Danach folgten zahlreiche weiter | |
| Promis, zuletzt die Schauspielerin Kaley Cuoco und die | |
| US-Talkshow-Moderatorin Ellen DeGeneres. Mit Erfolg: Dank der negativen | |
| Publicity spielt die Robbenjagd in Kanada längst nicht mehr die Rolle wie | |
| noch vor einem Jahrzehnt. | |
| ## Nachfrage stark gesunken | |
| 400.000 Sattelrobben hat Ministerin Shea in dieser Saison wieder zum | |
| Abschuss freigegeben – doch die Jäger werden mangels Nachfrage wie schon in | |
| den letzten Jahren voraussichtlich nur einen kleinen Bruchteil dieser Quote | |
| überhaupt realisieren können. Seit die EU und Russland den Handel mit | |
| Robbenprodukten verboten haben und China Desinteresse zeigt, sind den | |
| Jägern schlicht die Märkte weggebrochen. Der Preis für ein Fell ist von | |
| einst über 100 Dollar auf unter 13 Dollar abgesackt. Statt einst mehr als | |
| 1.000 Fischerboote werden in diesem Jahr nur noch etwa 30 an dem | |
| alljährlichen Ritual teilnehmen. Die Industrie wird nur noch durch | |
| staatliche Subventionen notdürftig am Leben erhalten. | |
| Morrissey selbst hat aus Protest gegen das „horrende Gemetzel“, wie er es | |
| einmal nannte, seit zehn Jahren kein Konzert mehr in Kanada gegeben. Gut | |
| möglich, dass der Künstler bald ins Ahornland zurückkehren kann. Falls der | |
| Trend anhält, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die | |
| kommerzielle Robbenjagd endgültig zum Erliegen kommt. | |
| 24 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Michel | |
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