# taz.de -- Tierischer Protest in München: Ein Maulkorb für Pico | |
> Der Halter eines Hundes, der eine Gedenkfeier zum Volkstrauertag in | |
> München störte, muss Strafe zahlen. Der Hund habe vorsätzlich gehandelt, | |
> so das Gericht. | |
Bild: Schnauze mit antimilitaristischem Herz: Hund Pico. | |
MÜNCHEN taz | Keine Gnade für Hund Pico: Weil der Terriermischling am | |
Volkstrauertag zu laut kläffte, muss sein Herrchen 100 Euro Strafe zahlen. | |
Das Amtsgericht München sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der Rüde | |
beim Spaziergang im Park eine halbe Stunde lang bellte – und verurteile | |
Hundehalter Christian S. aufgrund des Tatbestands der Lärmbelästigung. | |
Im vergangenen November hatte der Gewerkschaftsmitarbeiter und | |
Antimilitarist seinen Hund in den Münchner Hofgarten geführt. Am | |
Volkstrauertag organisiert die Kriegsgräberfürsorge dort jedes Jahr eine | |
Gedenkveranstaltung für die Opfer der Weltkriege und die Gefallenen der | |
Wehrmacht. Eine Blaskapelle der Polizei marschiert durch den Park, Soldaten | |
der Bundeswehr legen Kränze nieder, und auf der Ehrentribüne sitzt der | |
bayerische Innenminister. Auch eine rechtsextreme Burschenschaft durfte bis | |
vor wenigen Jahren an der Veranstaltung teilnehmen. | |
„Es ist eine Farce, dass man Opfern eines Krieges mit militärischen Ehren | |
gedenkt“, sagt Kriegsgegner Christian S. Im vergangenen Jahr beobachtete er | |
die Veranstaltung gemeinsam mit Genossen. Dass sein Hund dabei die ganze | |
Zeit über bellte, störte ihn nicht. Dafür schickte ihm das Münchner | |
Kreisverwaltungsreferat wenig später einen Bußgeldbescheid. | |
Weil der Antimilitarist Einspruch einlegte, beschäftigte sich das | |
Amtsgericht nun an drei Verhandlungstagen mit dem Fall. Es handle sich | |
nicht um ein politisches Verfahren, betonte der Vertreter der | |
Verwaltungsbehörde am Dienstag vor Gericht. Geldbußen wegen Lärmbelästigung | |
seien Routine: Meistens ging es um Hundegebell in Nachbarwohnungen. | |
## „Ja mei, wo soll ein Hund denn bellen, wenn nicht im Park?“ | |
Die Angelegenheit sei sehr wohl politisch, entgegnete der Verteidiger des | |
Angeklagten. Der Rüde habe schließlich nicht daheim gebellt, sondern unter | |
freiem Himmel, und das auch noch außerhalb der Ruhezeiten. „Ja mei, wo soll | |
ein Hund denn bellen, wenn nicht im Park?“, fragte er in seinem Plädoyer. | |
Er forderte einen Freispruch, zumal Christian S. seinen Terriermischling | |
nicht zum Bellen animiert habe. Eine Zeugin hatte zuvor gesagt, der | |
Mischling habe sich wohl über die Blaskapelle erschrocken. Ein anderer | |
vermutete, dass Pico mit den Hunden einer Welpenschule spielen wollte, die | |
nebenan über die Wiese tollten. | |
Für den Richter spielte all das keine Rolle. Christian S. hätte seinen | |
bellenden Hund schließlich aus dem Park führen können, sei aber stehen | |
geblieben, um die Zuschauer des Gedenkens zu provozieren. „Ihre Gruppe hat | |
von vornherein darauf abgezielt, die Veranstaltung aufs Korn zu nehmen“, | |
sagte er und verwies auf eine weitere Zeugenaussage. Derzufolge hatten die | |
Antimilitaristen mitgesungen, als die Blaskapelle die Nationalhymne spielte | |
– und zwar mit einem falschen Text. | |
Damit Hund und Herrchen am kommenden Volkstrauertag weder bellen noch | |
falsche Hymnen singen, bestätigte der Richter die Geldbuße des | |
Kreisverwaltungsreferats. Der Angeklagte nahm das Urteil gelassen auf. Die | |
100 Euro werde seine Rechtsschutzversicherung erstatten. Unbezahlbar sei | |
dagegen die Aufmerksamkeit, die ihm der Prozess für sein Anliegen beschert | |
habe: dass der Opfer der Weltkriege künftig nicht mehr am Volkstrauertag | |
gedacht wird – sondern am 8. Mai, dem Jahrestag der bedingungslosen | |
Kapitulation der Wehrmacht. | |
6 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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