Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Thai-Folk aus Bangkok: Groovy Gebräu
> Die Paradise Bangkok Molam International Band beschleunigt Laute und
> Mundorgel. Wer zu diesem Sound nicht tanzt, dem sind sie Adern
> eingefroren.
Bild: Fetter Groove inklusive Laute und Flöte.
Wäre alles normal verlaufen, dann würden Kammao Perdtanon und Sawai
Kaewsombat weiter übers Land ziehen. Sie hätten sich mit ihren Instrumenten
auf Volksfesten und Marktplätzen den Arsch abgespielt, ohne dass die Welt
jemals von ihnen Notiz genommen hätte. Nur im Nordosten Thailands wären sie
Legenden geworden. Der eine hätte seine Phin, eine Laute, der andere die
Khaen, eine Mundorgel aus Holz, mit ins Grab genommen.
Aber es kam anders. Perdtanon, 47, und Kaewsombat, 73, fanden sich
vergangenes Jahr auf dem Off-Festival im polnischen Katowice wieder – als
Popstars auf einer großen Bühne. Der Lautist gniedelte auf dem nun
elektrisch verstärkten Instrument wie ein Eddie Van Halen Südostasiens, der
Bläser wankte mit seinen Bambusflöten auf und ab, als wiege er ein Kind.
Alle waren auf den Beinen und feierten diese Paradise Molam Bangkok
International Band.
Die Band, die ihre Wahlheimat im Namen trägt, spielt die zeitgemäße Version
von Molam-Sound – ursprünglich wurde so nur traditionelle thailändische
Folkmusik bezeichnet, die in den späten Sechzigern einen Schuss Soul
abbekam. Die Paradise Band gibt dieser Stilrichtung nun noch mal neue
Impulse – dank der Rhythmusfraktion um den britischen Perkussionisten Chris
Menist und Piyanart Jotiikasthira (Bass) und Phusana Treeburut (Drums)
entsteht ein groovy Gebräu, bei dem nur der stillsteht, dessen Adern
eingefroren sind.
„Reaktionen wie letztes Jahr haben wir nirgendwo sonst bekommen“, sagt
Nattapon „Nat“ Siangsukon am Rande eines Konzerts in Berlin. Ohne den
langjährigen Labelbetreiber gäbe es die Band nicht – er hat in der
Hauptstadt erst den Paradise Bangkok-Club gegründet und Ende 2012 die
Musiker zusammengetrommelt, um eine Band gleichen Namens zu gründen.
Die beiden Folkies Perdtanon und Kaewsombat haben 2013 zum ersten Mal ihr
Land verlassen. „In Bangkok wird man für einen Bettler gehalten, wenn man
Laute spielt. Hier interessieren sich die Leute für das Instrument“,
berichtet Siangsukon.
Die Paradise Band klingt aber eben auch wie ein Melange aus allem, was
Rhythmus beschleunigt. Bisschen Funk, bisschen Ska, bisschen Dancehall –
auf Molam-Basis. Molam war dabei bereits im 19. Jahrhundert in Thailand und
Vietnam populär und bezeichnete ursprünglich nur Gesang mit
Mundorgelbegleitung. Später kam die Laute dazu, und mit den G.I.s, die
während des Vietnamkriegs im thailändischen Nordosten stationiert waren,
auch Bass und Drums.
Siangsukon, der einige Jahre in Großbritannien gelebt hatte und 2005 nach
Bangkok zurückgekehrt ist, wollte vergessene Alben aus dieser Ära
wiederveröffentlichen und gründete 2007 das Label ZuDrangMa. Im Februar
2009 gründete er mit dem Londoner Chris Menist, dem heutigen
Perkussionisten der Band, einen Club, in dem Molam-Musik gespielt wurde –
sie wurden zum DJ-Duo. Dann veranstalteten sie auch Konzerte mit
Molam-Größen, und kurz darauf kam die Idee für die Band – so startete 2012
die Paradise Band.
## Sound der Rebellion
Nachdem der Molam bereits zu Zeiten des Vietnamkriegs instrumentalisiert
worden war und Nordvietnam wie auch Thailand den Sound für sich reklamieren
hatte wollen, spielte der Stil auch bei den jüngsten Unruhen innerhalb
Thailands eine Rolle. Nach einem jahrelangen Konflikt zwischen den
sogenannten Rothemden und Gelbhemden, unterprivilegierten Schichten und
einer selbsternannten Volksallianz, gab es mehr als 30 Tote.
Vor wenigen Wochen putschte die thailändische Armee. Für die Rothemden war
Molam der Sound des Aufstands gegen die Eliten. „Die Thais betrachten
Molam-Sound als Musik für die Armen“, erklärt Siangsukon. „Das ist
ländlicher Folk, warum machst du so was?“, sei er gefragt worden, als er
den Club in Bangkok eröffnete. „Es ist ehrliche Musik, sie hat Groove“,
antwortet er. An seiner persönlichen Lage ändere der Militärputsch wenig.
Sein Club muss nun um zwölf statt um zwei schließen.
Fernab der politischen Wirren erfüllen sich die beiden Altmeister an den
Holzinstrumenten, Perdtanon und Kaewsombat, derweil Träume, verneigen sich
vor ihrem Publikum, das sie auch bei ihrem Auftritt im Berliner
Monarch-Club wieder frenetisch feiert. Band-Gründer Siangsukon sieht seine
Mission deshalb in gewisser Weise erfüllt: „Eigentlich kann ich jetzt in
Frieden sterben.“
19 Jun 2014
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Bangkok
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Shanzai meets Pop: Frisch aus der Szechuan-Küche
Was für ein Debüt: „Asiatisch“, das Konzeptalbum der kuwaitischen
Künstlerin Fatima Al Qadiri, beschäftigt sich mit China als westlicher
Vorstellungswelt.
Der Sound Afrikas: Wie ein Geschenk von Gott
Der Frankfurter Samy Ben Redjeb stöbert Musiker des Afro-Soul und
Vodoo-Funk auf. Er macht damit längst vergessene Musik Afrikas wieder
zugänglich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.