# taz.de -- Erinnerungen an Robert Lebeck: Unsichtbar präsent | |
> Elvis, Romy Schneider, Francos Spanien: Seine Bilder sind berühmt. Der | |
> Fotograf Robert Lebeck ist 85-jährig in Berlin gestorben. | |
Bild: Eindringlich schaut der King die Besucher einer Lebeck-Austellung an. | |
## Kongo, Spanien, Brasilien | |
Robert Lebeck konnte präsent sein, ohne selbst sichtbar zu sein. Den großen | |
Fotoreporter, der am vergangenen Samstag im Alter von 85 Jahren in Berlin | |
gestorben ist, hat das, neben vielem anderen, wohl ausgemacht. Nur so | |
gelangen ihm Bilder, die Augenblicke einfingen. Augenblicke, die nur er | |
sah, weil er unsichtbar blieb. Und die er mit uns teilte. | |
Heinrich Jaenecke, der in den Glanzzeiten des Magazins stern einer der | |
wichtigsten Reporter dort war, hat das einmal sehr schön erzählt. Ich hatte | |
Jaenecke in seinem Haus in Ahrensburg bei Hamburg getroffen, um mit ihm | |
über den Wandel in unserem Beruf zu sprechen. Jaenecke erzählte aus seinem | |
Reporterleben, die Möglichkeiten damals waren ja grenzenlos. Er hatte die | |
Welt gesehen und schwärmte von der Zusammenarbeit mit den Fotografen. | |
Lebeck – Jaenecke nannte ihn nur „Bob“ – hatte ihn am stärksten faszin… | |
Weil der Kollege mit der Leica gleich mittendrin war und den Moment zu | |
erahnen schien, der später zu einem ikonografischen Foto werden würde. | |
Jaenecke und Lebeck im Spanien des späten Franco, die Hochzeit einer | |
Enkelin des Diktators. Für die Fotografen ein Podest mit einem Seil drum | |
herum. Lebeck trug Smoking, „klugerweise“, wie Jaenecke erzählt. Denn schon | |
im nächsten Moment sprang er – „dschumm“ – über das Seil und tauchte … | |
gelangen dort einige der besten Fotos über das Spanien in Agonie. Zwar | |
wurde Lebeck eine Nacht lang festgehalten, wurden Filme konfisziert, aber | |
die, die er irgendwie im Schuh hinausschmuggelte, genügten, „die kamen | |
doppelseitig ins Blatt“. | |
Einmal waren beide auf Recherche in Brasilien unterwegs, Jaenecke erzählte | |
es so: „Wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen auf einer Piste, die | |
schnurgerade von Horizont zu Horizont lief. Die Sonne brannte, und als sie | |
endlich unterging, stotterte der Motor und stand dann still. Ringsum | |
Schweigen. Wir machten uns auf zu einer Fazenda, an der wir kurz zuvor | |
vorbeigekommen waren. Drei Frauen öffneten uns, boten uns die Hängematten | |
auf der Terrasse an und machten Tee. Da lagen wir dann, tranken den | |
bitteren Mate in kleinen Schlucken, über uns die Sternbilder der südlichen | |
Hemisphäre. Bevor wir einschliefen, murmelte Bob: Möchtest du einen anderen | |
Beruf haben? Die Antwort war – natürlich – nein. Für uns beide.“ | |
Lebeck war ein Reporter, einer, der aus dem kleinsten Hotelzimmer, aus | |
einem schwankenden Eisenbahnwaggon, aus dem erregten Kongo am Tag der | |
Unabhängigkeit etwas mitbringen wollte. Romy Schneider, Willy Brandt, der | |
Mann, der dem belgischen König in Léopoldville den Säbel entreißt. Wir | |
werden seine Bilder immer wieder anschauen. Felix Zimmermann | |
## Spaghetti Gorgonzola | |
Sie saßen lang, Robert und Oscar, Vater und Sohn, beide lehnten in ihren | |
Stühlen und sprachen dabei wenig, und nie war klar, wer gerade wen | |
anschwieg. Samstagmittag, das war ihre Zeit, und der Italiener, in dem ich | |
kellnerte – Berlin-Schöneberg, klein, improvisiert, Kitsch an der Wand –, | |
der war ihrer. Meistens nahmen sie den Tisch hinten links, vor dem | |
Weinregal; dort war es dunkel, es gab rot-weiß karierte Servietten mit | |
Parmesankrümeln darauf, und Robert Lebeck bestellte Spaghetti Gorgonzola | |
für zwei. | |
Auch wenn er nie anderes bestellte: Es gehörte dazu, dass man ihn fragte, | |
was er wünschte, und er kurz überlegte, was er wollte. Ich mochte, dass das | |
so war, und auch, dass Lebeck nach dem Essen manchmal den Kopf zur Seite | |
legte und so einschlief. Lebeck mochte, dass er mich aus seinem Italiener | |
kannte – vielleicht sagte er nur deshalb zu, als ich fragte, ob ich ihn für | |
ein Uniseminar interviewen dürfte. „Ich kann gar nicht glauben, dass Sie | |
das machen“, sagte ich, als er in seiner Wohnung empfing, unweit des | |
Italieners, eigentlich nur die Straße runter – es war mein erstes | |
Interview. „Ich auch nicht“, sagte er und machte Kaffee um Kaffee, drei | |
Stunden lang. | |
„Ich sag immer“, so erklärte das Robert Lebeck, er war schrecklich lässig | |
und ich schrecklich unlässig, „um Fotoreporter zu werden, braucht es | |
eigentlich nur einen Vormittag.“ Dass er 23 war, als ihm seine erste Frau | |
eine Kamera schenkte, erzählte er. Dass die Acht-Quadratmeter-Wohnung und | |
das Geld damals für keine Dunkelkammer reichten, er sich darum aufs Moped | |
setzte: Mit einer Hand hielt er den Lenker, mit der anderen seine Fotos, | |
damit sie im Fahrtwind trockneten. Wie dann eines seiner Bilder auf einer | |
Titelseite landete, Reportagen für Revue, Geo und den stern folgten, | |
Porträts von Andy Warhol, Louis Armstrong, Elvis Presley, Willy Brandt. Er | |
sagte, „mir war es zu einfach, Helmut Kohl negativ zu fotografieren, bloß | |
weil der stern mehr für die SPD war“; er sagte, er habe gar nicht gewusst, | |
was da los sei, als ihm sein berühmtester Schnappschuss gelang; 1960, im | |
Kongo feierte man die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht, als dort, in | |
Léopoldville, Belgiens König im offenen Auto durchs Viertel fuhr und ein | |
Kongolese ihm den Säbel entriss. | |
Robert Lebeck war ein Erzähler, ein Charmeur, den man gern noch oft | |
Spaghetti Gorgonzola bestellen hören würde, und wie er sich in jener Nacht | |
mit einer Leica auf Romy Schneiders Hotelzimmer schlich. Sie hatte einen | |
Zettel unter seiner Tür durchgeschoben – und ihre einen Spalt offen stehen | |
lassen. „’Du machst mir Angst. Und ich mach mir Angst‘, hat sie | |
geschrieben. ’Vergiss mich schnell‘“, Lebeck machte Kaffee. „,Aber bitte | |
sag mir gute Nacht.‘“ Annabelle Seubert | |
20 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Seubert | |
Felix Zimmermann | |
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