# taz.de -- Eisenbahn-Großprojekt „Rail baltica“: Mit dem Zug bis Helsinki | |
> Nach 20 Jahren Planung beginnt nun die Anbindung der baltischen Staaten | |
> an das europäische Bahnnetz. Auch deutsche Reisende profitieren davon. | |
Bild: So ungefähr kann man sich das vorstellen: der Planungsstand von 2009 (mi… | |
STOCKHOLM taz | „Trottel“. Estlands Wirtschaftsminister Juhan Parts | |
entschuldigte sich zwar, dass er in einem Interview mit dem Wall Street | |
Journal diese Bezeichnung für Mitglieder der litauischen Regierung gewählt | |
hatte. Den Inhalt seiner Aussage korrigierte er aber nicht: Nur Trottel | |
könnten so ein großzügiges Geschenk aus Brüssel ablehnen. | |
Das Projekt heißt „Rail baltica“: eine neue Eisenbahnstrecke, die die | |
estnische Hauptstadt Tallinn und das lettische Riga mit Polen und damit dem | |
mitteleuropäischen Eisenbahnnetz verbinden soll. Derzeit sind die 950 | |
Kilometer von Warschau nach Tallinn ein mehrtägiges Abenteuer mit | |
mehrmaligem Umsteigen, nicht aufeinander abgestimmten Fahrplänen und | |
langsamen Regionalzügen. | |
Abhilfe soll der Bau einer völlig neuen Trasse mit westeuropäischer | |
„Normalspur“ (1.435 Millimeter) und damit nicht mit der in den baltischen | |
Staaten verwendeten russischen Spurweite (1.524 Millimeter) bringen, so | |
dass auch das Umspuren der Züge an der polnisch-litauischen Grenze | |
entfallen würde. Die Vision: Irgendwann wird am Berliner Hauptbahnhof der | |
Direktzug für eine 250 Stundenkilometer schnelle Reise nach Helsinki bereit | |
stehen, denn in Finnland und Estland arbeitet man an Plänen für einen 50 | |
Kilometer langen Tunnel unter der Ostsee zwischen Tallinn und der | |
finnischen Hauptstadt. | |
## Litauen bremst | |
Seit 1994 laufen die Planungen für die „Rail baltica“, und eigentlich | |
sollte sie schon 2013 fertig sein. Doch die Vorarbeiten zogen sich in die | |
Länge und jahrelang stand Litauen auf der Bremse. Die EU, die für 85 | |
Prozent der Investitionskosten stehen soll, hat – weil dies ein unnötiger | |
Umweg wäre – die Anbindung der Hauptstadt Vilnius nicht vorgesehen. | |
Das ist zwar auch jetzt noch nicht der Fall, doch die baltischen | |
Regierungen haben sich nun versprochen, in Brüssel auf eine entsprechende | |
Änderung der ursprünglichen Pläne hinzuarbeiten, damit Vilnius zumindest | |
mit einer 100 Kilometer langen Stichspur an die europäische Spurweite | |
angeschlossen werden kann. | |
Weshalb am Mittwoch nun auch ein endgültiges Bauabkommen unterzeichnet und | |
im Laufe der nächsten Monate von den Regierungen der drei Baltenstaaten | |
abgesegnet werden soll. Auf fünf Milliarden Euro werden die | |
Investitionskosten geschätzt, doch Kritiker warnen von einem politischen | |
Prestigeprojekt ohne realistische Kosten-Nutzen-Analyse. | |
18 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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