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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Ball ist weg
> Wenn tausende LED-Lampen immer neue Bandenwerbung einblenden,
> konzentriert sich im Fußballstadion niemand mehr auf das Spiel.
Bild: Die Spieler überfordert der schnelle Wechsel der Bandenwerbung
Es hat keinen Sinn mehr, Fußballspiele im Stadion ansehen zu wollen. Man
sieht nichts vom Spiel. Speziell in Hannover ist das so. Die Stadt wünscht
sich zwar, dass man 96-Fan ist, aber wer in der Kommune die Scorpions,
Gerhard Schröder und Heinz Rudolf Kunze wohnen hat, der ist zu größter
Toleranz gezwungen. Man lebt darum auch in Hannover nach dem kölschen
Motto: „Jeder Jeck is’ anders!“ Im Stadion singt man „96 – alte Liebe…
wahrscheinlich ein Lied von den Scorpions, mit einem Text von Heinz Rudolf
Kunze.
Dort im Stadion also ist es mittlerweile unmöglich, das Spiel zu sehen.
Stattdessen gibt es sogenannte Bandenwerbung. Um das Spielfeld herum sind
zwei Reihen Banden aufgestellt. Die sind nicht etwa mit Plakaten beklebt,
damit man die Werbung ausgiebig zwischendrin mal anschauen könnte, zum
Beispiel in der Zeit nach Abpfiffen. Wenn der Ball zum Freistoß
bereitgelegt wird. Beim Torabschlag. Da wäre Zeit für so etwas.
Nein, diese Banden sind Monitore mit LED-Leuchtelementen, auf denen ständig
Werbung läuft. Und alle starren hin. Keiner weiß, wo der Ball ist. Die
Fußballer sind eingekesselt von der Werbung wie der Wagentreck von
Indianern. Da schafft es kein Spieler und kein Zuschauer, sich auf das
Spiel zu konzentrieren.
Vorbereitung bedeutet mittlerweile nicht mehr, Torschuss und Passspiel,
sondern den weiten Blick zu trainieren und die Werbung zu ignorieren. Und
trotzdem verwechseln die Spieler bei jeder Partie mindestens dreimal das
Vodafone-Signet mit dem Ball. Als neulich in einem sogenannten Spitzenspiel
„Hasseröder – Männer wissen warum!“ aufleuchtete, sah man die Spieler
diskutieren, weil sie eben doch nicht wussten, warum. Und was eigentlich?
„Tui – my Urlaub Designer!“ Bei solch grammatikalisch verunglückter
Werbebotschaft wundert es nicht, wenn Spieler keine vernünftigen Interviews
mehr geben können. „Wodka Gorbatschow“ leuchtete auf. Auf den Rängen
überlegte man, wann Putin den auf sich umtaufen lassen wird. „Helden
trinken Ex!“ Eigentlich gewagt in Zeiten des Komasaufens, aber die Zeile
warb für Extaler Mineralwasser. Auf dem Spielfeld kam es zu Verzögerungen,
weil ein Eckstoß noch nicht ausgeführt werden konnte. Erst gab es noch eine
Ansage: „Dieser Eckball wird präsentiert von Möbel Hesse!“
## „Wir versichern auch Flitzer“
Das 0:1 verpassten viele Spieler und Zuschauer, weil sie suchend ihre Hälse
drehten. Sie hatten „VGH – wir versichern auch Flitzer!“ gelesen und
hoffnungsvoll nach einer Nacktläuferin geschaut. Und dann, mitten in einem
Konter der Gäste, wurden auch noch die „CUP Sondermodelle“ angekündigt.
Keine Dessouswerbung, wie sich herausstellte, sondern: Volkswagen.
Der „neue Amarok“. Die Fußballer waren konsterniert. Fast alle hatten
„Anorak“ gelesen. Sie stritten, ob das falsch geschrieben sei oder falsch
gelesen wäre. Zwei aus der Heimmannschaft wurden mit Gelb-Rot vom Platz
gestellt. Sie hatten laut argumentiert, dies sei ihr Stadion und sie
wüssten, was richtig sei.
Inzwischen hatte sich der Gegner an die Werbung gewöhnt, verwechselte nicht
mehr Ball und Vodafone und schoss das 0:2, während der Heimtorwart an der
Bande nach dem Vodafone-Tropfen hechtete.
Der gleiche Fehler passierte beim 0:3 noch mal! Dann lief „Cewe-Print“ über
die Werbeflächen. Mit Telefonnummer. Das Spiel kam zum Erliegen. Die
Verteidiger versuchten, sich die Zahl einzuprägen. Der Torwart der
Gastmannschaft sprintete zur Spielfeldmitte und lieh sich vom
Schiedsrichter einen Stift, um die Nummer auf seinem Unterarm zu notieren.
Allerdings fand er zwischen seinen Tattoos keine freie Stelle und schrieb
sie dem gegnerischen Rechtsverteidiger auf die Stirn.
Hier für Interessierte, egal ob Spieler oder Zuschauer, die im Stadion
nicht mitgekommen sind: Die Nummer lautet Cewe-Print 0800 6022260.
6 May 2014
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Hannover 96
Fernsehen
Mütter
Ostwestfalen
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Bundeswehr
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