| # taz.de -- Streit in den Communities: Wie hältst du’s mit der Ukraine? | |
| > Die Spannungen zwischen Russen und Ukrainern nehmen auch in Berlin zu. Am | |
| > Samstag kamen 500 zu einer Kundgebung am Potsdamer Platz. | |
| Bild: Flagge an der ukrainischen Botschaft. | |
| Larissa Kogan hat ihre Fingernägel gelb-blau angemalt und trägt auch ein | |
| Haarband in den ukrainischen Nationalfarben. Doch Larissa Kogan ist nicht | |
| Ukrainerin, sondern Russin. „Ich bin mit einem Ukrainer verheiratet und | |
| will mich solidarisch mit der Ukraine zeigen“, sagt sie. „Was Putin macht, | |
| verstößt gegen mein Demokratieverständnis. Es schadet uns allen.“ | |
| Um das zum Ausdruck zu bringen, ist Larissa Kogan am Samstag zu einer | |
| Kundgebung von Berliner Ukrainern am Potsdamer Platz gekommen. Rund 500 | |
| Menschen versammeln sich hier. „Die Ukraine ist unteilbar“, lautet eine der | |
| Losungen. Eine andere: „Puschkin statt Putin“. Es wehen zahlreiche | |
| ukrainische Flaggen, aber auch georgische, polnische und eine russische. | |
| Das Thema bewegt auch andere Osteuropäer in Berlin. Befürchtungen im | |
| Vorfeld, dass die Kundgebung vom rechten Sektor missbraucht werden könnte, | |
| bewahrheiten sich nicht. Die Stimmung ist friedlich. | |
| Der Ukrainekonflikt hat direkte Auswirkungen auf Larissa Kogan und ihren | |
| Mann, die zusammen am Wittenbergplatz wohnen. „Es sind Freundschaften | |
| zerbrochen“, erzählt die zierliche Frau der taz. „Mein Mann wird nicht nur | |
| als Ukrainer beschimpft, sondern auch als Jude. Denn das ist für manche | |
| meiner russischen Freunde doppelt schlimm.“ Bisher gehe sie pragmatisch | |
| damit um, sagt sie. „Wir gehen uns aus dem Weg. Vielleicht können wir ja in | |
| ein paar Monaten wieder miteinander sprechen.“ | |
| ## Für die Russen ein Faschist | |
| Auch andere Demonstranten berichten von zunehmenden Spannungen zwischen | |
| Russen und Ukrainern in Berlin. „Für meine russischen Nachbarn bin ich ein | |
| Faschist“, erzählt ein Ukrainer aus Charlottenburg. Er trägt eine | |
| handbestickte ukrainische Nationaltracht. „Das Verhältnis zwischen uns ist | |
| emotional sehr aufgewühlt“, sagt er. Eine Frau, deren Sohn eine private | |
| deutsch-russische Grundschule im Tiergarten besucht, freut sich, dass es in | |
| der Schule keine Spannungen gebe. Jedenfalls nicht unter den Schülern. | |
| Unter den Eltern aber durchaus. | |
| Rund 300.000 Menschen aus den GUS-Staaten leben in Berlin. Sie kommen aus | |
| Russland, der Ukraine, Kasachstan, Tschetschenien und dem Baltikum. Sie | |
| sind Russlanddeutsche, jüdische Kontingentflüchtlinge, Studenten, | |
| IT-Experten, Ehepartner von Deutschen oder politische Flüchtlinge. | |
| Eines der Zentren des russischsprachigen Lebens ist der Bezirk | |
| Marzahn-Hellersdorf. Etwa 7 Prozent der 250.000 Einwohner hat einen | |
| Migrationshintergrund aus einem der GUS-Staaten. Hier gibt es zahlreiche | |
| russische Läden, aber auch Vereine, die sich um die Integration der meist | |
| russlanddeutschen Zuwanderer und ihrer russischen, ukrainischen und | |
| kasachischen Ehepartner kümmern. | |
| „Dort prallen jetzt Meinungen aufeinander“, erzählt Elena Marburg, die | |
| Integrationsbeauftragte des Bezirks. „Die Vereine wollen davon aber wenig | |
| nach außen tragen.“ Auch der taz ist es nicht gelungen, mit Vereinen aus | |
| Marzahn ins Gespräch zu kommen. Das Thema sei zu sensibel, heißt es. Aber, | |
| so Elena Marburg: Die Auseinandersetzungen fänden rein verbal statt. Der | |
| soziale Friede im Bezirk sei nicht gestört. | |
| Sergey Lagodinsky ist Kreischef der Grünen in Pankow, er kommt aus | |
| Russland. „Die Konflikte verlaufen nicht entlang der Passidentität“, sagt | |
| er. Es gebe sowohl innerhalb der russischen als auch in der ukrainischen | |
| Community differenzierte Ansichten zum Konflikt. „In der jüdischen | |
| Gemeinde, der ich angehöre, sind Ukrainer die größte Gruppe“, sagt er. Dort | |
| würden zum Teil proukrainische Positionen vertreten. „Andere Leute sind | |
| wiederum sehr vorsichtig gegenüber dem erwachten ukrainischen | |
| Nationalismus. Und eine dritte Gruppe hat sowohl den Maidan-Prozess | |
| abgelehnt als auch die russische Position.“ | |
| Der ukrainischstämmige Musiker und DJ Juriy Gurzhy, der mit der Russendisko | |
| bekannt geworden ist, berichtete der Wochenzeitung Die Zeit von Drohungen, | |
| die er auf Facebook von Berliner Russen bekommen habe. „Wenn ihr das macht, | |
| wird Blut fließen“, stand dort. Mit „das“ war eine Benefizveranstaltung | |
| Ende März für die Hinterbliebenen der Opfer des Maidan im Gorki Theater | |
| gemeint. Passiert sei dann aber doch nichts. | |
| 11 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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