| # taz.de -- Westergaard in der Akademie der Künste: Knapp über dem Abgrund | |
| > Der dänische Zeichner Kurt Westergaard tritt in Berlin auf. Seit der | |
| > Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen wird er polizeilich geschützt. | |
| Bild: Hat viel durchgemacht: Kurt Westergaard, hier im Jahr 2010 in Potsdam | |
| Zum Schluss kommt Kurt Westergaard auf seine Enkelin zu sprechen. Ja, ihr | |
| gehe es gut. Den Mordanschlag am Neujahrstag 2010 habe die damals | |
| Fünfjährige gut verkraftet. Sie habe gedacht, ein gewöhnlicher Dieb sei ins | |
| Haus des Großvaters in Aarhus eingedrungen. „Ich hatte die Wahl, ihn | |
| aufzuhalten oder ins Bad zu flüchten, das zum Schutzraum ausgebaut war“, | |
| erzählt Westergaard. | |
| Er zog das Bad vor, an dessen Stahltür sich der Angreifer abarbeitete, ein | |
| mit Axt und Messer bewaffneter somalischer Asylbewerber. Die Polizei traf | |
| schnell ein. „Ich hätte ein Blutbad anrichten können“, sagt Westergaard. … | |
| klingt fast verschmitzt. | |
| Kurt Westergaard sitzt am Donnerstag im Obergeschoss der Akademie der | |
| Künste in Berlin. Er wirkt mit dem Sommerhut unbeschwert wie ein Tourist | |
| und lebt doch seit bald neun Jahren im Ausnahmezustand. Am 30. September | |
| 2005 veröffentlichte die dänische Zeitung Jyllands-Posten zwölf | |
| Mohammed-Karikaturen, eine davon von Westergaard. | |
| Sie zeigte einen Muslim, in dessen Turban einen Bombe mit brennender Lunte | |
| steckt. Als die Karikaturen in muslimischen Ländern bekannt werden, kommt | |
| es dort zu Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen. Westergaard und | |
| seine Kollegen werden bedroht und müssen zeitweilig untertauchen. Höhepunkt | |
| der Gewalt ist der Anschlag auf Westergaard. | |
| ## „Wir haben eine gute Zeit“ | |
| Seitdem wird der Zeichner rund um die Uhr bewacht. Er habe „boys in the | |
| back room“, sagt er lächelnd und weist auf die vier durchtrainierten Herren | |
| hin, die sich auch in Berlin im Hintergrund halten – Personenschützer der | |
| dänischen Geheimpolizei PET. „Wir haben eine gute Zeit“, fasst er das | |
| Zusammenleben lakonisch zusammen. Die Polizisten seien inzwischen Teil der | |
| Familie. Nicht ganz, wirft seine Frau Gitte ein. Die Herren haben einen | |
| Pavillon im Garten hinterm Haus, von wo aus sie die vielen Kameras | |
| kontrollieren, die über das Grundstück verteilt sind. | |
| Die Gefahrenstufe gelte nur für ihren Mann. Sie könne sich frei bewegen. | |
| Und doch ist klar, dass auch sie von einem normalen Leben weit entfernt | |
| ist. 2008 wurde ihr, der Kindergärtnerin, gekündigt. Die Begründung: Eltern | |
| haben Angst um die Sicherheit ihrer Kinder. Die Kündigung wurde schnell | |
| rückgängig gemacht. Doch die Belastung trifft die gesamte Familie. | |
| Und sie trifft das Umfeld. Westergaards Galerist Erik Guldager berichtet, | |
| dass seine Galerie in Aarhus vor Vernissagen von PET-Beamten mit Hunden | |
| durchsucht werde, wenn er Westergaard ausstellt. Und er stellt ihn oft aus. | |
| ## Nur seine Arbeit gemacht | |
| Gemeinsam mit Westergaard hat er eine Stiftung gegründet, die verfolgte | |
| Künstler unterstützt, unter anderem mit einem Preis. Westergaard erzählt | |
| von einem russischen Zeichner, der in Bedrängnis geraten ist. Anwärter für | |
| so einen Preis gäbe es viele, sagt er. Habe er denn nach all dem Druck | |
| schon einmal über eine Entschuldigung nachgedacht? Mit dieser Frage prüft | |
| Akademiepräsident Klaus Staeck Westergaards Standfestigkeit. Doch die ist | |
| groß. „Nein, nein! Ich habe meine Arbeit gemacht. Und wenn die Arbeit gut | |
| ist und gesetzlich, soll man sich nicht entschuldigen.“ | |
| Es gehe um die Meinungsfreiheit. Manchmal greift Westergaard beim Reden | |
| nachdenklich in seinen Bart, seine Augen sind wach. Gelegentlich lässt er | |
| sich die Fragen ins Dänische übersetzen, meist spricht er Deutsch. | |
| Westergaard hat nichts von einem Eiferer. Entschlossen ist er trotzdem. | |
| Klaus Staeck spricht vom „alten Wort von der Solidarität“, die Künstler m… | |
| anderen verfolgten Kollegen verbinden solle. „Es gibt keine | |
| hundertprozentige Solidarität“, wirft Westergaard ein. Enttäuscht ist er | |
| über die Intellektuellen, von denen sich viele weggeduckt haben. Auch | |
| Zeichnerkollegen der Mohammed-Karikaturen haben später Abbitte getan. | |
| Die Arbeit für Zeitungen hat er eingestellt, da er nicht von der Gnade von | |
| Verlegern abhängig sein will. Beim Abschied signiert er eine Zeichnung. Sie | |
| zeigt einen Mann mit einer Feder in der Hand, der auf einem Seil über dem | |
| Abgrund balanciert. Das eine Seilende ist auf festem Grund an einem Schild | |
| befestigt, auf dem steht: „Meinungsfreiheit“. Das andere Ende hält der Mann | |
| in seiner Hand – Leben über dem Abgrund. | |
| 12 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Gerlach | |
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| Akademie der Künste Berlin | |
| Akademie der Künste | |
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