# taz.de -- Umstrittene Ausweisung in Lübeck: Abschiebung bringt Senator in Not | |
> Der grüne Lübecker Innensenator Bernd Möller gerät wegen der geplanten | |
> Ausweisung einer 20-jährigen adoptierten Russin in die Kritik. Nun | |
> entscheidet die Härtefallkommission. | |
Bild: Hofft nun auf die Härtefallkommission: die ausgewiesene Liliya Witt. | |
LÜBECK taz | Geht es nach der Lübecker Ausländerbehörde, so muss die | |
20-jährige Russin Liliya Witt am Samstag Deutschland verlassen haben. Doch | |
die Familie der von ihrem deutschen Stiefvater adoptierten jungen Frau ist | |
nicht bereit, sich mit der Entscheidung abzufinden – und setzt damit auch | |
den grünen Lübecker Innensenator Bernd Möller unter Druck. | |
Die grüne Lübecker Bürgerschaftsfraktion hat am Mittwoch per Petition an | |
die Härtefallkommission interveniert und ein dauerhaftes Bleiberecht | |
verlangt. „Es macht keinen Spaß, einen solchen Fall zu haben“, sagt Mölle… | |
Doch er beruft sich darauf, dass bislang alle Gerichte gegen ein | |
Aufenthaltsrecht entschieden haben. | |
Das Mädchen war mit 15 Jahren nach dem Tod der Großmutter von ihrem | |
Lübecker Stiefvater Wolfgang Witt adoptiert worden, das Familiengericht | |
sprach ihm das Sorgerecht zu. Die Ausländerbehörde gewährte jedoch kein | |
Nachzugsrecht, da die Mutter Liliya auf deren Wunsch 2005 in Russland | |
zurückgelassen hatte. | |
Da Liliyas Übersiedlung offiziell nicht möglich war, reiste sie mit 18 | |
Jahren per Touristen-Visa ein. Laut Lübecker Ausländerbehörde ist das | |
Aufenthaltsrecht erloschen, Familienzusammenführung könne nicht geltend | |
gemacht werden, da Liliya volljährig ist. Und das, obwohl sie den | |
Einbürgerungstest mit Bravour bestanden hat, die Deutschprüfung absolvierte | |
und Krankenschwester lernen möchte. In einem Brief an die | |
Härtefallkommission, die die Familie angerufen hat, schreibt sie: „Ich habe | |
keine Wohnung und keine Verwandten und keinen Beruf in Russland.“ | |
Inzwischen hat ihr ein Arzt bescheinigt, unter einer Angststörung zu | |
leiden. | |
## Keine unzumutbare Härte | |
„Wir wollten die schwierige Situation diskret lösen“, sagt Innensenator | |
Möller. Der Adoptivvater sei aber nie den rechtsstaatlichen Ratschlägen | |
gefolgt und habe stattdessen versucht, über die Medien Druck zu erzeugen. | |
Er wollte damit „von mir eine rechtlich nicht abgesicherte Entscheidung | |
erzwingen“, so Möller. „Das waren Fehlentscheidungen des Vaters.“ | |
Wolfgang Witt räumt ein, „leider keine fachlich gute Rechtsanwältin gehabt | |
zu haben“. Die Klagen der Familie gegen die Ausweisung nach Russland wurden | |
vom Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht in Schleswig abgelehnt. Liliya | |
Witt müsse auf jeden Fall ausreisen, damit es durch eine Abschiebung nicht | |
zu einem Einreiseverbot komme, sagt Möller. Ein Leben in Russland sei keine | |
unzumutbare Härte. Ohne Einreiseverbot bestehe für Liliya Witt dann später | |
die Möglichkeit, für eine Ausbildung oder Erwerbstätigkeit wieder | |
einzureisen. | |
Ex-Ministerpräsident Björn Engholm (SPD) findet das absurd. „Für mich ist | |
diese Entscheidung unter humanitären Gesichtspunkten schwer verständlich“, | |
schreibt er dem amtierenden schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten | |
Thorsten Albig (SPD). Die Lübecker SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele | |
Hiller-Ohm hat eine Petition an den Kieler Landtag gerichtet. | |
„Ich habe an die Härtefallkommission appelliert, Liliya Witt einen | |
dauerhaften Aufenthalt und damit eine Lebensperspektive bei ihrer Familie | |
in Deutschland zu ermöglichen“, sagt die Politikerin. Auch Grüne haben in | |
der Auseinandersetzung Position gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde | |
und die Haltung von Innensenator Möller bezogen. In einem Positionspapier | |
fragt ein schleswig-holsteinisches, grünes Parteimitglied, „ob in Lübeck | |
wirklich Grüne die richtigen Positionen besetzen“. | |
Bernd Möller möchte den Konflikt offenkundig vom Tisch haben. Er selbst hat | |
ein Ersuchen an die Härtefallkommission gerichtet: „Wir wären froh, wenn es | |
für Liliya eine Lösung gäbe, die wir auf dem rechtlichen Weg nicht gehen | |
können.“ | |
Hilfe bietet möglicherweise die neue Position des Bundesjustizministeriums: | |
Das sagt in einem vertraulichen Papier an das Bundesinnenministerium, dass | |
nicht sämtliche Verstöße gegen Einreisebestimmungen automatisch ein | |
Bleiberecht ausschließen müssen. Die Ermessensentscheidung der europäischen | |
Freizügigkeitsrichtlinie verlange „ausdrücklich verhältnismäßige | |
Maßnahmen“, heißt es. | |
30 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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