# taz.de -- Fußball-WM auf Twitter: Die wirkliche Arena | |
> Erst Twitter macht die Kickerei zum globalen Event. Die Zahl der Tweets | |
> entscheidet, was bei der WM relevant ist. Und die Spieler sind | |
> mittendrin. | |
Bild: Na klar doch: Sami Khedira posiert für einen Selfie. | |
Die Zahlen allein sind kaum vorstellbar: Schon während der Gruppenphase | |
wurde die Fußballweltmeisterschaft mit über [1][300 Millionen Tweets] auf | |
Twitter kommentiert. In der K.-o.-Runde setzte sich der Trend fort, allein | |
zum Halbfinale zwischen Deutschland und Brasilien wurden knapp [2][36 | |
Millionen Posts] abgesetzt. WM-Rekord. | |
„Die Weltmeisterschaft entwickelt sich zum meistdiskutierten Event der | |
Twitter-Geschichte“, sagt Rowan Barnett, der Deutschlandchef des | |
Social-Media-Konzerns. Ein Vergleich mit anderen sportlichen | |
Großereignissen verdeutlicht, wovon er spricht: Während der Olympischen | |
Spiele in London 2012 twitterten die Fans weltweit etwa 150 Millionen Mal, | |
während Sotschi 2014 waren es 40 Millionen Nachrichten – jeweils aber über | |
den gesamten Wettkampf verteilt. | |
Mit der Fußball-WM in Brasilien aber ist vor allem Twitter zur globalen | |
Diskussionsarena geworden. „Wenn etwas im TV passiert, dann passiert es | |
auch auf Twitter. Das ist der Moment, in dem der Zuschauer zum Handy greift | |
und seine Emotionen mit anderen teilt“, sagt Barnett. In der Tat: Laut | |
einer [3][Studie von „Tomorrow Focus“] nutzen 45,5 Prozent der Deutschen | |
ihr Smartphone als Second Screen während der Übertragungen. | |
Twitter bildet so die Stimmung unter den Fans ab: Unter dem Hashtag #Zuniga | |
gab es einen Shitstorm, nachdem der kolumbianische Verteidiger Juan Zúñiga | |
Brasiliens Neymar ins Krankenhaus gefoult hatte. Szenen wie das | |
akrobatische Kopfballtor des Niederländers Robin van Persie gegen Spanien | |
wurden hingegen gefeiert. | |
## Twitter als diskursive Verlängerung | |
Was mehr auffällt: Mit der Bedeutung von Twitter ist auch die Souveränität | |
der Nutzer im Umgang damit gewachsen. Als im Halbfinalspektakel der | |
Deutschen das fünfte Tor fällt, [4][twittert ein Fan aus Berlin]: „Ich | |
wette, im Bundestag haben sie gerade unbemerkt die Todesstrafe | |
durchgewunken.“ Seit der Mehrwertsteuererhöhung 2006 weiß man ja, dass die | |
Politik ungeliebte Beschlüsse gern dann fasst, wenn das Volk mit Fußball | |
beschäftigt ist. Es sind solche lakonischen Bemerkungen, die am liebsten | |
geteilt werden. Bei der WM 2010 hat man derlei Tweets noch deutlich | |
seltener gelesen. | |
Für die Spieler gilt Ähnliches: Ihr Umgang mit sozialen Medien hat sich | |
geändert. Sie posten nicht mehr nur Fotos von den Produkten ihrer | |
Werbepartner. Nein, sie mischen mit auf den Social-Media-Plattformen und | |
kommunizieren darüber vermehrt auch untereinander. Manche haben sich dabei | |
als Dirigenten ihrer Performance im Netz hervorgetan, so wie Uruguays | |
Stürmer Luis Suárez. Nach seinem Biss in Chiellinis Schulter entschuldigte | |
er sich [5][öffentlich per Twitter]. Sein Opfer [6][twitterte zurück]: „Ist | |
alles vergessen. Ich hoffe, die Fifa wird deine Suspendierung verkürzen.“ | |
Twitter ist die diskursive Verlängerung nach dem Schlusspfiff. | |
„Bei großen Sportereignissen sehen wir, dass die globale Konversation live | |
auf Twitter stattfindet“, sagt Rowan Barnett. Stimmt. Man könnte bei der WM | |
in Brasilien auch sagen: Was auf Twitter nicht diskutiert wird, war nicht | |
so wichtig. | |
11 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/TwitterData/status/482328841466048513 | |
[2] http://twitter.com/TwitterData/status/486708145775841281 | |
[3] http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/126844-tomorrow-focus-studie-zur-w… | |
[4] http://twitter.com/Nienor_/status/486609865167867904 | |
[5] http://twitter.com/luis16suarez/status/483659463417548800 | |
[6] http://twitter.com/chiellini/status/483671807380443136 | |
## AUTOREN | |
Josef Wirnshofer | |
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