# taz.de -- Euphorie in Belgien vor dem Viertelfinale: Ein Land mit Hörnern | |
> Die Roten Teufel sorgen für einen kollektiven Taumel. Sogar | |
> separatistische Flamen jubeln, wenn das Team von Marc Wilmots siegt. | |
Bild: Vieles ist neu in diesen Tagen in Belgien, das sich in einer nie gesehene… | |
Hat man so was schon gesehen? Eine Polonaise in der Straßenbahn, die | |
normalerweise die Urlauber an der belgischen Küste herumfährt? Letzten | |
Dienstag aber, nach dem 2:1 der Roten Teufel gegen die USA, zogen die | |
Bewohner der Dünendörfer die Blicke der Touristen auf sich. Vom Public | |
Viewing auf der Rennbahn von Ostende kommend, tanzten sie durch die engen | |
Waggons, in einer eigenartigen Mischung aus Euphorie und Schüchternheit. | |
Wer aufmerksam hinschaute, konnte merken, dass sie nicht viel Erfahrung mit | |
derlei Anlässen haben. | |
Vieles ist neu in diesen Tagen in Belgien, das sich in einer nie gesehenen | |
Weise selbst feiert. Die Regeln des Alltags werden ausgehebelt durch den | |
Teufelswahnsinn. Büros und Geschäfte schließen früher, wenn ein Match | |
ansteht, bei „Rock Werchter“, einem der größten Musikfestivals des Landes, | |
wird wegen des Viertelfinalspiels gegen Argentinien gar die Running Order | |
verändert. Und allenthalben sieht man eine neue Fahne, die es eigentlich | |
gar nicht gibt: Sie sieht aus wie die brasilianische, nur ist sie schwarz, | |
gelb und rot statt gelb, grün und blau. | |
Lange wusste man bei dieser WM nicht, wo dieses belgische Team eigentlich | |
steht, das von Experten und Medien zuvor mit allerlei Superlativen bedacht | |
wurde, zumindest aber als Geheimfavorit galt. Statt des versprochenen | |
aufregendsten neuen Dings des Weltfußballs arbeitssiegte man sich durch die | |
Vorrunde. Auch das Achtelfinale wich nicht ab vom Muster der Roten Teufel, | |
konsequent nur dieses eine Tor mehr als der Gegner zu schießen. Hinter | |
diesem vermeintlichen Minimalismus aber zeigt sich eine deutliche | |
Steigerung: Erst stellten die Belgier das Weiterkommen sicher, dann | |
besiegte ihr B-Team zu zehnt Südkorea, bevor die Stammkräfte übernahmen und | |
gegen die USA endlich zu begeistern wussten. | |
Es scheint also, dass Belgien genau zum richtigen Zeitpunkt in Schwung | |
gekommen ist. Entsprechend zuversichtlich ist man im Teamquartier, dem | |
Paradise Golf & Lake Resort in Mogi das Cruzes. „Sie sind die Favoriten, | |
aber das kann unser Vorteil sein. Wir gehen von unserer eigenen Stärke | |
aus“, so Verteidiger Jan Vertonghen. Und Axel Witsel, der es im Mittelfeld | |
mit Lionel Messi zu tun bekommen wird, sagte: „Sie haben natürlich | |
Topspieler, aber die haben wir auch. Auf diesem Podium gegen Messi zu | |
spielen ist ein Traum, der Wirklichkeit wird.“ | |
## Teuflische Intiativen | |
Unterdessen übertrifft man sich in Belgien an teuflischen Initiativen. Im | |
populären Radio1 werden Dance-Stücke remixt und den Stürmern Divock Origi | |
und Romelu Lukaku gewidmet. Supermärkte haben mit dem Verkauf von | |
Getränken, Snacks, Süßigkeiten oder Fanartikeln bereits 30 Millionen Euro | |
umgesetzt, so die Tageszeitung De Morgen. „Und je weiter wir kommen, desto | |
verrückter werden wir alle, und umso größer dann auch der Gewinn.“ De | |
Morgen, wohlgemerkt, ist eines der anerkannten Qualitätsblätter des Landes. | |
Wenn dieses renommierte Organ sich dergestalt äußert, überrascht es dann | |
noch, dass man in Belgien zurzeit jeden Tinnef verkaufen kann, solange man | |
ihm zwei Teufelshörner aufsetzt? | |
Nicht einmal die übliche Krisenstimmung, weil die längst fällige Bildung | |
einer Regierung wieder einmal in die Verlängerung geht, herrscht derzeit in | |
Belgien. Fast scheint es, als interessierte die Frage nach dem neuen | |
Ministerpräsidenten wenig, solange Marc Wilmots Bondscoach ist. Die Politik | |
wiederum beschäftigt sich ihrerseits mit dem Auswahlteam: Ende Juni | |
empfingen die Abgeordneten der flämisch-nationalistischen Partei N-VA eine | |
Mail der Parteiführung. Darin wurde ihnen zugestanden, die Leistungen des | |
Teams positiv zu bewerten und gegenüber den Medien zu sagen, die Roten | |
Teufel seien „auf einem guten Weg“. | |
Mariam Al Merrouni, eine Sprecherin der N-VA, bestätigte, innerhalb der | |
Partei dürften alle ihre eigene Meinung zu diesem Thema haben. Während sich | |
N-VA- Anhänger an dem „Belgien- Getue“ störten, sei im N-VA- Hauptquartier | |
auch schon ein rotes Trikot gesichtet worden, so Mariam Al Merrouni zur | |
taz. Die Parteisprecherin selbst wird am Samstagabend auch zu einem Public | |
Viewing gehen – ihres mitfiebernden Sohnes wegen. Nur Teufels-Accessoires, | |
die doch eher die belgische Einheit symbolisieren, wird sie dabei keine | |
tragen. | |
5 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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