# taz.de -- Zeitgeschichte: Umstrittener Straßenname | |
> Eine Straße in Hammerbrook wird „Vera-Brittain-Ufer“ getauft. Die | |
> britische Pazifistin war unzweifelhaft integer, ist jedoch auch | |
> revanchistisch missdeutbar. | |
Bild: Stritt auch wider die Bombardierung Hamburgs: Die Friedensaktivistin Vera… | |
Vera Brittain war eine aufrechte Person. Die 1970 verstorbene Britin war | |
eine Feministin und Pazifistin, die sich 1944 bei den Alliierten unbeliebt | |
machte, indem sie das Flächenbombardement deutscher Städte anprangerte – | |
auch den Hamburger „Feuersturm“. Und das, obwohl Deutschland das britische | |
Coventry schwer zerstört hatte. | |
Nach Vera Brittain also soll am 28. Juni eine Promenade in Hammerbrook | |
benannt werden, und die Integrität der Friedensaktivistin, deren Tochter | |
eigens anreist, ist evident. Ambivalent ist der Vorgang trotzdem, denn | |
initiiert hat ihn der Jurist Gerfried Horst, der lange in Hamburg lebte. Er | |
ist Vorsitzender der Gesellschaft „Freunde Kants und Königsberg e.V.“ und | |
hat das Buch „Generalprobe für die Hölle – Wahrheit über die Zerstörung | |
Königsbergs“ verfasst. | |
Sein Interesse gilt dabei nicht den sowjetischen Luftangriffen auf die | |
Stadt, sondern den britischen. Auch für den Hamburger „Feuersturm“ waren | |
Briten verantwortlich, und so begründet Horst seinen Benennungsantrag vor | |
allem mit dem Protest Brittains gegen deren Flächenbombardement. | |
Mit dieser Argumentation stehe Horst in einer Tradition revanchistischen | |
Gedenkens, das britische Kriegskritiker heranziehe, um Deutschland als | |
Opfer des Krieges zu zeichnen, sagt Historiker Malte Thiessen von der Uni | |
Oldenburg, der den Band „Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an | |
Luftkrieg und Kriegsende“ herausgegeben hat. | |
Die Stadt Hamburg ahnte davon wenig und nachdem das Staatsarchiv zunächst | |
wegen Formalia abgelehnt hatte, votierte die Bezirksversammlung dann | |
geschlossen für den Antrag. | |
„Das Problem bei Straßenbenennungen ist aber selten der Name, sondern der | |
Kontext und die Initiative dahinter“, sagt Thiessen. Beides prüfte das | |
Bezirksamt nur rudimentär: „Ich habe Herrn Horst angerufen und hatte einen | |
guten Eindruck“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. „Er war betrübt, weil man | |
ihn in die rechte Ecke stellte.“ | |
Auch im Gespräch mit der taz sagt Horst, er sei entsetzt über einen Artikel | |
in der Preußischen Allgemeinen Zeitung, der seine Initiative lobt, weil | |
Brittain „gegen den Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung | |
protestierte“. Er habe sich beim Verfasser beschwert, die Sache dann aber | |
auf sich beruhen lassen, sagt Horst. | |
Bleibt die Frage, ob man eines so komplexen Vorgangs wie des Feuersturms, | |
der einerseits zur Niederringung des NS-Regimes gedacht war, wegen seiner | |
Brutalität aber selbst im britischen Unterhaus umstritten war, durch einen | |
Straßennamen gerecht wird. „Hier ist ein multiperspektivisches Gedenken | |
vonnöten“, sagt Thiessen. Individuelles Leid habe seine Berechtigung, werde | |
beim öffentlichen Gedenken aber als zu kurz greifend empfunden. | |
Auch Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, hält es für | |
zwingend, Kontext und Kausalkette mit zu berücksichtigen. „Das Museum im | |
Mahnmal St. Nikolai stellt das unmissverständlich dar; im Unterschied zu | |
der Straßenbenennung und ihrer Begründung ist hier eine | |
Instrumentalisierung zur Schuldverlagerung nicht möglich.“ | |
26 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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Hamburg | |
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